Dieselgipfel mit magerem Ergebnis – Experten und Umweltverbände enttäuscht
Die Journalisten und Demonstranten warteten vergebens. Der Gipfel war nämlich kurz vor Beginn am 02.08.2017 um 11.30 Uhr vom Verkehrsministerium ins Bundesinnenministerium verlegt worden. Dies habe „technische Gründe“, hieß es von offizieller Seite, in Wirklichkeit hatte die Sicherheit versagt: Ein Beamter sagte unter der Hand, man wisse nicht, wie die Greenpeace-Aktivisten auf das BMVI-Dach gekommen seien, um sich mit einem großen Transparent mit der Parole „Willkommen in Fort NOx“ gegen die von der Automobilindustrie verschuldeten jährlich mehr als 10.000 vorzeitigen Todesfälle zu demonstrieren.
Gegen 4.45 Uhr hatten sieben Umweltschützer mit Hebebühnen und Bergsteiger-Ausrüstung das Gebäude erklommen. Dort hängten sie in schwindelerregender Höhe ein riesiges Plakat mit der Aufchrift „Willkommen in Fort NOx“ auf. Das Kürzel NOx sollte laut Greenpeace-Tweet (#Dieselgipfel verteidigt ausgediente #Diesel-Technologie als wäre sie das Gold in Fort Knox. Schluss damit! #FortNOx pic.twitter.com/IyV3A5idi6) daran gemahnen, dass Regierung und Industrie über die NOx-Emissionen etwa so wachten wie die USA über die Goldbestände in Fort Knox.
Nicht weniger als acht Ministerpräsidenten waren nach Berlin gekommen, um Fahrverbote zu verhindern (was sie gar nicht können, denn die werden Gerichte durchsetzen, oder nicht), dazu die Autobauer Müller (VW), Krüger (BMW), Zetsche (Daimler) und ihr Lobbyist Wissmann (VDA) – schließlich die Minister Dobrindt (Verkehr), Hendricks (Umwelt) als Gastgeber, dazu Forschungsministerin Wanka und Wirtschaftsministerin Zypries. Die uneinige Position der Bundesregierung (siehe
Verkehrsminister Alexander Dobrindt verkündete in der anschließenden Pressekonferenz das (erwartete) Ergebnis des Gipfels und nannte die Beschlüsse „eine sinnvolle Basis“: 5,3 Millionen Fahrzeuge sollen nachgebessert werden, habe die (deutsche!) Automobilindustrie zugesagt – aber nur mit der (bereits mehrfach angezweifelten) Update-Lösung aber keine (wirklich wirksamen) Umbauten an den Motoren; die Kosten tragen die Hersteller; die Nox-Emissionen sollen um 15-25% gesenkt werden. 250 Millionen Euro will die Bundesregierung in Verbesserungen des Öffentlichen Nahverkehrs stecken.
Barbara Hendricks wurde am klarsten: „Die Politik hat klargemacht, dass sie von den Herstellern klare Verantwortungsübernahme erwarte. Immerhin gebe es einiges gut zu machen. Erklärung des VDA sei nicht mehr als ein erster Aufschlag, nicht die Abschlusserklärung. Die sei nicht die Art von kritischer Selbstbetrachtung, die jetzt angemessen ist. Sie könne „nicht verhehlen, dass der Duktus der von der Automobilindustrie verbreiteten Erklärung zu wenig von Einsicht und Demut geprägt“ sei. Die mündlichen Vorträge der Verantwortlichen seien dann von größerer Einsicht geprägt gewesen – wenn auch „das unternehmerische Versagen offenkundig“ sei. Sie sei froh, dass die staatliche Kaufprämie vom Tisch sei, sie sei mit ihr auch nicht zu machen gewesen. „Natürlich reicht das alles nicht.“
VW-Chef Matthias Müller (er lehnte Nachrüstungen ohnehin als fragwürdig ab) moserte danach: „Der Wortwahl ‚unternehmerisches Versagen‘ mag ich mich nicht anschließen“. Das hörte sich nicht nach Einsicht an. ADAC-Vize Ulrich-Klaus Becker allerdings sah die „Politik eingeknickt gegenüber der Industrie“. Ebenso Grünen-Chef Özdemir. Linkenchef Riexinger sprach von Lobbyarbeit der Regierung für die Autoindustrie. ZDF-Rechtsexpertin Tacke wies darauf hin, dass der heute beschlossene Plan gleich wieder vom Tisch sei, wenn die Verwaltungsgerichte nach Stuttgart weitere Fahrverbote beschlössen. „Falls die Grenzwerte weiterhin nicht eingehalten werden, ist zu befürchten, dass Gerichte für einzelne Städte Fahrverbote verlangen“, erklärte die Präsidentin des Deutschen Städtetags, Eva Lohse. „Entscheidend wird jetzt sein, ob die Schadstoffbelastung durch Diesel-Fahrzeuge schnell genug und stark genug sinkt.“ Die Zeit dränge wegen laufender Gerichtsverfahren zum Gesundheitsschutz der Menschen, so die CDU-Politikerin und Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen.
Die Ministerpräsidenten zeigten sich dennoch zufrieden, allen voran Seehofer, Weil und Kretschmann: Der Ober-Bayer äußerte sich zufrieden, die Ergebnisse stellten einen „beachtlichen Fortschritt“ dar; jetzt höre die „dauernde Rückwärtsbetrachtung auf“ (dem widersprach Hendricks: wir hätten immer noch Gewaltenteilung), die Autoschmieden hätten „deutlich zu ihrer Verantwortung gestanden“ (kein Wunder, hatte doch Seehofer in Brüssel interveniert, dass Audi und BMW nicht zu sauber werden mussten). Kretschmann sprach von einem „ordentlichen Ergebnis in der Sache, von einem ersten wirksamen Schritt, um Fahrverbote zu vermeiden“, damit bleibe „Deutschland Autoland Nummer eins.“ Aber ganz zufrieden war er nicht: „Das wird aber leider nicht reichen, um die Grenzwerte in den belasteten Städten unter die gesetzlichen Vorgaben zu bringen“.
Harald Krüger von BMW lobte eine „Umweltprämie“ aus, sage und schreibe bis zu 2000 Euro für Dieselkunden von Euro-4-Abgasnorm an abwärts – allerdings gibt es eine kundenbindende Bedingung: der Kauf eines BMW-Elektroautos i3, eines Plug-in-Hybrids oder eines Diesels mit Euro 6-Norm. Auch Dieter Zetsche (Daimler) kündigte einen solchen Bonus für Euro-4-Besitzer an. Er räumte immerhin ein, dass „Vertrauen verloren gegangen“ sei, wollte aber „Teil der Lösung“ sein
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer sah die Autofahrer als „Verlierer – die alles eingebrockt haben, Politiker und Unternehmer, kommen davon – die Politik wolle lediglich versuchen, über die Wahl zu kommen“.