Deutsch-französischer Mindestpreis im EU-ETS
In einer vielbeachteten Rede am 26.09. 2017 (zwei Tage nach der Bundestagswahl) hat der französische Präsident Emmanuel Macron seine Vorstellungen zu einer stärkeren Integration der europäischen Union vorgestellt. Zentrales klimapolitisches Element war dabei die Einführung eines EU-ETS Mindestpreises von 30 €/t. Aber auch eine gemeinsame Migrationsbehörde. Eine Analyse von enervis.
Macron greift damit in die noch gar nicht begonnenen Berliner Koalitionsverhandlungen ein: Denn die sich anbahnende Jamaika-Koalition (CDU/CSU, FDP, Grüne) in Berlin sieht sich dadurch mit der Herausforderung konfrontiert, im Hinblick auf das 2020er Ziel (-40 % ggü. 1990) mindestens glaubwürdige Anstrengungen zu unternehmen oder gar Zielbeiträge abzuliefern. Nicht zuletzt steht hier die „Klimakanzlerin“ im gerade kürzlich erneut bekräftigten Wort.
Dabei werden die Interessen der potenziellen Koalitionspartner ausbalanciert werden müssen. Die Grünen sind mit der Forderung nach dem Kohleausstieg in den Wahlkampf gegangen. Die FDP steht für Technologieoffenheit, fordert dagegen eine Stärkung des EU-ETS und eine Abschaffung des EEG. Ein ETS-Mindestpreis könnte einen eleganten Kompromiss zwischen den Koalitionspartnern darstellen, der zusätzlich auch europapolitisch anknüpfungsfähig ist. So verbindet er viele der oben formulierten Anforderungen der Koalitionspartner und kann darüber hinaus über Höhe und zeitlichen Verlauf industriepolitisch justiert werden.
Untersuchung von enervis
enervis hat die Auswirkungen eines solchen Vorschlages (30 €/t in 2020 in FR und DE) mit energiewirtschaftlichen Modellen untersucht:
Politische Ausgangslage
Die Modellierungen haben die folgenden (erste) Kernergebnisse. Dabei legen wir im Folgenden jeweils den Fokus auf die Unterschiede zu einem aktuellen enervis Referenzszenario.
- Emissionen: Die Klimaschutzlücke in 2020 liegt nach aktuellen Berechnungen der Agora bei voraussichtlich rd. 120 Mio. t (Agora Energiewende – 2017). Diese Lücke kann durch die Einführung eines ETS-Mindestpreises fast halbiert werden. Ein ETS-Mindestpreis ist also ein effektives Instrument zur Reduktion der deutschen Emissionen.
- CO2-Kosten: Da der deutsche Kraftwerkspark deutlich CO2-intensiver ist, als der französische, trifft der Mindestpreis insbesondere die deutschen (Kohle-)Kraftwerke. Hier entstehen Mehrkosten in einer Größenordnung von 1,3 Mrd. Euro pro Jahr. Die Kosten des französischen Kraftwerksparks liegen deutlich niedriger.
- CO2-Mehreinnahmen. Gleichzeitig stellen diese Kosten relevante staatliche Mehreinnahmen in der gleichen Größenordnung dar.
- Großhandelspreis: Ein großer Anteil der Mehrkosten wird an den Stromkunden gewälzt. So steigt der deutsche Strompreis um bis zu 15 €/MWh. Der französische Großhandelspreis steigt um immerhin bis zu 10 €/MWh, Mehrerlöse insbesondere für französische Kernkraftwerke sind die Folge.
- Endkundenpreis: Der Endkundenpreis für Strom steigt naturgemäß nicht in der gleichen Größenordnung, da hier die EEG-Umlage absinken würde.
Die enervis Analyse illustriert somit, dass das Ausbalancieren der Interessen von industriellen Stromverbrauchern und Haushaltskunden sowie Kraftwerksbetreibern in und zwischen den betroffenen Ländern eine verteilungspolitische Herausforderung ist.
Folgt: Klimafreundlichkeit stellt sich besser