Stärkere CO2-Bepreisung: Neuer Schwung für die Klimapolitik

Andere Länder  bei CO2-Bepreisung weiter als Deutschland

„Deutschland hinkt bei der CO2-Bepreisung hinterher. So hat Frankreich bereits 2014 eine jährlich ansteigende CO2-Steuer für Emissionen außerhalb des europäischen Emissionshandels eingeführt. Großbritannien hat seit 2013 einen CO2-Mindestpreis, er liegt bei aktuell 21 Euro pro Tonne. Der EU-Zertifikatepreis pendelte zuletzt deutlich darunter, um 7 Euro pro Tonne CO2. Beim dringend nötigen Kohleausstieg und beim Abgasskandal sehen wir gerade, was passiert, wenn der Staat nicht frühzeitig den wirtschaftlichen Rahmen modernisiert“, sagt Bals. Außerdem Dann setzten viele Unternehmen zu lange auf veraltete Technologien und verschliefen den Trend hin zu Zukunftstechnologien. Letztlich sei der Staat dann gezwungen, mit der ordnungsrechtlichen Keule – also mit Abschaltungen und Verboten – nachzujustieren.

Auf dem Weltklimagipfel Anfang November in Bonn werden die Klimadiplomaten über die Umsetzung und Nachbesserung der in Paris 2015 zugesagten Klimaziele und ihre Anhebung beraten. Zur selben Zeit verhandeln voraussichtlich die künftigen Koalitionäre in Berlin den neuen Koalitionsvertrag.

Christoph Bals: „Die Weltgemeinschaft wird sehr genau hinschauen, ob die künftigen Koalitionspartner in Deutschland Maßnahmen beschließen, um die deutschen Klimaziele für 2020 und 2030 noch zu erreichen.“

Europa- und Verfassungsrecht kein Hindernis für CO2-Bepreisung

Eine Studie der Stiftung Umweltenergierecht zeigt einer Medienmitteilung zufolge Spielräume für eine CO2-Bepreisung in Deutschland auf: „Weder das geltende Europa- noch das Verfassungsrecht hindern die zukünftige Koalition daran, eine nationale CO2-Bepreisung einzuführen.“ Diese Schlussfolgerung zieht Thorsten Müller, Stiftungsvorstand, aus der jüngsten Studie der Stiftung Umweltenergierecht. Darin haben Hartmut Kahl und Lea Simmel die rechtlichen Spielräume analysiert, die dem Gesetzgeber zur Verfügung stehen, um ein solches Instrument einzuführen.

„Der Gesetzgeber muss zwar eine Reihe von Voraussetzungen beachten und kann nicht jede beliebige Ausgestaltungsvariante wählen, es verbleiben aber ausreichend Spielräume“, erläutert Forschungsgebietsleiter Kahl. Für Thorsten Müller ist es daher eine politische Frage, wie diese Spielräume genutzt werden. Rund um die Bundestagswahl und die anstehenden Koalitionsverhandlungen hat die Debatte um eine nationale CO2-Bepreisung in Ergänzung zum Europäischen Emissionshandel ETS an Dynamik gewonnen. Andere Länder haben diesen Weg bereits gewählt – in der EU allen voran Großbritannien mit seinem Carbon Price Support. Zudem hatte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron in seiner Europa-Rede einen CO2-Mindestpreis zuletzt wieder ins Gespräch gebracht.

In der Studie wird deutlich, dass das Europarecht einer Bepreisung von CO2 nicht entgegensteht. In Gestalt einer Steuer ist das in Deutschland verfassungsrechtlich zwar nicht möglich, wohl aber über eine Sonderabgabe einerseits oder eine Ressourcennutzungsgebühr für die dem ETS unterliegenden Anlagen nach Vorbild des „Wasserpfennigs“ andererseits. Durch eine Verbrauchsteuer können aber immerhin nach der Erzeugungsart gestaffelte Stromsteuersätze oder eine an der CO2-Intensität des Energieträgers orientierte Besteuerung beim Stromerzeuger angebunden werden.

„Zwar hat die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Kernbrennstoffsteuer den Spielraum des Gesetzgebers für Verbrauchsteuern grundsätzlich eingeengt, aber entgegen einer bisweilen anzutreffenden Auffassung heißt das nicht ‚rien ne va plus‘“, stellt Kahl klar. Eine Verfassungsänderung – bezogen auf eine genuine Kohlendioxidsteuer oder allgemein zur Ermöglichung von Umweltsteuern – mag zwar wünschenswert sein. Zwingend ist diese allerdings nicht, um einen Weg für eine CO2-Bepreisung auch in Deutschland zu finden.

[note Autoren des Positionspapiers

  • Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer, Germanwatch e. V.;
  • Prof. Dr. Ottmar Edenhofer, Direktor des Mercator Research Institutes on Global Commons and Climate Change (MCC), Berlin;
  • Prof. Dr. Manfred Fischedick, Vizepräsident Wuppertal Institut;
  • Dr. Patrick Graichen, Direktor Agora Energiewende;
  • Björn Klusmann, Geschäftsführer, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft;
  • Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Geschäftsführung, Deutsche Energie Agentur GmbH (dena);
  • Dr. Jörg Lange, Vorstand CO2 Abgabe e. V.;
  • Prof. Dr. Stephan Lessenich, Institut für Soziologie München, (Beirat CO2 Abgabe e. V.);
  • Prof. Dr. Andreas Löschel, Universität Münster;
  • Dr. Felix Matthes, Forschungskoordinator Energie- und Klimapolitik, Öko-Institut;
  • Prof. Karsten Neuhoff, Abteilungsleiter Klimapolitik, DIW Berlin;
  • Dr. Joachim Nitsch, Beirat CO2 Abgabe e. V., ehemaliger Leiter „Systemanalyse“, DLR Stuttgart;
  • Franzjosef Schafhausen, bis 2016 Abteilungsleiter „Klima, Europa und Internationales“/BMUB;
  • Reinhard Schultz, Inhaber u. Geschäftsführer Schultz projekt consult, Vorsitzender EnergieDialog2050 e. V.;
  • Dr. Christoph Wolff, Managing Director, European Climate Foundation.]

->Quellen: