Erwarteter Hurrikan – erwartete Kontroverse

Neue Messlatte für Katastrophen in den Vereinigten Staaten

Harvey ist ab jetzt die Messlatte für Katastrophen in den Vereinigten Staaten. Denn der ökonomische Schaden von Harvey wird wahrscheinlich den von Katrina – die teuerste Katastrophe in der Geschichte der USA – übertreffen.  Aber wie bereits bei Katrina biete uns Harvey eine Chance für einen Wendepunkt: Was jetzt als nächstes passiere, sei „für uns alle von entscheidender Bedeutung“. Der Klimawandel verschlimmert überall die Niederschläge, aber ganz besonders an der Küste des Golfs von Mexiko. Seit den 50er Jahren nahmen in Houston die Extremwetter-Ereignisse mit Starkregen um 167 Prozent zu. Klimawissenschaftler sagent, bis zu 30 Prozent der Niederschläge von Harvey gingen auf die anthropgene globale Erwärmung zurück. Das heißt, Harvey ist ein Sturm seit Jahrzehnten in der Mache. Während Harveys Regen in der Geschichte der USA einzigartig ist, steigen starke Regenfälle in Häufigkeit und Intensität weltweit an. Eine aktuelle Studie zeigte, dass bis Mitte des Jahrhunderts bis zu 450 Millionen Menschen weltweit einer Verdoppelung der Hochwasserhäufigkeit ausgesetzt sein werden. Das ist nicht nur ein Houston-Problem. Das geschieht überall. Ein Sturm wie Harvey wäre auch ohne Klimawandels möglich gewesen, aber es gibt viele Faktoren, die ihn nahezu sicher wahrscheinlicher gemacht haben.

Higher Ground Report – Titel – © nwf.org

Michael Grunwald schrieb am 29.08.2017, ebenfalls im Magazin Politico unter dem Titel „Wie Washington Harvey verschlimmert hat – ein Versicherungsprogramm der Regierung machte Harvey weitaus teurer, und der Kongress hätte wissen können, dass er kommen würde“: „Hurrikan Harvey war eine angekündigte Katastrophe. Fast zwei Jahrzehnte vor dem historischen Angriff des Sturmes auf Häuser und Geschäfte an der Golfküste von Texas in dieser Woche veröffentlichte die National Wildlife Federation einen bahnbrechenden Bericht über das nicht funktionierende Hochwasserschutzprogramm der US-Regierung und zeigte, wie es Katastrophen verschlimmerte, indem es Amerikaner ermutigte, in Hochwassergebieten zu bauen und umzubauen. Der Bericht mit dem Titel ‚Higher Ground‘ (etwa ‚höher gelegen‘), zeigte anhand von Daten der Regierung, dass nur 2 Prozent der versicherten Immobilien des Programms 40 Prozent seiner Schadensersatz-Zahlungen erhielten. Das ungeheuerlichste Beispiel war ein Haus, das 16mal in 18 Jahren überschwemmt worden war und seinen Besitzern mehr als 800.000 Dollar einbrachte, obwohl es auf weniger als $ 115.000 geschätzt worden war. Das Haus stand in Houston, zusammen mit mehr als der Hälfte der schlimmsten ‚häufigen Immobilien-Verlusten‘ Amerikas, die im Bericht identifiziert wurden. Es gab eine andere Stadt mit insgesamt mehr häufigen Verlusten, aber genau in Houston gab der Verband im Juli 1998 seine „Higher Ground“-Ergebnisse bekannt, um zu versuchen, einen nationalen Reform-Fall anzustoßen.‘ (Grunwald, nennt neben Houston Tulsa und – lange vor Katrina – New Orleans.)

„Trumps Executive Order wird Amerika (immer) wieder überschwemmen“

So betitelte die Klimaforscherin Kristy Dahl einen Eintrag im Blog der „Union der betroffenen Wissenschaftler“ (Union of Concerned Scientists) am 18.08.2017, nur eine Woche vor dem Beginn der Harvey-Überschwemmungen. Damals benutzte sie noch ein Foto der Überschwemmungen in Missouri von 2015.

Am 15. August unterzeichnete Trump eine Verfügung, mit der eine Executive Order der Obama-Ära außer Kraft gesetzt wurde, die nach 37 Jahren zum ersten Mal den Federal Flood Risk Management Standard (Bundesstandard für das Hochwasser-Risikomanagement) aktualisiert hatte. Künftig sollte beim Bau oder Umbau mit Bundesmitteln das Hochwasserrisiko berücksichtigt werden. Während hinreichende Beweis dafür vorliegen, dass der Klimawandel die föderale (und andere) Infrastruktur gefährdet, sind es letztlich amerikanische Steuerzahler, die den Preis für den Bau ohne Rücksicht auf den Meeresspiegelanstieg und die Auswirkungen des zunehmenden extremen Wetters zahlen werden.

Was ist der Federal Flood Risk Management Standard?

1977 forderte die Auenverordnung von Präsident Carter die Bundesbehörden auf, zu beurteilen, ob z.B. der Bau von Gebäuden innerhalb lokaler Überschwemmungsgebiete stattfinden könnten. Diese Verordnung hatte zwei demokratische und drei republikanische Regierungen hindurch Bestand. 2015 unterzeichnete Präsident Obama eine präsidiale Verordnung zur Gründung des Federal Flood Risk Management Standards (FFRMS), die darauf abzielte, das aktuelle und künftige Hochwasserrisiko dadurch zu reduzieren, dass künftige Kriterien, wie Klimawissenschaft und andere Faktoren einbezogen werden müssen, wenn Hochwasserrisiken in Überschwemmungsgebieten definiert werden. Die FFRMS ließ den Agenturen Spielraum, Überschwemmungsgebiete unterschiedlich zu definieren.

Da sich die Auswirkungen des Klimawandels jetzt abspielen, werden die Risiken von Stürmen wie Katrina und Harvey immer gravierender. Ein von Wissenschaftlern aus 13 Bundesbehörden verfasster, noch nicht endgültiger Entwurf des National Climate Assessment (US Global Change Research Program – Climate Science Special Report (CSSR) vom 28.06.2017) sagt auf 673 Seiten voraus, dass der Wasserspiegel der Weltmeere bis 2050 wahrscheinlich zwischen 15 und 37 Zentimeter und bis zum Ende des Jahrhunderts zwischen 30 und 120 Zentimeter ansteigen wird. In Gebieten wie dem Nordosten und dem Golf von Mexiko wird der relative Meeresspiegelanstieg viel schneller vonstatten gehen, sagen die Forscher. Das Küstengebiet von Louisiana verliert derzeit alle 90 Minuten Feuchtgebiete in der Größe eines Fußballfeldes und macht es zu einem Vorboten für die Krisen, mit denen sich die Küstengemeinden im ganzen Land konfrontiert sehen werden. Ein Bericht über die verzögerte Veröffentlichung, bzw. die dafür fehlende Unterschrift aus dem Weißen Haus führte zu einer Kontroverse zwischen der New York Times und der Washington Post über die Exklusivität der Veröffentlichung des Berichts – Solarify berichtete:  solarify.eu/laesst-trump-unbequemen-klimareport-verschwinden? Und: solarify.eu/nyt-klimareport-war-gar-nicht-exklusiv. (Nach Annie Snider in Politico)

->Quellen: