„Hören wir auf, als Wissenschaftler einander zu bekriegen!“

Fachtagung „Science2Power – Welche Forschung benötigen wir für die Energiewende?“

Damit die Energiewende gelingen kann, müssen mehrere Schwierigkeiten überwunden werden: Wie funktioniert der Ausstieg aus der Kohleverstromung? –  Wie geht es von der Strom- zur Verkehrs- und Wärmewende? – Warum Sektorkopplung und Prosuming? – Wie breite Akzeptanzsicherung durch umfassende Partizipation möglichst vieler Bevölkerungsgruppen erreichen?  – Und: Gefährdung der Akteursvielfalt. Die Forschung kann hier einen wichtigen Beitrag leisten. Welchen leistet sie zurzeit? Wie kann sie z.B. die Energie- und Mobilitätswende unterstützen? Was erwarten oder erhoffen sich Politik und Industrie in diesem Zusammenhang von ihr? Dazu hatte am 08.09.2017 der Leibniz-Forschungsverbund Energiewende zu einer Fachkonferenz unter dem Thema: „Science2Power – Welche Forschung benötigen wir für die Energiewende?“ eingeladen.

Patrick Graichen: „Die sieben ‚Ds‘ der Energiewende“

Der Direktor von Agora-Energiewende begann mit einer unzweideutigen Definition: „Wir haben nur eine Stromwende gemacht, haben Wind und Solar identifiziert und billig gemacht; die anderen Energieträger haben es nicht gebracht.“ CCS habe sich als zu teuer herausgestellt und sei auf Akzeptanzprobleme gestoßen; die Kernenergie hätten wir aus dem Portfolio gestrichen; für die Kernfusion gelte: „Jedes Jahr ist es in 30 Jahren so weit“. Bio habe Landnutzungskonflikte ausgelöst; die Wasserkraft stoße in Deutschland an ihre Grenzen; Geothermie biete ein bisschen etwas an Wärme, stoße aber auch an Grenzen.

Die entscheidende Frage sei nun: Wie könnten wir jetzt Wind und Solar in den Verkehr bringen? Immerhin exportierten wir ein Zehntel unseres Stroms. Dann zählte Graichen „sieben ‚Ds‘ der Energiewende“ auf:

  1. Degression der Kosten – Wind, Solar und Speicher sind kein Kostenproblem mehr (Windstrom liege bei 4,5 ct/kWh – PV bei 5)
  2. Dekarbonisierung – Klimawandel beschleunigt sich und zwingt zum Handeln
  3. Deflation der E-preise – Kohle, Öl und Gas bleiben billig, werden aber volatiler (auch mit Shale Oil und Gas)
  4. Dominanz der Fixkosten – die Energiewelt der Zukunft hat geringere Betriebskosten
  5. Dezentralität – Die Struktur des neuen Energiesystems ist viel dezentraler
  6. Digitalisierung – Energie wird smart und vernetzt
  7. Demokratisierung – Energie betrifft heute BügerInnen direkt

Graichen unterbreitete dann den – wie er ihn nannte – „Agora-Energiewende-Vorschlag.

Agora-Vorschlag zur Energiewende – Grafik © Agora-Energiewende

Ziel seien 60 Prozent Emissionsminderung bis 2030 (gemäß dem Ziel der Bundesregierung)

Kostenminimale Energiewende:

  1. Effizienz (-30% Energieverbrauch)
  2. EE (+30%)
  3. Kohle und Öl halbieren – bis 2030 – aber eine Öl-Halbierung sei „nirgendwo im Kopf“
  4. Kohle habe immer noch 40% am Stromverbrauch – muss auf 20 % herunter
  5. EE-Anteil muss von 30 auf 60 rauf

Wärmewende:

  1. Gebäude energetisch sanieren
  2. auch hier Kohle/Öl halbieren
  3. auch hier: Einsatz Erneuerbarer Energien verdoppeln

Verkehr – E-Mobilität nicht unmöglich

Schließlich sei die Rolle von Speichern, P-to-X als Schlüsseltechnologien für die 3. Phase der Energiewende 2030 nicht zu unterschätzen, deren Markteinführung müsse organisiert werden. Dann ging Graichen auf die Kostenfrage ein: Die Letztverbraucherausgaben 200 hätten bis jetzt bei Milliarden gelegen. Eine Herausforderung sei der sogenannte Kostenhügel – denn erst ab 2025 beginne die „Erntephase“; der Kostenrucksack müsse abgebaut werden.

Wichtig sei, dass Deutschland nicht zurückfalle, denn „der globale Wettlauf um die Energiezukunft beginnt eben“. Für die Energiewende komme es bis 2030 weniger auf Forschung als auf Umsetzung an. Bis 2050 sei dann zielgerichtete Forschung am Leitbild vollständiger Dekarbonisierung von Strom, Wärme, Verkehr und Industrie notwendig. Ganz am Schluss bräuchten wir dann die CO2-Abscheidung aus der Luft.

Folgt: Claudia Kemfert vom DIW – Kohleausstieg