Vorhersage eingetroffen
„Vor allem die Rate, mit der die Leuchtkraft der Quelle im Verlauf von zehn Tagen nach der Verschmelzung abnahm, entspricht exakt der Vorhersage, dass im ausgeschleuderten Material radioaktive Elemente dominieren, die viel schwerer als Eisen sind“, so Jerkstrand.
Die Verschmelzung zweier Neutronensterne in einem Gammablitz setzt enorme Energiemengen frei. Gleichzeitig wird dichte Materie mit hoher Geschwindigkeit ausgeschleudert. Da dieses ausgeworfene Material eine hohe Konzentration an freien Neutronen aufweist, können sich daraus die schwersten Elemente im Universum zusammenfügen. Der hierbei ablaufende Prozess wird als schneller Neutroneneinfang bezeichnet, oder kurz r-Prozess (für das englische „rapid/schnell“).
„Der Ursprung der schwersten chemischen Elemente im Universum hat uns Wissenschaftler lange vor Rätsel gestellt“, sagte Hans-Thomas Janka, leitender Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik. „Jetzt haben wir den ersten Beweis durch Beobachtungen, dass kollidierende Neutronensterne als Ursprung für diese Elemente in Frage kommen. Sie könnten sogar die Hauptquelle für r-Prozess-Elemente darstellen.“
Die Beobachtung und Charakterisierung von minutenlangen Signalen verschmelzender Neutronensterne, die sich im Detektorrauschen verbergen, erfordert sehr präzise Wellenformmodelle. Mitglieder der Abteilung „Astrophysikalische und Kosmologische Relativität“ am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik haben Modelle entwickelt, die als Vorlagen in den Optimalfilter-Suchen zum Einsatz kamen, die GW170817 entdeckten.
Max-Planck-Forscher spielten außerdem eine zentrale Rolle bei der Entwicklung und Durchführung der Suchalgorithmen, die GW170817 beobachteten. Als Mitglieder des Teams, welches das Signal unmittelbar nach der Entdeckung untersuchte, entfernten sie sofort einen lautes, vorübergehendes Störsignal in Daten des LIGO-Livingston-Instruments.
Damit ließ sich die Himmelsposition so genau bestimmen, dass Astronomen binnen zwölf Stunden nach der Entdeckung von GW170817 ein schnell verblassendes Nachglühen im sichtbaren Licht beobachten konnten. Damit bestimmten sie die Ursprungsgalaxie und Rotverschiebung, die zur Messung der Hubblekonstante und damit zur Entfernung führte.
Das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik hat außerdem Analyse-Algorithmen und Wellenformmodelle mitentwickelt und angewandt, um damit die Quelle von GW170817 als Doppelsystem aus Neutronensternen zu identifizieren. Als weitere Erkenntnis sprechen die Resultate gegen Theorien, die stark abstoßende Kernkräfte annehmen, da diese relativ große und damit leicht verformbare Neutronensterne voraussagen.
In Potsdam wurden sowohl analytische Berechnungen als auch numerische Simulationen angewandt, um modernste Wellenformmodelle zu konstruieren, die schwächere abstoßende Kernkräfte in den Neutronensternen von GW170817 vorhersagen. Max-Planck-Wissenschaftler haben darüber hinaus elektromagnetische Signale untersucht, die durch den Auswurf von Materie bei der Verschmelzung entstanden sind. Diese Signale enthalten Information über die oben erwähnte Entstehung schwerer Elemente im Universum.
„In einem Dominoeffekt hat GW170817 eine spektakuläre Sequenz astrophysikalischer Beobachtungen in Gang gesetzt, dabei langjährige Rätsel gelöst und uns andere Rätsel aufgegeben“, sagt Alessandra Buonanno. „Bemerkenswerterweise hat GW170817 uns auch Einblicke in die Natur von ultradichter Materie im Innern der faszinierendsten und extremsten Objekte des Universums erlaubt – der Neutronensterne.“<
Wissenschaftler der Abteilung „Beobachtungsbasierte Relativität und Kosmologie“ am Institut in Hannover spielten eine zentrale Rolle in den ersten Stunden der Analyse, sowie bei der Charakterisierung des Gravitationswellensignals und beim Verständnis der Quelle. „Selbst in meinen kühnsten Träumen hätte ich nicht zu hoffen gewagt, dass wir gleichzeitig zur ersten Entdeckung eines Doppelneutronensterns durch Gravitationswellen auch noch den entsprechenden Gammastrahlenblitz und die elektromagnetischen Signale nachweisen würden. Ich dachte wir würden so etwas erst nach 20 oder mehr Beobachtungen von der Verschmelzung zweier Neutronensterne sehen. Das ist fantastisch!“, sagte Allen.
„Dies ist der Beginn der Multi-Messenger-Astronomie und eines tieferen Verständnisses unseres Universums. Wir sind sehr stolz darauf, eine zentrale Rolle bei der Messung von Gravitationswellen zu spielen, weil sich unsere im GEO600-Projekt entwickelten und getesteten Laser im Herzen aller Gravitationswellenobservatorien finden“, resümiert Max-Planck-Direktor Karsten Danzmann, Allens Kollege am Hannoveraner Institut. (EM/HAE/HOR/KNI)
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