Zusammenfassung der Studienergebnisse – „Energiewende – naturverträglich möglich!“
- Das natur- und landschaftsschonend aktivierbare Stromertragspotenzial, das mit bereits heute vorhandener und absehbarer Anlagentechnik erzeugt werden kann, reicht aus, um den in diesem Vorhaben abgeschätzten Bedarf 2050 zu decken – allerdings unter der Bedingung einer anspruchsvoll gerechneten Bedarfsentwicklung. Dieser Bedarf kann auch unter Berücksichtigung von Übertragungs- und Umwandlungsverlusten bei der Stromspeicherung gedeckt werden.
- Die dafür in den Szenarien genutzte Fläche für Windenergieanlagen im Außenbereich beträgt 2050 lediglich ca. 0,5 % der deutschen Landfläche. Von der Energieerzeugung ausgeschlossen werden rund 355,8 tsd. km², wobei davon ca. 84 % aufgrund von bereits heute gültigen Kriterien zum Lärmschutz oder aufgrund von Sicherheitsvorschriften nicht genutzt werden können. Der Ausschluss der restlichen Flächen erfolgte aus-schließlich aus Gründen des Schutzes der Landschaft und der biologischen Vielfalt.
- Neben dem Ausbau des Übertragungsnetzes muss vor allem auf der Verteilnetzebene (Mittel- und Niedrigspannung) für dieses Ziel ein Ausbau von Netzstationen und Leitungen erfolgen. Da-mit im Sommer die sehr hohe Einspeisung des Photovoltaikstroms aufgenommen werden kann und um im Winter eine Versorgung bei Nachfragespitzen von Wärmepumpen und E-Mobilität zu gewährleisten, liegt der Umfang des Ausbaus der Leitungen bei etwa 10 bis 20 %. Ein intelligenter Netzbetrieb und Batteriespeicher können den konventionellen Netzausbau deutlich reduzieren.
Ziel der Studie „Naturverträgliche Energieversorgung aus 100 % erneuerbaren Energien 2050“ war es zu untersuchen, ob und wie die Ziele der Energiewende mit denen des Natur- und Landschaftsschutzes verbunden werden könnten. Einbezogen war dabei auch der Schutz der Menschen vor Lärmbelastungen und vor Beeinträchtigungen der Erholungsqualität der Landschaft. Ferner sollte eine Informationsbasis für eine naturverträgliche Gestaltung des Energiewendeprozesses geschaffen werden.
Beteiligt an der Studie waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Institutes für Umweltplanung und des Institutes für Elektrische Energiesysteme der Leibniz Universität Hannover, des CUTEC Institutes Clausthal-Zellerfeld sowie eine Vielzahl von Gutachterinnen und Gutachtern aus dem gesamten Bundesgebiet, die Expertisen zu Teilaspekten einer innovativen Technikentwicklung lieferten.
Zentrales Darstellungsmittel der Studie sind (Backcasting-)Szenarien, die einen Blick in die Zukunft ermöglichen. Diese Momentaufnahmen eines Zustandes im Jahr 2050 sind zwar naturgemäß mit Unsicherheiten behaftet – sie verdeutlichen aber das Mögliche und zeigen Ansatzpunkte für Handlungsoptionen. In insgesamt drei Szenarien, die sich bezogen auf die angenommene Anlagentechnik unterscheiden, aber alle einen anspruchsvollen Schutz von Mensch und Natur in den Vordergrund stellen, wurde untersucht, ob dieser Schutz mit einer erfolgrei-chen Energiewende im Jahr 2050 in Einklang gebracht werden kann. Die gleichzeitig von vielen Interessen beanspruchte Fläche ist in Deutschland dafür der begrenzende Faktor. Erst in der Überlagerung des flächenhaft berechneten Energieerzeugungspotenzials an Land mit den für den Schutz von Mensch und Natur wichtigen Flächen manifestieren sich die Herausforderungen der Energiewende.
Die Szenarien bzw. Momentaufnahmen 2050 enthalten folgende Annahmen:
- Der Energiebedarf wird soweit möglich durch Elektrizität gedeckt (eine massive Elektrifizierung ist aus Sicht der Fachwelt notwendig, wenn fossile Energieträger ersetzt werden sollen). Für 2050 wurde auf Basis der Berechnungen im Rahmen des Vorhabens von einem Bedarf an elektrischer Energie von ca. 818 TWh ausgegangen. Dieser Bedarf geht aus von einer nach derzeitigem Wissensstand extrapolierten Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung unter sehr ambitionierten Annahmen zu technischen Entwicklungen und deren Einsatz. Er geht damit über die Annahmen in den Klimaschutzszenarien der Bundesregierung hinaus. Darüber hinaus sind ca. 315 TWh an Brennstoffen (z. B. für Flug-zeuge, Schiffsverkehr, industrielle Prozesse, konservativ gerechnet auf der Grundlage der-zeitiger Techniken) erforderlich. Als Endenergiebedarf, der auch die in elektrischen Wärmepumpen genutzte Umgebungswärme (229 TWh) beinhaltet, werden somit 1.362 TWh angenommen.
- Änderungen von Verhaltens- oder Konsummustern beim Strom-verbrauch sind nur indirekt berücksichtigt, z. B. indem eine vergleichsweise geringe Steigerung des Energiebedarfs durch das Wirtschaftswachstum angenommen wird.
- Für den Schutz von Mensch und Natur wurde davon ausgegangen, dass Lärmschutzabstände aufgrund des Bundesimmissionsschutzgesetzes sowie weitere Schutzabstände zur Infrastruktur so eingehalten werden, dass alle besonders schönen Landschaften (d. h. solche mit im Bundesvergleich hoher oder mittlerer ästhetischer Qualität) von Energieanlagen frei bleiben und dass die Ziele der deutschen Biodiversitätsstrategie im Jahr 2050 umgesetzt sind. Schließlich sollen für die Nahrungsmittelerzeugung wichtige Böden geschont werden.
- Im Siedlungsbereich wird auf al-len sinnvoll nutzbaren Dächern (entsprechend Exposition und Neigung) Photovoltaik eingesetzt.
- Der Außenbereich wird zunächst nur zur Windkrafterzeugung genutzt.
Durch die sich anschließende bilanzielle Gegenüberstellung von Erzeugung und Bedarf wird in den Szenarien deutlich, welche Szenario-Annahmen zu einer möglichen Energieversorgungslücke oder aber zu einem Energieüberschuss führen. Ein möglicher zusätzlicher Bedarf zur Erzeugung stromgenerierter Brennstoffe ist dabei noch nicht berücksichtigt.
Eine zu 100 % mensch- und naturverträgliche Stromversorgung inklusive der Deckung der speicherbedingten Umwandlungsverluste wäre in den Szenarien, in denen eine technologische Entwicklung unterstellt wird (Szenario 2 und 3), möglich. Die genannte Senkung des Energieverbrauchs durch die Anwendung effizienter Techniken ist dazu aber erforderlich.
Folgt: Strenge Massstäbe bei der Szenarienbildung, um Reserve vorzuhalten