EU-Länder durchlöchern Klimaschutz

„Effort-Sharing-Verordnung“ mit vielen Schlupflöchern

Die sogenannte „Sicherheitsreserve“, mit der weniger wohlhabende EU-Staaten dabei unterstützt werden sollen, ihre CO2-Ziele in den Bereichen Transport, Gebäudebau und Landwirtschaft zu erreichen, wird nur für Staaten verfügbar sein, die vorzeitig ihre Einsparungsziele für 2030 erfüllen, meldete Euractiv. Am 13.10.2017 hat der EU-Umwelt-Ministerrat seine gemeinsame Position zum sogenannten „Effort Sharing“ festgelegt.

Dabei ging es vor allem darum, das CO2-Budget in den Bereichen Transport, Gebäudebau und Landwirtschaft bis 2030 festzulegen. Diese drei Bereiche fallen bisher nicht unter das europäische Emissionshandelssystem (ETS). Danach erscheint es vielen Umweltschützern sehr unwahrscheinlich, dass die Mitgliedsländer ab 2020 wirklich mit dem Klimaschutz Ernst machen wollen.

Das wichtigste Thema dabei war der Startpunkt, demgegenüber die zukünftigen Emissionseinsparungen berechnet werden. Der ursprüngliche Vorschlag der Europäischen Kommission, Mittelwerte der Jahre 2016 bis 2018 als Grundlage für die Einsparungen zu nehmen, wurde von Umweltaktivisten kritisiert: Eine solche Grundlage würde wenig Einfluss auf die Klimaschutzmaßnahmen der EU-Staaten haben. In einer Mitteilung (s.u.) zum Ende des Treffens erklärten die Minister, die CO2-Sicherheitsreserve (115 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente) werden nur für EU-Länder zugänglich sein, die bereits andere „Flexibilitäten“ unter der Lastenverteilungsverordnung in Anspruch genommen haben.

Im Original: Senkung der Treibhausgasemissionen in Lastenteilungssektoren, damit wir den Zielen von Paris näher kommen

Tagung des Rates „Umwelt“, 13.10.2017 – Die EU hat zugesagt, die Emissionen bis 2030 um mindestens 40 % zu senken.

Der Rat „Umwelt“ hat am 13. Oktober seinen Standpunkt zur Lastenteilungsverordnung mit verbindlichen Jahresemissionszielen für jeden einzelnen Mitgliedstaat im Zeitraum 2021-2030 festgelegt. Dank dieser Ziele werden die Treibhausgasemissionen in Sektoren, die nicht in den Anwendungsbereich des EU-Emissionshandelssystems (EHS) fallen, weiter gesenkt. Zu diesen Sektoren zählen die Landwirtschaft (andere Emissionen als CO2), die Abfallwirtschaft, der Verkehr (mit Ausnahme des Luftverkehrs und der Schifffahrt) und die Industrie (d. h. Industrie, Energieversorgung und Produktverwendung).

Diese Vorschriften werden es der EU ermöglichen, der Erreichung ihres Gesamtziels näher zu kommen, nämlich einer Verringerung der Emissionen bis 2030 um mindestens 40 % gegenüber dem Niveau von 1990, was auch dazu beitragen wird, dass sie ihre Verpflichtungen nach Übereinkommen von Paris über den Klimaschutz erfüllt. Nicht unter das EHS fallende Sektoren werden einen konkreten Beitrag zur Erreichung dieses Ziels leisten, indem die Emissionen bis 2030 um 30 % gegenüber dem Niveau von 2005 gesenkt werden.

Die Einigung über seine allgemeine Ausrichtung gestattet es dem Rat, schon sehr bald Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament aufzunehmen, um Einvernehmen über den endgültigen Text zu erzielen.

Der Standpunkt des Rates umfasst die wesentlichen Bestandteile des Kommissionsvorschlags, d. h.:

    • Die Jahresziele für die Emissionsminderung für den Zeitraum 2021-2030 werden für jeden einzelnen Mitgliedstaat festgelegt; dabei reicht die Spanne der Minderung in Abhängigkeit vom Bruttoinlandsprodukts (BIP) pro Kopf und in Einklang mit dem 30 %-Reduktionsziel der EU für nicht unter das EHS fallende Sektoren von 0 % bis 40 % gegenüber dem Niveau von 2005.
    • Jeder Mitgliedstaat muss einem Emissionsreduktionspfad folgen, um sicherzustellen, dass seine Emissionen während des gesamten Zeitraums kontinuierlich sinken. Als Ausgangspunkt für die Berechnung des Zielpfades wird, wie von der Kommission vorgeschlagen, das Jahr 2020 festgelegt, und die Berechnung erfolgt anhand der durchschnittlichen Emissionen von 2016 bis 2018. Es wird davon ausgegangen, dass dies die aktuellsten geprüften Emissionsdaten sein werden, die 2020 zur Verfügung stehen.
    • Die Zuweisungen für Mitgliedstaaten mit niedrigem Nationaleinkommen, denen es nach dem derzeitigen Lastenteilungsbeschluss gestattet ist, ihre Emissionen bis 2020 gegenüber dem Niveau von 2005 zu steigern, werden angepasst, um dem nach diesem Beschluss zulässigen Anstieg zwischen 2017 und 2020 Rechnung zu tragen.
    • Die im derzeitigen Lastenteilungsbeschluss enthaltenen Flexibilitätsmöglichkeiten wurden beibehalten, um die Mitgliedstaaten bei der Erreichung ihrer Jahresziele zu unterstützen. Dazu zählen die Übertragung der jährlichen Emissionszuweisungen auf nachfolgende Jahre bzw. die Vorwegnahme von Zuweisungen im Zeitraum 2021-2030 sowie die Möglichkeit der Übertragung zwischen Mitgliedstaaten. Die vorgeschlagenen „neuen“ Flexibilitätsmöglichkeiten – die einmalige Löschung von EHS-Zertifikaten und die Flexibilität im Zusammenhang mit LULUCF (Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft) – wurden ebenfalls einbezogen.

