Alternative zur E-Mobilität gefragt
von Robert Schlögl, (in Angewandte Chemie)
„Wenn die Reduktion der Treibhausgase oberstes Ziel der Energiewende ist, müssen wir primäre Elektrizität in stoffliche Energieträger verwandeln. Damit ’speichern‘ wir diese Elektrizität, um sie anderen Anwendungen zugänglich zu machen“, schreibt Robert Schlögl in Angewandte Chemie. In seinem Essay geht es um die Integration der Mobilität, also um nachhaltige Ersatztechnologien zu rein elektrischen Fahrweisen.
„Die Energiewende führt zu immer größeren Anteilen an erneuerbarem Strom (‚grünem Strom‘) im System. Trotzdem sinkt die Emission von CO2 noch nicht wie erwartet. Die weitgehende Vernachlässigung der systemischen Verflechtungen der Energieversorgung gehört mit zu den Ursachen. Der Mobilitätssektor, ein wesentlicher Teil des Energiesystems, erlebt den größten Umbruch seiner Geschichte durch die Diskussion über Antriebsstränge. Bezieht man Biomasse mit ein, so entsteht die Vision einer nachhaltigen Lösung, für die es realistische Pfade der Umsetzung gibt.
Zuwachs an Autos identisch mit Zuwachs an Menschen
Individuelle Mobilität durch Automobile stellt einen Grundpfeiler der globalen Wirtschaft dar. Derzeit gibt es 1.21 x 109 Automobile (in Deutschland 6.1 x 107 oder etwa 5%) auf der Erde, der Zuwachs beträgt 8.3 x 106 Automobile pro Jahr oder 2.5 Autos pro Sekunde. Der Zuwachs an Autos ist derzeit identisch mit dem Zuwachs an Menschen auf der Erde. Der globale Motorisierungsgrad beträgt 160 Autos pro 1.000 Menschen mit einer sehr breiten regionalen Verteilung, mit einem Wert von 672 Autos pro 1.000 Menschen in Deutschland und ähnlichen Zahlen in den USA¹. Nahezu all diese Fahrzeuge nutzen Antriebsstränge mit Otto- oder Dieselmotoren als Kraftquelle. Um alle diese Fahrzeuge (Personen-, Lastentransporte) in Deutschland zu bewegen, war 2014 ein Äquivalent von 2.43 x 1012 kJ als Otto- und Dieselkraftstoff nötig, deren Verbrennung 1.61 x 108 t CO2 erzeugte2. Zu diesen Emissionen kommen die Wandlungsverluste durch chemische Energiekonversion: Für Erdöl zu Kraftstoff beträgt die Wandlungseffizienz (2015) 73%; zum Vergleich liegt die Effizienz für den deutschen Primärenergiemix zu Strom (2015) bei 36.8 %1a.
Würde man die Antriebsleistung der mobilen Antriebsstränge entsprechend einer aktuellen Diskussion rein elektrisch erbringen, wären dafür unter Zugrundelegung einer motorischen Effizienz von durchschnittlich 40% für den Verbrennungsmotor und von 90 % für den Elektromotor allein in Deutschland etwa 295 TWh an elektrischem Strom erforderlich. Dafür würden bei heutigem Primärenergiemix für die Stromerzeugung zuzüglich zu den 3.26 x 108 t CO2 für den allgemeinen Stromverbrauch3 weitere 1.51 x 108 t CO2 für die Mobilität entstehen. Nimmt man allerdings an, dass elektrische Fahrzeuge deutlich effektiver arbeiten als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor4, könnte bei einer konstanten Fahrleistung von 6 x 1011 km und einem günstigen Verbrauch von 0.15 kWh/km-1 die CO2-Emission auf 0.7 x 108 t pro Jahr sinken. Man erkennt, dass der Beitrag zum Klimaschutz durch die Elektro-Mobilität kurzfristig gering ist und mittelfristig nur nach erheblicher Fortentwicklung der Fahrzeuge bedeutsam sein kann5. Ein Unsicherheitsfaktor ist die Rolle des Gütertransportes, über deren Potenziale in der Elektro- Mobilität zu wenig gesicherte Daten vorliegen. Zudem wären erhebliche Infrastrukturinvestitionen in Stromerzeugung und -verteilung oder Wasserstofferzeugung und -verteilung erforderlich.
Die Diskussion6 um die Zukunft der Antriebsstränge wird seit ‚Dieselgate‘ breit und emotional geführt. Zu einem allgemein vorhandenen Misstrauen gegenüber den Herstellerangaben über Treibstoffverbrauch und Emissionen kommt die Gewissheit über technische und juristische Manipulationen, sodass man zwar gesetzliche Vorgaben möglicherweise erfüllt, nicht aber die praktische Erwartung an die Verlässlichkeit der Angaben unter realitätsnahen Bedingungen eines Gebrauchs der Fahrzeuge auf der Straße.