Claudia Kemfert vom DIW – Kohleausstieg
Es sei nicht zu leugnen, dass zwischen Kohleverbrennung und Klimaschutz, sowie der Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze ein enger Zusammenhang bestehe. Wenn Europa bis 2050 die Emissionen um 80-95 Prozent senken wolle, müssten 70-90 % aller Kohle im Boden bleiben – und 30-60% der Ölvorräte.
Die Kohleverstromung mache 40% der THG-Anteile aus, davon sei die Hälfte Braunkohle; allerdings seien viele Kohlekraftwerke noch jung, dennoch liege mehr als die Hälfte deutlich über dem Durchschnittsalter; wir kämen um eine gewisse Steuerung nicht herum, was bedeute: die marktgetriebene Herausnahme von KKW aus dem Markt. Die Erneuerbaren Energien beschleunigten das, denn sie führen langfristig zu fallenden Börsenstrompreisen bis zu 30 €/MWh und deutlich darunter.
Die Kohlenutzung sei unvereinbar mit den bundesweiten und regionalen Emissionszielen. Der Kohleausstieg sei „ein wesentliches Element der deutschen Energiewende“. Ein strukturierter Ausstieg könne „Herausforderungen lösen, wie beispielsweise die Kosten der Erneuerbaren Energien oder sinkende Wettbewerbsfähigkeit durch steigende Strompreise“. Beschäftigungsverluste seien auffangbar; man habe ohnehin den Eindruck, dass diese „medial vermittelt sehr viele“ seien. Und Kemfert brachte einen interessanten Vergleich: Die Braunkohle beschäftige in Deutschland aktuell gerade mal 20.000 Arbeitnehmer, das seien 0,045 Prozent der insgesamt in Deutschland Beschäftigten aus – allein VW streiche im Moment 23.000 Stellen.
Jedenfalls muss laut Kemfert spätestens 2030 das letzte KKW vom Netz. Daraus müsse ein Fahrplan für den Ausstieg und die maximalen Emissionen entwickelt werden. Dazu seien CO2-Preise von 40-60 Euro pro Tonne notwendig – derzeit lägen die bei 5-7; daher seien diesbezügliche Maßnahmen notwendig, auch von der Politik. Dabei müsste die unterschiedliche Betroffenheit der einzelnen Regionen beachtet und der Beschäftigungsumbau gefördert werden. Ein höherer CO2-Mindestpreis sei zwar notwendig aber nicht hinreichend für den Kohleausstieg. Wenn Unternehmen sich nicht in der Lage sähen, die Folgekosten aus dem Braunkohleabbau zu tragen, müsse man wie auch hier bei der Kernkraft über eine Fondslösung nachdenken. Eins gelte: „Nur m i t Kohleausstieg wird die Energiewende gelingen“.
Robert Schlögl: „Schnellstmöglich von den alten Kohlekraftwerken weg!“
Der Direktor am Fritz-Haber-Institut in Berlin-Dahlem und am Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion (MPI CEC ) in Mülheim an der Ruhr stellte gleich zu Beginn seines Vortrages klar. „Immer gleich eine Zieldiskussion zu führen ist nicht sinnvoll.“ Allerdings ist auch für ihn klar: „2030 sollten wir die heutigen KKW so nicht mehr haben.“
Schlögl forderte, im Rahmen der Energiewende nur Dinge zu tun, die in einen größeren Rahmen passten. „Extrem wichtig“ nannte er es, „das Deutschland vorangeht – aber dabei ist es wiederum ganz wichtig, dass Deutschland keine Dinge tut, die andere davon abhält, das in ihren Augen Richtige zu tun.“
Die Energie sei ein System – wie bekämen wir darin einen stationären Zustand hin. Am Beginn stehe die Solarenergie, die uns genügend Energie liefere; die Frage sei nur, wie wir diese Energie auf das gesamte System verteilen könnten, denn vieles gehe einfach nicht mit Strom (er nannte 30-50% des Energiesektors). Ein vollständig auf Strom basiertes System sei nämlich unmöglich. Wir müssten einen stofflichen Elektronenkreislauf hinbekommen. Doch mit welchem Träger? Sei eine Wasserstoffwirtschaft wirklich tauglich für alle Endnutzer? Wasserstoff sei ein Primärenergieträger, nicht für Endkunden geeignet. Welche Transportwege seien sinnvoll? Ammoniak? Der sei zwar auch nicht sehr günstig für Endnutzer, aber deutlich geeigneter zum Energietransport als Stromleitungen. Endnutzer bräuchten kohlenstoffbasierte Energieträger. Statt Dekarboniserung forderte Schlögl die Defossilisierung – und den Kreislauf des Kohlenstoffs – die Natur kenne keinen Abfall.
