Wilfried Kraus: Wissenskommunikation – Prinzip Hoffnung oder aktive Zukunftsvorsorge?
Kraus, Unterabteilungsleiter im BMFB, nannte als Beispiele für Wissenschaftskommunikation zunächst die FONA-Projekte seines Ministeriums, jetzt in der dritten Phase (FONA³ – „Forschung für Nachhaltige Entwicklung erarbeitet Entscheidungsgrundlagen für zukunftsorientiertes Handeln und liefert innovative Lösungen für eine nachhaltige Gesellschaft“), und die Kopernikus-Projekte (siehe solarify.eu/kopernikus-hat-schon-viel-erreicht) – beide auf lange Zeiträume angelegt, 30 bis 50 Jahre, denn man müsse weiter voraus schauen. Wie sich Transformation und Energiewende abspielen, versucht das BMBF mit Kopernikus und FONA oder einem weiteren Projekt, der Zukunftsstadt zu erforschen.
Wissenschaftskommunikation wolle Inhalte verbreiten, zunächst für die eigene Community, dann in die Gesellschaft hinein – müsse aber verständlich publizieren. Dazu brauche es Narrative. Die könnten aber auch zur Gefahr werden, wenn sie in die falsche Richtung wiesen. „Es reicht nicht, zu denken, es sei gut, wenn die Leute das verstehen, die Menschen müssen Verhalten ändern, aus Überzeugung“. Aber längst nicht alle, die ein Narrativ verstehen, verhalten sich danach. Damit Erkenntnis entsteht, müsse Vertrauen hergestellt werden. Beispiel für ein falsches Narrativ laut Kraus – der Tesla: Seien denn 400 PS wirklich nötig? E-Autos bräuchten in der Produktion immens viel Energie, und derzeit führen E-Autos noch mit 65 Prozent fossiler Energie. Ein richtiges Narrativ schreibe nichts vor: es sei technik- und ergebnisoffen, denke effizient, lasse Alternativen zu. Er sei zwar ein Fan der Energiewende – aber noch sei erst ein Bruchteil der Energiewende erreicht, aber für sehr teures Geld, klagte Kraus.
Nachhaltiges Wirtschaften und Finanzwesen: Seit sieben Jahren versuche das BMBF – erfolglos – die Finanzwirtschaft zu überzeugen, gemeinsam über die Transformation nachzudenken. Die Finanzindustrie sei ein extrem schwieriger Partner.
Wissenschaft als Treiber: Kraus zitierte hier das IPCC als Beispiel; weil nahezu das gesamte Weltwissen zum Thema Klimawandel vereinigt sei, könne niemand mehr daran vorbei. BMBF will einen nationalen Klimakataster für jeden Kreis erstellen, jede Stadt für die nächsten 100 Jahre. „Jeder kann dann entscheiden, wie viel Schutz vor dem Klimawandel er haben will.“ Für Kraus war es dabei wichtig, darauf hinzuweisen, dass der Klimawandel nicht für alle Menschen zur Gefahr werde, „manche Regionen haben einen Nutzen davon, das müssen wir einräumen.“
Schlussrunde: „Zur historischen Würde des Begriffs Transformation zurück kommen“
Eine abschließende Podiumsdiskussion beschäftigte sich unter Leitung von Manfred Ronzheimer und Roland Zieschank noch einmal generell mit den Narrativen für die Große Transformation – es diskutierten:
- Michael Müller, Parlamentarischer Staatssekretär a.D., Ex-Vorsitzender Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe
- Ernst-Christoph Stolper, stellv. Bundesvorsitzender BUND, Berlin
- Christian Füller, Chefredakteur, Der Freitag, Berlin
Müller nannte als Kern der europäischen Moderne die soziale Emanzipation – aber es sei eine Veränderung geschehen: „Durch die Entfaltung der Produktivkräfte und Hinwendung zur Technologie wurden diese zum Ziel und waren nicht mehr der Weg“. Müller „möchte die Emanzipation bewahren“. Historische Aufgabe sei es im Zeitalter des Anthropozän, dass zwei Elemente miteinander verbunden würden:
- Die Bewahrung der technisch-ökologischen Dynamik zur Weiterentwicklung von Demokratie –
- die aber muss ihre Endlichkeit und Grenzen beachten.
Wir müssten über Suffizienz sprechen, auch wenn das schwer falle – als Konsequenz aus den Erkenntnissen des Anthropozäns. Der Transformationsbegriff werde zu unterschiedlich gebraucht und müsse geklärt werden. Der WBGU habe die Transformation zur Zukunftsvision gemacht. Man muss „zur historischen Würde des Begriffs zurückkommen“ – zu Polanyi – seine Herauslösung der Ökonomie aus den Zwängen. [Karl Polanyi beschrieb 1944 den tiefgreifenden Wandel der westlichen Gesellschaftsordnung im 19. und 20. Jahrhundert vorwiegend am historischen Beispiel Englands, als die Industrialisierung und politisches Handeln (oder besser: Nicht-Handeln) zu tiefgreifenden sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen führten. Die beiden wesentlichen Momente des säkularen Wandels waren für Polanyi die Herausbildung von Marktwirtschaften und von Nationalstaaten (nach de.wikipedia.org/Great_Transformation).]