Strategievermerk der Heinrich-Böll-Stiftung nach der Bundestagswahl
Nach der Bundestagswahl wird die weitere Ausrichtung der deutschen Energiewende Thema der Koalitionsverhandlungen sein. Doch wenn Deutschland sein Energiesystem bis 2050 grundlegend transformieren will, geht das nur mit den europäischen Nachbarn. Denn ein europaweit verknüpftes Stromnetz senkt die Kosten der Integration von erneuerbaren Energien und erleichtert es, Flexibilitätspotentiale zu erschließen. Auch im Bereich der Energieeffizienz braucht es für Produktstandards Entscheidungen auf EU-Ebene. Und letztlich kann nur eine EU-weite Klimaschutzanstrengung einen angemessenen Beitrag zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens leisten. Katharina Umpfenbach von der Heinrich-Böll-Stiftung hat einen Strategievermerk zu den Koalitionsverhandlungen geschrieben.
Derzeit verhandelt die EU über die umfassende Neuausrichtung der Energie- und Klimapolitik bis 2030. Im November 2016 hat die Europäische Kommission das “Saubere Energie für alle Europäer”-Paket vorgelegt, das acht Gesetzesvorschläge und weitere Initiativen umfasst. Diese werden bis 2019 zwischen Parlament, den Regierungen der Mitgliedsstaaten und der Kommission verhandelt.
Aus deutscher Sicht bieten die Verhandlungen über das europäische Energiepaket die Gelegenheit, für eine europaweite Energiewende zu werben und den europäischen Rahmen so zu gestalten, dass er die deutsche Energiewende unterstützt. Der Strategievermerk legt dar, worauf es in Europa für die neue Bundesregierung bei der Umsetzung der deutschen Energiewende ankommt.
Durch einen effizienteren Umgang mit Energie und den Erneuerbaren Energien als tragende Säulen der Erzeugung sollen die Treibhausgasemissionen um 80 bis 95% gesenkt werden. Dieses Jahrhundertprojekt kann nur zusammen mit den europäischen Nachbarn zum Erfolg werden.
Das vorliegende Papier diskutiert, wie die nächste Bundesregierung die weiteren Verhandlungen nutzen kann, damit das EU-Energiepaket positive Rahmenbedingungen für die deutsche Energiewende setzt. Hierfür werden vier zentrale Elemente identifiziert:
- Energieziele anheben und Langfristziel verankern: Die Dekarbonisierung des Energiesystems erfordert massive Investitionen. Klar definierte Ziele sind ein zentrales Instrument, um ein verlässliches Investitionsklima zu schaffen. Die von der Kommission für 2030 vorgeschlagenen Ziele für erneuerbare Energien (Anteil von 27%) und Energieeffizienz (Verbesserung um 30%) sind deutlich zu niedrig. Das Europäische Parlament wird voraussichtlich höhere Ziele für 2030 und eventuell auch ein Langfristziel für Mitte des Jahrhunderts fordern. Dadurch ergibt sich die Chance, während der Dreierverhandlung zwischen Rat, Parlament und Kommission eine Ambitionssteigerung durchzusetzen. Die Bundesregierung kann hierfür eine zentrale Rolle spielen, wenn sie frühzeitig Allianzen mit progressiven Mitgliedstaaten schmiedet.
- Instrumente für wirksame Zielüberprüfung festlegen: Ziele sind nur dann glaubwürdig, wenn sie mit Maßnahmen unterlegt werden und wenn klar ist, dass bei Nichterreichung Korrekturmechanismen greifen. Der Vorschlag zum Energiepaket schürt Unsicherheit, weil die Energieziele zwar auf EU-Ebene bindend sind, nicht aber für die Mitgliedstaaten. Da Deutschland Interesse an verlässlichen Investitionsbedingungen für den Umbau des Energiesektors hat, sollte die neue Bundesregierung in den Verhandlungen dafür eintreten, die Handlungsmöglichkeiten der Kommission zu stärken, für den Fall, dass sich eine Nichterreichung der Ziele abzeichnet.
- Den Strommarkt auf Wind- und Sonnenstrom ausrichten: Mit den Vorschlägen zum Binnenmarkt für Strom und der überarbeiteten Erneuerbaren-Energien-Richtlinie verfolgt die EU-Kommission ähnliche Ziele wie die Bundesregierung: Der Strommarkt soll auf den wachsenden Anteil an Wind- und Sonnenstrom vorbereitet und die Erneuerbaren in den Markt integriert werden. Zusammen mit den Anstrengungen zur Verstärkung der Grenzkuppelstellen wird diese Agenda die Umsetzung der deutschen Energiewende deutlich erleichtern. Die Investitionssicherheit für Betreiber/innen von Erneuerbare-Energien-Anlagen auch weiter zu schützen, sollte dabei Priorität haben.
- Einstieg in den Kohleausstieg angehen: Die Energiewende wird nur dann ihre Ziele erreichen, wenn neben dem Ausbau der Erneuerbaren auch der Rückbau der konventionellen Kraftwerke gelingt. Mit dem Vorschlag, den Strukturwandel in Kohleregionen finanziell zu unterstützen und einen Emissionsgrenzwert für Kraftwerke in Kapazitätsmechanismen einzuführen, eröffnet die EU-Kommission zum ersten Mal das heikle Thema Kohleausstieg. Die neue Bundesregierung sollte diese Chance nutzen, das Thema weiter voranzutreiben, und konkrete Maßnahmen anstoßen, die die sozialen Folgen in kohlereichen Regionen abfedern können.
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