Dritte Piste Wien-Schwechat: Verfassungsgerichtshof hebt negative Entscheidung auf
Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) gegen die vom Flughafen Wien-Schwechat geplante dritte Piste am 29.06.2017 als verfassungswidrig aufgehoben. Das Bundesverwaltungsgericht habe die Rechtslage grob verkannt und sowohl Klimaschutz als auch Bodenverbrauch falsch bewertet, habe beides vielmehr „in verfassungswidriger Weise in seine Interessensabwägung einbezogen“, entschieden die Richter. Die Rechtssache geht nun zurück an das BVwG, das eine neuerliche Entscheidung treffen muss. Der Energieexperte Hans-Josef Fell findet das Urteil „erschreckend“.
Drastische Rügen
„Das Bundesverwaltungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Rechtslage in mehrfacher Hinsicht grob verkannt“, so die Medienmitteilung des obersten österreichischen Gerichts:. „Dieses gehäufte Verkennen der Rechtslage belastet die Entscheidung mit Willkür; es verletzt die Parteien im Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz.“
Der Verfassungsgerichtshof unter seinem Präsidenten Gerhard Holzinger (Foto, Mitte) sah Fehler vor allem bei der Auslegung der Staatszielbestimmung des umfassenden Umweltschutzes durch das Bundesverwaltungsgericht. Es sei zwar verfassungsrechtlich geboten, den Umweltschutz bei der Abwägung von Interessen für und gegen die Genehmigung eines Projekts einzubeziehen. Aber: Die im Gesetz genannten „sonstigen öffentlichen Interessen“, die bei der Abwägung gemäß Luftfahrtgesetz zu berücksichtigen seien, müssten aus dem Luftfahrtgesetz selbst ableitbar sein. „Und eine Erweiterung dieser Interessen findet durch die Staatszielbestimmung nicht statt – weder auf Klimaschutz noch auf Bodenverbrauch.
„Kein absoluter Vorrang von Umweltschutzinteressen“
Auch sei aus dem Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit kein absoluter Vorrang von Umweltschutzinteressen ableitbar. Das Verwaltungsgericht habe zudem die mit dem Projekt verbundenen CO2-Emissionen „fehlerhaft berechnet“. Vereinfacht formuliert: Laut Feststellung eines gerichtlichen beeideten Sachverständigen wären nur die Emissionen einzurechnen gewesen, die während Start und Landung erfolgten („LTO-Emissionen“ – Landing and Take Off). Der Senat des BVwG hingegen habe in seiner Prognose für das Jahr 2025 aber Emissionen berücksichtigt, die während des gesamten Fluges anfallen („Cruise-Emissionen“).
Dazu komme, so Holzinger, dass sich das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Auswirkungen der Emissionen fälschlich auch auf Rechtsgrundlagen und internationale Abkommen wie das Kyoto-Protokoll berufen habe, die es in diesem Fall nicht hätte heranziehen dürfen. Auch das Klimaschutzziel in der niederösterreichischen Landesverfassung dürfe für die Auslegung des Luftfahrtgesetzes nicht herangezogen werden, weil dieses Ziel nur für den Wirkungsbereich des Landes anzuwenden sei.
Das BVwG hatte am 02.02.2017 den Antrag der Flughafen Wien AG für die Errichtung und den Betrieb einer dritten Piste abgewiesen. Gegen diese Entscheidung erhob der Flughafen Beschwerde beim VfGH; auch das Land Niederösterreich hat sich im Zusammenhang mit der im Zuge des Projekts nötigen Verlegung einer Landesstraße an den VfGH gewandt.
Folgt: Hans-Josef Fell: „Erschreckendes Urteil – Klimaschutz muss endlich in die Verfassung“