Akademien empfehlen Regulierung von Social Media, Qualitätsstandards und Journalismus-Förderung

Social Media und digitale Wissenschaftskommunikation. Analyse und Empfehlungen zum Umgang mit Chancen und Risiken in der Demokratie

In einer am am 28.06.2017 erschienen gemeinsamen Stellungnahme analysieren die Wissenschaftsakademien den Einfluss von Social Media auf die Wissenschaftskommunikation. Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften fordern eine stärkere rechtliche Regulierung von Social-Media-Plattformen, die Förderung des Wissenschaftsjournalismus nach dem Modell der Forschungsförderung, Qualitätsstandards sowie eine stärkere Vermittlung digitaler Medien- und Quellenbewertungskompetenz bereits in den Schulen.

[note Vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Digitalisierung stehen das Verhältnis und die Kommunikation zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und Medien vor neuen Herausforderungen. Zu deren Zusammenspiel haben die Wissenschaftsakademien bereits 2014 einige Empfehlungen herausgebracht. Der Fokus der Analyse lag damals auf Veränderungen in den klassischen Medien. Die für die dynamische Entwicklung der Medienlandschaft mitverantwortlichen digitalen Medien – und hier insbesondere Social Media – bedürften aufgrund der Komplexität des Themas einer gesonderten Betrachtung, so das Fazit der Arbeitsgruppe.
Die vorliegende Publikation knüpft nun unmittelbar an das Papier aus dem Jahr 2014 an, analysiert einige mögliche Auswirkungen der Digitalisierung auf verschiedene Formen der Wissenschaftskommunikation in einer demokratisch verfassten Gesellschaft genauer und leitet daraus Empfehlungen ab, wobei primär die externe Wissenschaftskommunikation im Fokus steht. Diese Stellungnahme wurde von einer Arbeitsgruppe verfasst, der  Wissenschaftler, Journalisten und Wissenschaftskommunikatoren von Forschungseinrichtungen angehörten. Sie macht die Dringlichkeit weiterer Forschungen deutlich und liefert Anstöße zu Maßnahmen in den  angesprochenen Handlungsfeldern, die dazu beitragen sollen, Fehlentwicklungen zu verhindern.]

Social Media revolutionieren die private und öffentliche Kommunikation, auch in und aus der Wissenschaft. Die digitale Revolution bereichert die Wissenschaftskommunikation, wirft aber Fragen auf. Die Stellungnahme der Akademien und ihre Empfehlungen zielen auf eine Wissenschaftskommunikation, die sich an Vielfalt, Relevanz und Evidenz orientiert.

Empfehlungen an die Politik

  • Der Gesetzgeber sollte Social-Media-Plattformen und Suchmaschinen stärker rechtlich regulieren und nicht allein in ökonomischer und kartellrechtlicher Hinsicht. Dabei könnten Auflagen für Plattform- oder Suchmaschinen-Anbieter notwendig werden, beispielsweise im Hinblick auf Filteralgorithmen.
  • Eine Expertenkommission sollte Möglichkeiten zum Aufbau einer redaktionell unabhängigen Wissenschaftskommunikations- und Informationsplattform prüfen.
  • Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sollte seinem Bildungs- und Informationsauftrag gemäß wissenschaftsjournalistische, insbesondere mit dem tagesaktuellen Geschehen verbundene Angebote stärken.
  • Wissenschaftsjournalismus sollte nach dem Modell der Forschungsförderung unterstützt werden. Die Akademien halten staatsunabhängige Stiftungen für überlegenswert, die eventuell aus Mitteln der Rundfunkbeiträge (mit-)finanziert werden könnten.

Empfehlungen an die Wissenschaft

  • Wissenschaftsorganisationen sollten Fehlanreize für ihre (institutionelle) Wissenschaftskommunikation vermeiden. Dazu zählt die alleinige Ausrichtung an Aufmerksamkeits- oder Reichweitenkennzahlen.
  • Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dürfen keinem direkten oder indirekten Zwang zur öffentlichen Kommunikation unterliegen, jedoch sollten ihnen bei Bedarf spezifische Schulungsangebote offen stehen, die ihnen den Weg in klassische Medien und Social Media erleichtern.
  • Wissenschaftskommunikation muss den Standards wissenschaftlicher Redlichkeit folgen. Organisatorisch sollten faktenbasierte Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsmarketing klar getrennt werden. Institutionelle Kommunikation muss stets als solche erkennbar sein.
  • Eine institutionsübergreifende Arbeitsgruppe sollte auf der Basis bereits vorhandener Entwürfe und Initiativen einen gemeinsamen Verhaltenskodex (Code of Conduct) für Informationen in Web und Social Media entwickeln.
  • Die Beobachtung des rapiden Wandels der Wissenschaftskommunikation sollte institutionell dauerhaft innerhalb der Wissenschaft verankert werden – etwa bei den Akademien.
  • Die Akademien ermuntern Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ihre Expertise in öffentliche Diskurse und politische Debatten einzubringen – über klassische Medien ebenso wie über Social Media. Dabei sollten sie die Prinzipien der redlichen Kommunikation beachten, die die Akademien bereits 2014 formuliert haben. Ferner muss jederzeit transparent sein, wer in welcher Rolle (Experte, Funktionär, Privatperson) kommuniziert.

Empfehlungen an Bildungseinrichtungen und Forschungspolitik

  • Die Akademien fordern massive Maßnahmen zum Erwerb und zur Verbesserung digitaler Medien- und Quellenbewertungskompetenz in Schulen und Hochschulen, Aus-, Fort- und Weiterbildung.
  • Reaktionsschnelle Förderlinien sollten eine Forschung zu den Auswirkungen digitaler Medien ermöglichen, die mit dem schnellen Wandel in diesem Bereich Schritt hält. Die Akademien legen einen entsprechenden Themenkatalog vor.

Die Akademien-Arbeitsgruppe zur „Kommunikation zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und Medien“ hat in ihrer zweiten Arbeitsphase unter Federführung von acatech und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften nach der Bedeutung, den Chancen und Risiken von Social Media in der Wissenschaftskommunikation gefragt. Zentrale Thesen der von ihr beauftragten Expertisen stellte sie bereits im März 2016 in einem offenen Workshop und im Blog „Wissenschaftskommunikation hoch drei“ (Scilogs) zur Diskussion. Ihre finalen Ergebnisse und Empfehlungen formuliert die Arbeitsgruppe in der heute veröffentlichten Stellungnahme, die von den Akademien gemeinsam getragen wird.

->Quellen: