Anreize besser als Sanktionen

Auf dem Weg zur europäischen Energieunion

Mit ihrem Gesetzespaket „Saubere Energie für alle Europäer“ setzt die EU-Kommission den Rahmen für die Energiepolitik der Union bis 2030. Eine Governance-Verordnung soll helfen, nationale Energie- und Klimastrategien besser zu koordinieren und Bürokratie abzubauen. Doch helfen diese Maßnahmen, die Pariser Klimaziele zu erreichen? Werden die Mitgliedstaaten ihre Verpflichtungen erfüllen, und müssten Verstöße nicht sanktioniert werden? Darüber diskutierten Energiefachleute beim sechsten Trialog der HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform und des Akademienprojekts ESYS am 13.07.2017  in Berlin.

Bis 2030 soll die Energieeffizienz möglichst auf 30 Prozent steigen; 27 Prozent des Energieverbrauchs sollen durch Erneuerbare Energien gedeckt werden. So sieht es die EU-Kommission in ihrem „Winterpaket“ vom November 2016 vor. Diese Ziele sollen über Integrierte Nationale Energie- und Klimapläne (INEKP) und Monitoringverfahren erreicht werden. Beim Trialog „Die Governance der europäischen Energieunion – zwischen nationalen Energiestrategien und Pariser Klimazielen“ diskutierten über 50 Akteure aus Politik und Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft im Berliner Allianz Forum über diese Strategie.

[note Die Integrierten Nationalen Energie- und Klimapläne sollen im Rahmen der Governance-Verordnung alle zehn Jahre beginnend am 01.01.2019 bei der EU-Kommission eingereicht werden und alle fünf Dimensionen der Energieunion (Dekarbonisierung, Effizienz, Binnenmarkt, Energieversorgungssicherheit sowie Forschung, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit) umfassen (Art. 1 & 4).

  • Je nach Dimension sind dabei Informationen zu verschiedenen Aspekten mit unterschiedlichen Verbindlichkeitsgraden beizubringen. Zum einen wird zwischen Zielen (targets), Zielsetzungen (objectives), Beiträgen (contributions) und Entwicklungspfaden (trajectories) unterschieden (Art.
    4). Zum anderen sind sowohl bestehende und verabschiedete wie auch geplante Regulierungen, Maßnahmen, Prognosen und Methoden zu beschreiben und untereinander zu vergleichen und abzustimmen (Art. 3).
  • Mögliche Updates der finalisierten INEKP können bis zum 01.01.2023/2024 nur mit erhöhtem Ambitionslevel erfolgen (Art. 13).  Fortschrittsberichte zu den INEKPs und Updates sollen ab 2021 zweijährlich immer zum 15. März eingereicht werden (Art. 15-22), im Bereich THG-Emissionen sind außerdem jährliche Berichte zu den neu einzurichtenden THG-Inventaren auf nationaler und europäischer Ebene sowie Informationen zu THG-Emissionsreduktionen und Entnahmesteigerungen im Rahmen der UNFCCC- und der Verpflichtungen durch das Parisabkommen einzureichen (Art. 23 und 24). (nach wind-energie.de/memo-zusammenfassung-governance.pdf]

Gesine Schwan, Präsidentin der HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform, eröffnete den Trialog, bevor Sabine Schlacke von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster in das Thema einführte. Als eine der drei Leiterinnen der Arbeitsgruppe „Energieunion“ beim Akademienprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) erklärte sie die Ziele und Bestandteile des Governance-Verordnungsentwurfs und gab eine erste Bewertung ab: „Die Verordnung will die europäische Energie- und Klimapolitik effektiv miteinander verzahnen und dadurch mitgliedstaatliche Pläne und Berichtspflichten bündeln und straffen. Das ist ein guter Ansatz.“ Diskussionswürdig hingegen sei, dass die nationalen Ziele nicht verpflichtend seien und Vorgaben für die Öffentlichkeitsbeteiligung fehlten. Dies könne sich auf die Einhaltung der Pariser Ziele und die Akzeptanz der Energie- und Klimapolitik auswirken.

Weitere Impulse gaben Johannes Schilling (EU-Kommission), Dieter Kunhenn (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie), Joanna Mackowiak-Pandera (polnischer Think-Tank Forum Energii) und Julian Schorpp (Deutsche Industrie- und Handelskammer). Die anschließenden Workshops gingen ins Detail. Eine Gruppe diskutierte über die Rolle der nationalen Energie- und Klimapläne. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zufolge können diese zu mehr Vergleichbarkeit und Kohärenz zwischen den Mitgliedstaaten beitragen und regionale Kooperationen anstoßen. Die zweite Gruppe widmete sich der Frage, welche Steuerungsformen der europäischen Kommission den größten Erfolg versprechen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigten sich überwiegend überzeugt, dass Anreize für die Nationalstaaten mehr bewirken als Sanktionen. Im dritten Workshop standen die Partizipationsmöglichkeiten im Mittelpunkt. Unter anderem sprachen sich die Gruppenmitglieder dafür aus, dass Stakeholder ihre Beteiligung an den INEKP einklagen können.

Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Kooperation zwischen der HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform und dem Akademienprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ stärkt die Vernetzung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. In den Trialogen tauschen sich ESYS-Fachleute mit Vertreterinnen und Vertretern der Politik, Wirtschaft und organisierten Zivilgesellschaft aus. Die Veranstaltungen werden dazu genutzt, neue Themen aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und Fragestellungen im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Anschlussfähigkeit zu schärfen.

Beteiligte Institutionen

Die HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform unterstützt durch ihre Trialoge den kommunikativen Austausch und die Verständigung zwischen den verschiedenen Stakeholdergruppen Politik, Wirtschaft und organisierte Zivilgesellschaft mit Medien und Wissenschaft zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Fragen. Durch die Auswertung dieser Multi-Stakeholder-Treffen werden Grundkonsense deutlich, die die Formulierung gemeinwohlorientierter Politik vorbereiten. Eine Trialog- Veranstaltung dauert einen gesamten Arbeitstag, um neben den Impulsvorträgen ausreichend Zeit für die Diskussion zwischen den Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Stakeholdergruppen zu gewährleisten.

Mit der Initiative „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) geben acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften Impulse für die Debatte über Herausforderungen und Chancen der Energiewende in Deutschland. Im Akademienprojekt erarbeiten rund 100 Fachleute aus Wissenschaft und Forschung Handlungsoptionen zur Umsetzung einer sicheren, bezahlbaren und nachhaltigen Energieversorgung. Die Federführung des Projekts liegt bei acatech.

->Quellen: