Mittelstand braucht Zugang zur Spitzenforschung

Produktivitätsparadoxon: „Wir bringen die PS nicht auf die Straße“

acatech Festveranstaltung 2017 – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Spath beklagte weiter „Defizite in der produktiven Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien in den Unternehmen, vor allem im Dienstleistungsbereich, und dort in den Bereichen, die wir hierzulande unter Sachbearbeitung zusammenfassen. Die Investitionen der Unternehmen in IKT fallen noch immer zu klein aus, und sie schlagen sich nicht in einer entsprechenden Erhöhung der Produktivität nieder. Manche nennen dies Produktivitäts-Paradoxon, ich sage: wir bringen die PS nicht auf die Straße, und die Ursache dürfte in den bereits genannten Organisationsstrukturen und Prozessen liegen.“

Qualifikations-Initiative mit moocs – „wir sind Land der Klamotten“

Schließlich  nannte Spath Qualifizierung als wichtiges Thema: In der Übergangsphase müssten wir diejenigen weiterqualifizieren, deren Arbeit schrittweise automatisiert werde. Die Mitarbeiter müssten am Arbeitsplatz selbst erreicht werden, zum Beispiel mit moocs, massiv open online courses. Gemeinsam mit dem Hasso-Plattner-Institut und dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz habe man bei acatech bereits zwei dieser moocs aufgelegt. Denn vor allem der Mittelstand stehe vor einer sehr grundlegenden Transformation: Viele mittelständische Unternehmen würden auf Basis des klassischen Peer-to-Peer-Geschäftsmodells arbeiten, Prinzip Ladentisch: Hier die Ware, da das Geld. Aber – so Spath: „In diesem Sinne – lassen Sie es mich flapsig sagen – sind wir noch ein Land der Klamotten. Produktbegleitende Dienstleistungen und die damit verbundenen Daten sind bisher eher Beiwerk – Promotion für die guten, teuren Produkte. Und oft können wir dafür keine angemessenen Preise durchsetzen. Wenn in der Welt der Industrie 4.0 und Smart Services jedoch Daten und Dienstleistungen vom Beiwerk zum Hauptstück werden, fällt uns dies auf die Füße.“

Den Leistungsaustausch zwischen Herstellern und Kunden beschreiben zu können und einzelne Synallagmen [Gegenseitigkeits- oder Austauschverhältnis zweier Leistungen beim Vertrag – S_Y] zu bewerten, sei „eine wissenschaftliche Herausforderung und ein wichtiger Schritt, Geschäftsmodelle konstruieren zu können“. Denn erst damit könnten wir Antworten auf die oft aus dem Mittelstand zu hörenden Fragen geben: „Welchen Wert haben die Daten, die bei uns anfallen? Welche Geschäftsmodelle können wir entwickeln? Wie gewinnen wir dafür die richtigen Partner? Und wie genau funktionieren die neuen Geschäftsmodelle?“ Spath hat erkannt: „Gerade erfolgreichen, hochspezialisierten Mittelständlern fallen Entwicklungssprünge schwer.“

Innovationsoffensive für den Mittelstand

acatech wolle deshalb eine Innovationsoffensive für den Mittelstand initiieren. Drei Themen ständen hierbei im Vordergrund:

  1. Der Zugang zu Spitzenforschung durch enge Zusammenarbeit von Wissenschaft und Entwicklern.
  2. Die Stärkung von Kooperationen, da viele Herausforderungen vom einzelnen nicht gestemmt werden können, und
  3. die Qualifizierung und Gewinnung insbesondere technikwissenschaftlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Spath forderte, die Basis für einen neuen Produktivitätsfortschritt und disruptive Innovationen zu verbreitern – dann könnten „mittelfristig neue, margenstarke Märkte erschlossen werden, gerade auch vom Mittelstand.“ Dafür wolle acatech Vorschläge erarbeiten, Start-Ups, Mittelständler und große Unternehmen an einen Tisch bringen, sowie Anstöße für Organisationsentwicklung und Weiterbildung geben, schließlich Kooperationsmöglichkeiten von Wissenschaft und Mittelstand aufzeigen, damit es „in beide Richtungen einen Transfer zwischen Spitzenforschung und Entwicklung gibt“.

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