Riesenhuber: „Wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht, trägt sie an der falschen Stelle“
In seinem Festvortrag forderte Ex-Forschungsminister Heinz Risenhuber Mut zum Risiko: „Wer sein Leben so einrichtet, dass er nicht auf die Schnauze fallen kann, wird nur auf dem Bauch daher kriechen können.“ Die Politik müsse aber Unternehmer unterstützen und Technologien fördern, die Probleme lösen. Zugleich müsse sie mögliche Risiken für Mensch und Natur und gesellschaftliche Kontroversen im Blick halten. Dafür bräuchten wir den Dialog von Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. „Die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften hat sich binnen weniger Jahre zu einer wichtigen Plattform für diesen Dialog entwickelt.“ Allerdings dürfe sich kein Unternehmer durch seine Erfolge einschläfern lassen – denn „wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht, trägt sie an der falschen Stelle“.
acatech-Präsident Dieter Spath: „Nicht nachlassen – noch einmal nachlegen!“
Die acatech hat zwei Präsidenten – einer, Reinhard Hüttl, hat sich nach zwei Amtsperioden zurückgezogen – ihm folgte der Arbeitswissenschaftler Dieter Spath, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation sowie des Instituts für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement der Universität Stuttgart. Spath beklagte den Mangel „an radikalen Innovationen auf Basis von Spitzentechnologie, also an solchen Innovationen, die Regeln in Märkten neu bestimmen“. Und er forderte: „Wir dürfen jetzt nicht nachlassen, im Gegenteil: Gesellschaftliche Herausforderungen wie den Klimawandel, die Energiewende und die demographische Entwicklung mit dem damit einhergehenden Fachkräftemangel können wir nur meistern, wenn wir jetzt noch einmal nachlegen, unseren Anstrengungen nochmals intensivieren.“
Dazu müssten wir „vollständige Innovationskreisläufe von der Grundlagenforschung bis in die Anwendung und zurück abzubilden. Die Exzellenzinitiative der Grundlagenforschung muss mit einer Exzellenzinitiative der Umsetzungsforschung einhergehen.“ Innovation sei nämlich nicht mehr nur die Forschungs- und Transferleistung von Wissenschaft und Wirtschaft, wir müssten sie „breiter verstehen: Unser Umgang mit Vernetzung, die Schaffung von Infrastrukturen und nicht zuletzt sich ändernde Verhaltensmuster und Gewohnheiten sind genauso Bestandteil von Innovationsprozessen wie klassische Forschung und Entwicklung von Produkten. Technologische Innovationen müssen deshalb mit sozialen Innovationen einhergehen, und wir müssen uns dafür öffnen, dass Innovation von beiden Seiten angestoßen werden kann. Nur so kann Mut zu radikaler Innovation entstehen.“
Der demographische Wandel zwinge uns zu massiver Erhöhung der Produktivität: „Unsere sozialen Sicherungssysteme – Gesundheit, Rente, Arbeit, Pflege – werden nur Bestand haben, wenn wir bei einer sinkenden Bevölkerungs- und Erwerbstätigenzahl es schaffen, die Erträge unserer Arbeit zu erhöhen.“ Dafür müssten Reserven mobilisiert werden: „Die Erwerbstätigkeit von Frauen erhöhen, Ausbildungszeiten verkürzen, qualifizierte Zuwanderung fördern, die Lebensarbeitszeit der steigenden Lebenserwartung anpassen und weniger junge Menschen ohne Abschluss ins Erwerbsleben entlassen.“
Aber Spath warnte gleichzeitig vor überzogenen Erwartungen: Die genannten Reserven würden „maximal ein Drittel der demographisch bedingten Mehrausgaben für den Erhalt unserer sozialen Sicherungssysteme kompensieren“. Den weitaus größeren Teil müssten wir daher anders erwirtschaften. Folglich müsste überall die Produktivität erhöht werden. Im Dienstleistungsbereich, im Handel, in der Verwaltung müssten wir „rationalisieren und automatisieren, und zwar schneller und weitgehender, als dies den meisten Menschen in diesem Land heute bewusst ist. Das heißt: die digitale Transformation beschleunigen“. Spath zeigte sich optimistisch gegenüber der Sorge vor einem Anstieg der Arbeitslosigkeit infolge der Digitalisierung – für die nächsten Jahre erwarte er eher einen Arbeitskräftemangel als Arbeitslosigkeit
Neben der Rationalisierung und Automatisierung gebe sah Spath aber noch weitere Baustellen: Organisationsstrukturen und Prozesse müssten optimiert und an das Zeitalter der Digitalisierung angepasst werden – innerhalb, aber vor allem auch zwischen den Akteuren des Innovationssystems. Auf dem Weg zur zur Industrie 4.0 brauche es „eine ausgeprägte Fähigkeit zur Zusammenarbeit aller Netzwerkpartner in Wissenschaft und Wirtschaft, um technologische Chancen schnell und damit wettbewerbsrelevant in wirtschaftliche Lösungen zu überführen. In unserem Projekt ‚Kollaboration als Schlüssel zum erfolgreichen Transfer von Innovationen‘ haben wir konkrete Vorschläge aufgezeigt.“
Folgt: Produktivitätsparadoxon: „Wir bringen die PS nicht auf die Straße“