Kalbung eines Mega-Eisbergs – und die Folgen?
Einen eine Billion Tonnen schweren Eisberg – einen der größten jemals bekannt gewordenen – hat das Larsen-C-Schelfeis in der Antarktis gekalbt. Solche Eisbergriesen sind aber nicht so selten, wie man meinen könnte. Ähnlich große Exemplare trieben schon 1987, 1998 und 2002 durchs Südpolarmeer, und „B 15“ war vor 17 Jahren gar doppelt so groß. Das Rätselraten der Experten über die Konsequenzen von A68 ist ungefähr ebenso groß.
Joachim Müller-Jung meinte in der Frankfurter Allgemeinen, der Riesen-Eisklotz könne „Folgen haben für das vermeintlich ewige Eis am Südpol“. Immerhin verliert das Schelf rund zwölf Prozent seiner Fläche – wenn auch der Meeresspiegel davon nicht betroffen ist: Das Schelfeis schwamm mit einer Dicke zwischen 200 und 600 Metern vorher schon auf dem Südpolarmeer. Aber: „Die Landschaft der Antarktischen Halbinsel hat sich für immer verändert“, schreiben Martin O’Leary und Adrian Luckman vom Project MIDAS der Universität Swansea, Wales.
Das Kalben begann irgendwann zwischen Montag, 10.07., und Mittwoch, 12.07.2017, als ein 5.800 Quadratkilometer (mehr als doppelt so groß wie das Saarland) großer Abschnitt von Larsen C endgültig abbrach – ein bis zu 90 Meter breiter Riss war schon lange vorher beobachtet worden. Die Entwicklung des Risses im vergangenen Jahr wurde mit Daten der Sentinel-1-Satelliten der Europäischen Raumfahrtagentur überwacht. Sentinel-1 ist ein Radar-Bild-System, das in der Lage ist, Bilder unabhängig von der Wolkendecke und während der gesamten Winterperiode der polaren Dunkelheit zu liefern.
Die Swansea-Forscher hatten schon zuvor gezeigt, dass die neue Konfiguration potenziell weniger stabil ist als vor dem Riss. Die Klimaexperten schätzen die Kalbung des Rieseneisbergs als eines von vielen dramatischen Zeugnissen für die gegenwärtigen Veränderungen der Erde ein. Es besteht nämlich die Gefahr, dass Larsen C schließlich dem Beispiel seines Nachbarn Larsen B folgen kann. Denn nach dem Auseinanderbrechen von Larsen A im Jahr 1995 und Larsen B im Jahr 2002 könnte die Destabilisierung des Eises immer weiter südwärts wandern.
Professor Adrian Luckman von der Swansea University, leitender Forscher des MIDAS-Projekts, dazu: „Wir haben diese Entwicklung seit Monaten vorhergesehen und waren überrascht, wie lange es dauerte, bis der Riss die letzten paar Kilometer Eis durchbrach. Wir werden auch weiterhin die Auswirkungen dieses Kalbungs-Ereignisses auf dem Larsen C- Eisschelf und das Schicksal dieses riesigen Eisbergs überwachen. Der Eisberg ist einer der größten jemals aufgezeichneten, und seine zukünftige Entwicklung ist schwer vorherzusagen. Es kann in einem Stück bleiben, wird aber wohl eher in Einzelteile zerbrechen. Ein Teil des Eises könnte dann noch jahrzehntelang in der Region bleiben, während Teile nach Norden in wärmere Gewässer treiben könnten.“
[note Die Karte von Larsen C, überlagert mit einem Wärmebild vom 12.07.2017 von NASA MODIS , zeigt den gekalbten Eisberg – NASA Suomi VIIRS panchromatisches Bild vom 12.07.2017, bestätigt das Kalben – Grafik © MIDAS Project, A. Luckmann, Swansea University.]
Martin O’Leary, Glaziologe der Swansea University und Mitglied des MIDAS-Projektteams, sagte über die jüngste Kalbung: „Obwohl dies ein natürliches Ereignis ist und wir uns keinerlei Verbindung zum menschlich bedingten Klimawandel bewusst sind, kommt das Eisschelf in eine sehr verwundbare Lage, das ist am weitesten in der aufgezeichneten Geschichte zurückgegangen. Wir werden sehr sorgfältig darauf achten, ob der Rest des Schelfss instabil wird. „Professor Adrian Luckman von der Swansea University fügte hinzu: „In den darauffolgenden Monaten und Jahren könnte sich der Eisschelf entweder allmählich wieder nachwachsen oder weitere Kalbungsereignisse erleiden, die schließlich zum Zusammenbruch führen könnten – die Meinungen in der wissenschaftlichen Gemeinschaft sind geteilt. Unsere Modelle sagen, dass es weniger stabil sein wird, aber jeder zukünftige Zusammenbruch kann noch Jahre oder Jahrzehnte .“ So eine Medienmitteilung der Swansea University.
Immerhin soll Larsen C mit seinen ursprünglich rund 51.000 Quadratkilometern Fläche mindestens 500 Jahre lang einigermaßen stabil gewesen sein, wie an der Struktur des Gletschers abgelesen werden konnte. Das änderte sich jedoch in den vergangenen zwei bis drei Jahrzehnten radikal. Bis 2009 war schon ein Areal von gut fünftausend Quadratkilometer Eis abgeschmolzen. Schließlich bildete sich ein Riss, der sich seit 2013 immer schneller auf mehr als hundertfünfzig Kilometer quer über das Schelf ausbreitete (Müller-Jung in FAZ).
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