Engl.: „This is how Big Oil will die“ – von Seth Miller
mit freundlicher Genehmigung des Autoren –
Es ist 2025, und 800.000 Tonnen gebrauchter hochfester Stahl gelangen zur Auktion. Der Stahl stammt von der Keystone-XL-Pipeline, die 2019 endlich abgeschlossen worden war, zwei Jahre nachdem das Projekt mit Fanfarenstößen gestartet war, als es die Trump-Regierung genehmigt hatte. Die Pipeline wurde für knapp 6 Milliarden Euro gebaut und brachte Öl aus den kanadischen Teersänden in die USA, mit einem „Zwischenstopp“ in Baker, Montana, um US-Rohöl aus der Bakken-Formation aufzunehmen. Auf ihrem Höhepunkt beförderte sie mehr als 500.000 Barrel pro Tag für die Verarbeitung in den Raffinerien von Texas und Louisiana.
Aber 2025 will keiner mehr das Öl
Der Keystone XL wird als das letzte große fossile Brennstoff-Infrastrukturprojekt der Welt enden. TransCanada, der Betreiber der Pipeline, kassierte etwa 8,50 Euro pro Barrel für den Transport, was bedeutet, dass die Pipeline-Erweiterung etwa 4,25 Millionen Euro pro Tag oder 1,5 Milliarden Euro jährlich eingebracht hat. Aber nachdem sie vier Jahre vor ihrer erwarteten 40jährigen Betriebsdauer geschlossen wurde, hat sie ihre Kosten nie eingespielt.
Die Keystone XL war am Ende dank eines Zusammentreffens von Technologien, die schneller auf den Markt kamen, als jeder in der Öl- und Gasindustrie erwartet hatte. Man kann sie kaum dafür schelten – die Umwandlung des Transportsektors in den vergangenen Jahren war die größte und schnellste Veränderung in der Geschichte der menschlichen Zivilisation und verursachte den Bankrott hochkarätiger Unternehmen wie Exxon Mobil und General Motors mit direkter Auswirkung auf mehr als 8,5 Billionen Euro Wirtschaftsleistung. Und die Schuld daran ist auf ein verführerisch einfaches, aber tödliches Problem zurückzuführen: Der Verbrennungsmotor hat zu viele bewegliche Teile.
Um auf heute zurückzukommen: Big Oil ist vielleicht die am meisten gefürchtete und angesehene Industriebranche der Geschichte. Öl wärmt den Planeten – Autos und Lkw tragen rund 15% zu den weltweiten Emissionen aus fossilen Brennstoffen bei – doch diese Tatsache hat sie kaum angekratzt. Öl treibt die meisten politisch volatilen Regionen der Welt an, also haben wir uns entschlossen, instabilen und nicht vertrauenswürdigen Diktatoren militärische Hilfe angedeihen zu lassen, weil ihr Öl für unsere eigene Sicherheit entscheidend ist. Für das letzte Jahrhundert hat das Öl unsere Wirtschaft und unsere Politik dominiert. Öl ist Macht.
Dennoch behaupte ich hier, dass Technologie im Begriff ist, ein Jahrhundert der politischen und wirtschaftlichen Dominanz durch Öl zu annullieren. Big Oil wird im nächsten Jahrzehnt auf eine Kombination von Smartphone-Apps, langlebigen Batterien und einfacheren Getrieben reduziert werden. Und wie es bei neuer Technik immer der Fall ist, wird die Annullierung viel schneller auftreten, als es irgendwer für möglich hielt.
Um zu verstehen, warum Big Oil in einer weit schwächeren Position ist, als jeder annimmt, schauen wir uns das zentrale Element für den Zugriff des Öls auf unser Leben genauer an: den Verbrennungsmotor und den modernen Fahrzeugantrieb.
Autos sind kompliziert.
Hinter dem Summen eines laufenden Motors liegt ein sorgfältig ausgewogener Tanz ummantelter Stahlkolben, ineinander greifender Zahnräder und rotierender Achsen – eine Choreographie, die Millionen von Umdrehungen anhält. Aber Millionen sind nicht genug, und wie wir alle erlebt haben, verschleißen diese Teile irgendwann und versagen. Ölkappen lecken. Treibriemen fransen aus. Getriebe fressen sich fest. Um ein Gefühl dafür zu bekommen, welche Probleme auftreten können, folgt hier eine Liste der häufigsten Fahrzeugreparaturen seit 2015:
- Sauerstoffsensor ersetzen € 212
- Katalysator ersetzen € 979
- Zündspule(n) und Zündkerze(n) ersetzen € 331
- Tankdeckel abdichten oder austauschen € 13
- Thermostat ersetzen € 178
- Zündspule(n) austauschen € 200
- Luftmassenmesser ersetzen € 325
- Zündkabel und Zündkerze(n) ersetzen € 281
- Kontrollventil des Verdunstungs-
Emissionssystems ersetzen € 143 - Magnetventil der Anlage zur Begrenzung der
Verdunstungsemissionen austauschen € 156
Und diese Liste weckt eine interessante Beobachtung: Keiner dieser Fehler kommt in einem Elektrofahrzeug vor. Dieser Punkt wurde am häufigsten von Tony Seba, Stanford-Professor und Guru der „Disruption“ vorangetrieben, der darauf hinweist, dass der Antriebsstrang eines Verbrennungsmotors etwa 2.000 Teile umfasst, während der eines Elektrofahrzeugs etwa 20 enthält. Wenn nun alles andere gleich ist, ist ein System mit weniger beweglichen Teilen zuverlässiger als ein System mit mehr.
Und diese Faustregel scheint auch für Autos zu gelten. 2006 schätzte die National Highway Transportation Safety Administration (NHTSA), dass das durchschnittliche Fahrzeug, das ausschließlich mit Verbrennungsmotoren gebaut wurde, 240.000 Kilometer hielt. Aktuelle Schätzungen für die Lebenszeit der heutigen Elektrofahrzeuge liegen bei mehr als 800.000.
Folgt: Mehr als 965.000 Kilometer mit einer einzigen Batterie