Aber wie schließen wir den Kreislauf? Wie einerseits den Elektronenstrom aufrecht erhalten und andererseits das kohlenstoffbasierte System weiterführen, ohne dass CO2 in die Atmosphäre gelange – denn solange der Kreislauf geschlossen bleibe, könne man so viel Kohlenstoff bewegen wie man wolle. Schlögl: „Biomasse macht das umsonst, aber nicht vom Feld, aber woher dann nehmen? Auch nicht den tropischen Regenwald abholzen.“
Der Chemiker nannte zwei Quellen:
- Das Meer, aber auch da müssten wir wieder sehr vorsichtig sein, die Ozeane seien hochkomplexe Systeme; der Vorschlag, die Meere für Biomasse zu düngen, sei mit großer Vorsicht zu behandeln;
- die borealen Forste, die dürften wir aber nicht abholzen – man müsse sinnvolle Ernteverfahren einsetzen, das Ganze aber nicht mit agrarischen Methoden.
Die Bedingungen für Erneuerbare Energien seien in Südeuropa deutlich besser – aber wie transportieren? Stromleitungen stießen auf Widerstand – also stofflich: Ammoniak sei billiger und sicherer als Wasserstoff.
Wie stehe es mit Methan und Methanol? Methan habe „keinen Plattformcharakter, das kann man nur verbrennen“. Sinnvoller sei eine Plattform deshalb, weil der Stoff dann auch für andere Zwecke verwendbar sei – also sei Methanol besser, das sei auch in Großproduktion möglich. Dafür sei grüner Wasserstoff nötig, der wiederum in großem Stil mittels Wasserspaltung hergestellt werde, allerdings vorerst teuer. Wir müssten Netze konstruieren, in denen grüne und schwarze Elektronen unterschieden werden könnten. Eine mögliche Lösung dafür liege in der Digitalisierung. Es sei dringend nötig, entsprechende Technologien zu schaffen; ein großes Anliegen Schlögls „die Technologie-Offenheit der Energiewende“.
Schnellstmöglich müssten wir aber von den alten Kraftwerken weg. Zum vielfach geforderten Ende des Verbrennungsmotors hat Schlögl eine eigene Meinung – die Frage sei nämlich, ob alle Mobilität elektrisch sein könne. Schlögl zeigte sich da unsicher – und nannte die erst jüngst in die öffentliche Diskussion gekommenen „synthetischen Kraftstoffe, oder Designer Fuels (DF). „Dass diese die Emissionen auf Null bringen, glaube ich nicht, aber die Emissionen gehen auf jeden Fall sehr stark zurück; das ist ein großer Beitrag zum Kohlenstoffkreislauf – aber nicht der Feind der E-Mobilität!“ Der Hybrid sei hierbei eine gute Idee: Strom für den Stadtantrieb und DFs für die Reichweite.
Robert Schlögl abschließend: „Das wahre Problem der Energiewende liegt im politisch-sozialwissenschaftlichen Bereich. Diesen nichttechnologischen Teil müssen wir weiter befördern – das ist der eigentliche Bottleneck-Bereich. Bitte uns den Rücken freihalten vor den Schwierigkeiten, die sich aus der politischen Debatte ergeben!“
Folgt: Andreas Knie – Mobilität