Die allgemeine Ausrichtung des Rates enthält ferner eine Sicherheitsreserve für weniger wohlhabende Mitgliedstaaten, die trotz Überschreitung ihrer Ziele im laufenden Zeitraum (2013-2020) Schwierigkeiten haben könnten, ihre Ziele für 2030 zu erreichen. Diese Reserve in Höhe von insgesamt 115 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent wird im Jahr 2032 abrufbar sein. Berechtigte Mitgliedstaaten werden jedoch strikte Bedingungen einhalten müssen. So müssen sie beispielsweise zunächst die anderen Flexibilitätsmöglichkeiten im Rahmen dieser Verordnung genutzt haben. Die Sicherheitsreserve kann nur dann genutzt werden, wenn die EU ihre Zielvorgabe für 2030 erfüllt, wodurch sichergestellt wird, dass die Ziele der EU-Klimaschutzpolitik gewahrt werden.

Teil der allgemeinen Ausrichtung ist ferner eine geringfügige zusätzliche Anpassung (von insgesamt 2 Mio. Tonnen) der Zuweisungen für Mitgliedstaaten, in denen außergewöhnliche Umstände herrschen; dies sind Lettland und Malta. Mit dem Standpunkt des Rates wird insgesamt ein Gleichgewicht zwischen den Anreizen für die Senkung der Emissionen und den Flexibilitätsmöglichkeiten geschaffen und er wahrt die Umweltintegrität des Vorschlags.

Positionen und Stellungnahmen

Jochen Flasbarth, Staatssekretär im deutschen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, kündigte nach den Gesprächen an, Deutschland werde sich dennoch weiterhin dafür einsetzen, beim Thema Berechnungsgrundlage „mehr zu erreichen“.

Wendel Trio, Chef des Climate Action Network Europe (CAN), gab der Einigung eine kurze Galgenfrist und warnte: „Die lautstark verkündeten europäischen Verpflichtungen zum Pariser Klimaabkommen klingen hohl. Mit diesem schwachen Vorschlag haben die EU-Regierungen sich gegen das Abkommen von Paris gestellt. Das Zurückweisen des einzigen Vorschlags, wie sichergestellt werden kann, dass Verschmutzer nicht dafür belohnt werden, dass sie ihre Klimaziele für 2030 verfehlen, lässt uns ernsthaft daran zweifeln, dass die EU wirklich fähig ist, eine glaubwürdige Klimapolitik zu verfolgen.“

Da es zuviele CO2-Zertifikate im ETS gibt, sind die Preise niedrig. Für Unternehmen ist es somit „billig“, zu schmutzig zu sein. Von Seiten der estnischen Ratspräsidentschaft hieß es, die Sicherheitsreserve könne „nur genutzt werden, wenn die EU ihre 2030er-Klimaziele erreicht“. Es müsse sichergestellt sein, dass die Ambitionen der EU-Klimapolitik gewahrt bleiben. „Anspruchsberechtigte Mitgliedstaaten müssen strikte Vorgaben erfüllen. Beispielsweise müssen sie vorher andere unter der Richtlinie verfügbare Instrumente genutzt haben.” Nach intensive Lobbying ist es derweil Lettland und Malta gelungen, sich Verschmutzungsrechte über zusätzliche 2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent zu sichern. Grund dafür seien die „besonderen Umstände“ der beiden Länder.

Carlos Calvo Ambel, Analyse- und Klimamanager bei der NGO T&E, sagte: „Das, worauf die Umweltminister sich heute geeinigt haben, bleibt hinter den Verpflichtungen im Pariser Klimaabkommen zurück. Die EU-Regierungen haben heute die Chance verpasst, sich für sauberere Luft, mehr Innovation, niedrigere Energierechnungen und lebenswertere Städte einzusetzen.“

Frankreichs Umweltminister Nicolas Hulot begrüßte den von den Umweltministern erreichten Kompromiss, nannte ihn aber auch „unzureichend“, um die allgemeinen Klimaziele zu erreichen. „Frankreich ist sich bewusst, dass die Europäischen Union mehr tun muss. Die Ziele, die wir uns gemeinsam in Paris gesetzt haben, sind nicht ausreichend, um die globale Klimaerwärmung auf unter 2°C zu beschränken. Wir werden unermüdlich daran arbeiten, unsere Partner zu überzeugen, dass CO2-Neutralität bis 2050 erreicht werden muss. Das ist auch eine enorme Chance für die europäische Gesundheits-, Umwelt- und Industriepolitik. Wir haben jetzt einen Kompromiss, den einige als unzureichend ansehen. Wir werden zeigen, dass Ambition die Lösung ist.“

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