12.10.2017 – mit freundlicher Genehmigung von Barbara Unmüßig, project-syndicate.org –
Während die Welt sich schwertut, die Emissionen klimaschädlicher Gase zu reduzieren und die Erderwärmung zu begrenzen, gewinnt derzeit eine neue technologische Wunderwaffe an Unterstützung. Geoengineering – die großmaßstäbliche Manipulation von Klima- und Erdsystemen – wird als Lösung propagiert, mit der man dem Klimawandel entgegentreten könne. Ein Kommentar auf project-syndicate.org
Die Befürworter dieser Technologie nähren die Illusion, dass es einen Weg aus der Klimakrise gibt, um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015 einzuhalten, während wir gleichzeitig unseren emissionslastigen Lebensstil aufrechterhalten können. Doch so einfach ist es nicht: Sich auf Geoengineering zu stützen – sei es als planetare Versicherungspolice oder als letztes Mittel gegen steigende Temperaturen – ist nicht nur riskant, es lenkt auch die Aufmerksamkeit von der einzigen Lösung ab, von der wir wissen, dass sie funktioniert: die radikale Verringerung der Kohlenstoffemissionen.
Solar Radiation Management (SRM)
Jede der derzeit diskutierten Technologien ist mit Gefahren und Unwägbarkeiten verbunden. So ließe sich die tatsächliche Klimawirksamkeit des Solar Radiation Management (SRM) nur durch großmaßstäbliche Experimente in der realen Natur testen – also indem z.B. Partikel in die Stratosphäre eingebracht oder Wolken künstlich verändert werden. Derartige Experimente könnten sowohl physisch als auch politisch irreversible Schäden anrichten. Aktuelle Modelle prognostizieren, dass der Einsatz von SRM die globalen Niederschlagsmuster verändern, die Ozonschicht beschädigen und die Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen gefährden könnte.
Über die ökologischen und sozialen Risiken hinaus warnen Kritikerinnen und Kritiker, dass sich SRM-Technologie, wenn sie erst einmal global eingesetzt wird, zu einer gefährlichen Waffe wird. Einzelne Staaten, Konzerne oder Individuen wären in der Lage, das Klima zu strategischen Zwecken zu manipulieren (eine Idee, der selbst Hollywood nicht widerstehen kann). Doch der vielleicht wichtigste Kritikpunkt ist politischer Natur: Wie würde man in einer Welt, in welcher der Multilateralismus zunehmend in Frage gestellt wird, einen globalen Eingriff ins Klima regulieren?
Carbon Dioxide Removal (CDR)
Ähnliche Fragen umgeben die zweite wichtige Gruppe von Geoengineering-Technologien, die derzeit diskutiert wird: das sogenannte Carbon Dioxide Removal (CDR). Die Befürworter dieser Technologien schlagen vor, der Atmosphäre CO2 zu entziehen und es unterirdisch (siehe etwa: solarify.eu/ccs-in-island-ausgebaut) oder in den Ozeanen zu speichern. Einige CDR-Ansätze wurden aufgrund von Bedenken über ihre möglichen Auswirkungen auf die Umwelt bereits verboten. So wurde die Eisendüngung der Ozeane, die das Planktonwachstum anregen und so Kohlenstoff binden soll, bereits 2008 durch das Londoner IMO-Protokoll zur Verhütung der Meeresverschmutzungverboten. Die an der Entscheidung beteiligten Staaten waren besorgt über die potenzielle Schädigung der fragilen marinen Ökosysteme.
BECCS
Andere CDR-Ansätze jedoch gewinnen trotzdem an Unterstützung. Eine der am häufigsten diskutierten Ideen zielt darauf ab, Biomasse in Techniken zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) einzubinden. Diese als „Bioenergie mit CCS“ oder BECCS bezeichnete Methode sieht vor, die CO2-Aufnahmefähigkeit schnell wachsender Pflanzen mit Methoden zur unterirdischen Speicherung von CO2 zu kombinieren. Die Befürworter argumentieren, dass BECCS tatsächlich zu „negativen Emissionen“ führen würde.
Doch wie bei anderen ingenieurtechnischen Lösungen sind die Versprechen auch hier schlicht zu schön, um wahr zu sein. Es wären enorme Mengen Energie, Wasser und Dünger erforderlich, um BECCS-Systeme erfolgreich zu betreiben. Die Auswirkungen auf die Landnutzung würden voraussichtlich zu Verlusten an terrestrischen Arten führen und den Wettbewerb um Flächen und die Verdrängung lokaler Bevölkerungen steigern. Einige Prognosen legen sogar nahe, dass die mit diesen Projekten verknüpften Flurbereinigungs- und Baumaßnahmen zumindest kurzfristig zu einem Nettoanstieg der Treibhausgasemissionen führen könnten.
Damit BECCS die vom Pariser Klimaschutzabkommen festgelegten Emissionsgrenzwerte erreicht, wären zwischen 430 und 580 Millionen Hektar Land nötig, um den erforderlichen Bewuchs zu ermöglichen. Das ist ein Drittel des weltweiten Ackerlandes – eine astronomische Menge.