VDE|FNN: Erzeugungsanlagen in Niederspannung künftig auch im Fehlerfall am Netz
Wie der VDE mitteilte, steigt die Bedeutung der Erzeugungsanlagen in der Niederspannung weiter, damit wachsen auch die Anforderungen an diese Anlagen. Die dafür überarbeitete Anwendungsregel „Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz“ (E VDE-AR-N 4105) enthalte zahlreiche technische Neuerungen. Bis 23. August würden Änderungsvorschläge entgegen genommen.
Derzeit sind bereits über 1,6 Mio. dezentrale Erzeugungsanlagen in der Niederspannung installiert, Tendenz weiter steigend. Die Systemrelevanz der Erzeugungsanlagen in der untersten Spannungsebene nimmt weiter zu. Daher müssen künftig neu errichtete Erzeugungsanlagen das Netz bei Störungen stützen. Dies verhindert eine Gefährdung der Netzstabilität. Das Forum Netztechnik/Netzbetrieb im VDE (VDE|FNN) hat hierzu die Neufassung der Anwendungsregel „Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz“ (E VDE-AR-N 4105) veröffentlicht. „Die Anwendungsregel stellt höhere Anforderungen an dezentrale Erzeugungsanlagen als bisher. Mit den neuen vorausschauenden Anforderungen schaffen wir den notwendigen Rahmen, um weitere Erzeugungsleistung in die Niederspannungsnetze integrieren zu können“, so Heike Kerber, Geschäftsführerin VDE|FNN.
Den größten Anteil von Erzeugungsanlagen in der Niederspannung machen PV-Anlagen aus, viele davon in privaten Haushalten. Aber auch Blockheizkraftwerke (BHKW), Wasserkraftanlagen, Kleinwindenergie und Brennstoffzellen gehören dazu. Die neue Anwendungsregel umfasst erstmals auch Anforderungen an Speicher, die sich beim Ausspeichern wie Erzeugungsanlagen verhalten müssen.
Wesentliche Neuerungen sind unter anderem:
- Neue Erzeugungsanlagen müssen künftig bei kurzzeitigen Spannungseinbrüchen oder -erhöhungen am Netz bleiben und es so stützen.
- Durch die neu verfügbare Einspeisung von Blindleistung in Abhängigkeit von der Spannung lassen sich, je nach örtlichen Gegebenheiten, mehr Erzeugungsanlagen in ein vorhandenes Netz integrieren.
- Wenn Leistung im System fehlt, speisen Erzeugungsanlagen und Speicher künftig verstärkt ein und stützen so das System.
Am Netz verbleiben statt Abschalten
Künftig müssen Erzeugungsanlagen in der Niederspannung die dynamische Netzstützung erbringen können. Das bedeutet, dass Anlagen auch bei kurzzeitigen Spannungseinbrüchen oder -erhöhungen am Netz bleiben, anstatt sich wie bisher abzuschalten. Damit wird eine ungewollte Abschaltung von Erzeugungsleistung und eine Gefährdung der Netzstabilität verhindert.
In der Niederspannung stützen Erzeugungsanlagen seit 2011 die Spannung wahlweise nach zwei bewährten Verfahren, die jedoch nicht auf die Spannung am Anschlusspunkt reagieren. Ein weiteres Verfahren, die Einspeisung von Blindleistung in Abhängigkeit von der Spannung (so genannte Q(U)-Regelung), hat sich bereits seit längerem in der Hoch- und Mittelspannung bewährt. Jetzt kann dies erstmals auch in der Niederspannung genutzt werden. Dadurch können, je nach örtlichen Gegebenheiten, mehr Erzeugungsanlagen an ein vorhandenes Verteilnetz angeschlossen werden. Mit dieser Anforderung sowie der dynamischen Netzstützung überführt VDE|FNN wesentliche Ergebnisse der FNN-Studien „Verhalten im Fehlerfall“ und „Statische Spannungshaltung“ von 2015 / 2016 in die Praxis.
Schließlich müssen Erzeugungsanlagen künftig einem Absinken der Netzfrequenz durch Erhöhen ihrer Einspeiseleistung entgegenwirken. Das gilt insbesondere auch für Speicher. Unterfrequenz bedeutet, dass es im Netz zu wenig Erzeugungsleistung bei gleichzeitig zu hohem Verbrauch gibt.
Klare, bundesweit einheitliche Regeln
Zielgruppe der Anwendungsregel sind Planer, Errichter, Betreiber und Hersteller von dezentralen Erzeugungsanlagen für die Niederspannung. Sie bekommen klare, bundesweit einheitliche Regeln und damit mehr Planungs- und Investitionssicherheit. Ein weiterer Vorteil für diese Zielgruppe: Die neue Anwendungsregel berücksichtigt auch alle Anforderungen aus dem Europäischen Network Code „Requirements for Generators“. Netzbetreiber wiederum wissen künftig genau, wie sich diese Anlagen in ihren Netzen verhalten werden.
Das Forum Netztechnik/Netzbetrieb im VDE (VDE|FNN) entwickelt die Stromnetze vorausschauend weiter. Ziel ist der jederzeit sichere Systembetrieb bei steigender Aufnahme von Strom aus erneuerbaren Energien. VDE|FNN macht innovative Technologien in Form von VDE-Anwendungsregeln und technischen Hinweisen schnell alltagstauglich und systemkompatibel. Mitglieder sind über 450 Netzbetreiber, Energieversorger, Hersteller, Anlagenbetreiber, Behörden und wissenschaftliche Einrichtungen.
Der VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik ist mit 36.000 Mitgliedern (davon 1.300 Unternehmen) und 1.200 Mitarbeitern einer der großen technisch-wissenschaftlichen Verbände Europas. Der VDE vereint Wissenschaft, Normung und Produktprüfung unter einem Dach. Die Themenschwerpunkte des Verbandes reichen von der Energiewende über Industrie 4.0, Smart Traffic und Smart Living bis hin zur IT-Sicherheit. Der VDE setzt sich insbesondere für die Forschungs- und Nachwuchsförderung sowie den Verbraucherschutz ein. Das VDE-Zeichen, das 67 Prozent der Bundesbürger kennen, gilt als Synonym für höchste Sicherheitsstandards. Hauptsitz des VDE ist Frankfurt am Main.
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