Dreitausend Prozent Steigerung
In einer Hinsicht gab es jedoch Stabilität; im stetigen Anstieg der Fördermittel, die der Bund für die Erforschung und Weiterentwicklung von Energietechnologien und Energieeffizienz bereitstellt. Laut dem aktuellen Bundesbericht Energieforschung hat die Bundesregierung 2016 rund 875 Millionen Euro für die Projektförderung in der Energieforschung bereitgestellt. Zum Vergleich: 1977 betrug das Jahresbudget im Bundeshaushalt für die Energieforschung noch 51 Millionen D-Mark. Das ist eine sehr beachtliche Entwicklung; eine Steigerung um mehr als 3.000 Prozent in 40 Jahren.
Internationale Bezüge
Die Energieforschung hatte zudem immer einen sehr starken internationalen Bezug. Ihr Fokus lag anfangs auf Nuklearenergie, Kohle und Stahl. In der Atomforschung wurde mit EURATOM bereits in den 50er Jahren – und damit nur wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg – ein Instrument für europäische Kooperation geschaffen. Eine ähnliche Entwicklung vollzog sich 1951 mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Die EGKS war die erste supranationale Organisation der Geschichte und damit ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit in Europa, das durch Nationalismus und Kriege so unendliches Leid erfahren hatte.
Diese ersten Formen der Zusammenarbeit sind später in die Europäische Gemeinschaft, den Vorläufer der Europäischen Union, eingeflossen. Die Energiepolitik wurde zu einem Katalysator für die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit unseren Nachbarstaaten. Die Ölpreiskrise in den 70er Jahren hat gezeigt, wie stark unser Wohlstand mit bezahlbarer Energie im Zusammenhang steht und wie verwundbar unsere Wirtschaft in Bezug auf internationale Entwicklungen ist.
Das Öl wurde als Waffe bei internationalen Konflikten entdeckt. Diese Entwicklung hat uns in den Industriestaaten überrascht; wie waren darauf nicht vorbereitet. Die kurzfristige Reaktion im November 1973 war ein Fahrverbote für Autos an Sonntagen. Aber statt das Heil im Isolationismus und Nationalismus zu suchen, lautete unsere Antwort „Mehr weltweite Kooperation“. In der Folge gründeten 16 Staaten im Jahr 1974 die Internationale Energieagentur, um gemeinsame Strategien zur Bewältigung des Ölpreisschocks zu finden.
So lernen wir aus der Geschichte immer wieder, dass die Lösung stets in einem stärkeren Miteinander und nicht im Gegeneinander liegt, um den Wohlstand zu erhalten und auszubauen. In Zukunft wird dies in Bezug auf die Energiepolitik von Staaten wichtiger werden denn je. Gerade der Charakter der erneuerbaren Energien und ihre Abhängigkeit von den schwankenden Umweltbedingungen verlangen mehr Kooperation, mehr internationalen Absprachen, mehr Vernetzung und mehr grenzüberschreitenden Austausch.
Eine wachsende Zahl von Ländern entwickeln ihre Energieversorgung in eine ähnliche Richtung wie Deutschland. Hier liegen große Chancen für nachhaltige Produkte und Dienstleistungen und damit für den Export und das Schaffen qualifizierter Arbeitsplätze. Das ist für unser Land eine wachsende Chance. In Bezug auf Entwicklungsländer zeigt sich ein großes Potenzial für internationale Zusammenarbeit im Bereich der erneuerbaren Energien. Ein schönes Beispiel ist die Forschung zu solarthermischen Kraftwerken. Während hierzulande die Sonneneinstrahlung, die diese Technologie benötigt, nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist, bietet sie in den Ländern in der Nähe des Äquators hervorragende Möglichkeiten, um dort eine stabile Stromversorgung aufzubauen. Da liegen Chancen, die der Nutzung harren.
Nach Fukushima: Die Ethikkommission „Sichere Energieversorgung ohne Atomenergie“
Auch wir hier in Deutschland bleiben vor grundlegenden Veränderungen nicht verschont. Immer wieder entstehen neue Herausforderungen. Immer wieder werden wir zum lernen gezwungen. Gelegentlich sind es sogar richtige Einschnitte. Fukushima war ein solcher Einschnitt, eine wirkliche Zäsur. Vorausgegangen war schon in den 70er Jahren eine Antiatom-Bewegung; zunächst noch klein, aber in den 80er und 90er Jahren stark anwachsend. In den Jahren vor Fukushima lag in Umfragen die Ablehnung stabil bei über 50 Prozent, teilweise noch höher. Nach Fukushima stieg sie auf über 80 Prozent. Kein politisch Verantwortlicher konnte dem ausweichen.
In dieser Situation hat die Bundesregierung im April 2011 eine Ethikkommission berufen, deren Mitglied ich war, um die Grundlagen für eine „Sichere Energieversorgung ohne Atomenergie“ zu erarbeiten. Acht Wochen später haben wir unseren abschließenden Bericht einstimmig verabschiedet. Angesichts der Härte der gesellschaftlichen Kontroversen in den Jahrzehnten vor dieser Entscheidung, war dies ein kleines Wunder.
Folgt: Gemeinschaftswerk Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie