Vorstellung der Stellungnahme „Sektorenkopplung“
Im Gespräch mit Hans-Martin Henning vom Freiburger ISE und acatech-Präsidiumsmitglied Eberhard Umbach (Bildmitte) präsentierte Gustedt dann die ESYS-Stellungnahme „Sektorenkopplung“: Zweieinhalb Jahre habe die Arbeitsgruppe an beiden Papieren gearbeitet, berichtete dieser, zusammen seien 200 Seiten geschrieben worden, das gehe nicht von heute auf morgen, viele Workshops seien veranstaltet worden, auch der Schreibprozess sei spannend gewesen – man habe erst eine gemeinsame Sprache finden müssen, das sei auch Interdisziplinarität.
Henning präzisierte: „Wir sind mehrstufig vorgegangen, haben uns einzelne Sektoren angesehen, dann eine Metaanalyse verschiedener Untersuchungen vorgenommen. Als adäquate Herangehensweise erwies sich eine Art Modernisierungsvorgehen, die viele Optionen abbildet. Das Modell, das wir verwendet haben, wurde auf ein Ausgangsjahr kalibriert, dann wurden Projektionen vorgenommen, wie es sich entwickeln könnte.“ Zum Einsatz sei ein vor Jahren am ISE und in den letzten Jahren weiterentwickeltes spezielles Entwicklungstool zur Berechnung sektorübergreifender Entwicklungen gekommen. Mehr als 80 Einzeltechnologien habe man betrachtet und Projektionen in die Zukunft angestellt – „natürlich bleiben Unsicherheiten, trotz eines mathematischen Optimierers“.
Umbach: „Die Energiewende funktioniert nicht so wie gewünscht. So wird nicht funktionieren – wir müssen mehr vorausdenken, das Ziel im Auge behalten. Vor allem im Verkehr funktioniert es nicht – denn wir fahren z.B. immer größere Fahrzeuge. Die Wärme zeigt zwar einen Trend nach unten, der ist aber kaum ausreichend – das Einzige, wo wir im Trend liegen ist der Ausbau der Erneuerbaren Energien. Kurz: Wir müssen nachdenken.“
Effizienzgewinn sei zentral. Wenn ein Weiter so beim Verbrauch geschehe, müssten wir die Erneuerbaren Energien massiv ausbauen, und zwar vor allem PV und Wind – ob das gesellschaftlich funktioniere, sei eine andere Frage – und zwar um den Faktor 5-7 mal mehr als heute. Das habe Konsequenzen, denn wir hätten dann aus den flukturierenden Quellen manchmal bis zu 500 GW Energieleistung zur Verfügung, wir bräuchten aber nur 60-70; daher kämen die synthetischen Kraftstoffe wieder in den Blick. Wir bräuchten viel mehr Speicher, um die Spitzen abzufangen und Täler aufzufüllen. Was aber im Winter? Bei kalter Dunkelflaute seien die Speicher schnell leer. Wir müssten uns in eine gesellschaftliche Diskussion begeben, „und die ist nicht trivial“.
Henning erläuterte die vier Phasen der Energiewende: „In den vergangenen 20 Jahren haben wir Kostensenkungen erreicht, ohne die die Energiewende nicht möglich wäre. Aber wir haben so gut wie keine System- Integration außer bei den Netzbetreibern. Die brauchen wir aber jetzt – denn es werden die volatilen Erneuerbaren Energien sein, auch in Wärme und Verkehr. Da spielt die direkte Stromnutzung eine wichtige Rolle.
Die 3. Phase: Im Luft-, Schiffs,- Schwerlastverkehr sei keine Elektronutzung möglich, daher synthetische Kraftstoffe durch Elektrolyse, Wasserstofffabriken müssen her, danach die 4. Phase“
Bevor man Speicher sage, solle man Flexibilisierung sagen – dann – aber auch hier Wärmespeicher, Batterie- und Pumpspeicher, aber auch hier Technologieoffenheit.
Umbach forderte, die regulatorischen Rahmenbedingungen müssten angepasst werden – z. B. durch einen einheitlichen CO2-Preis – den dann auf alle Sektoren ausdehnen, dann geschehe vieles von selber, man müsse nicht mit Zwangsmaßnahme arbeiten, denn es reguliere sich vieles selbst. Dazu müsse man soziale Verträglichkeit und langfristige Investitionen beachten und absichern. Das brauche Zeit, zumal im internationalen Rahmen – also sei Eile geboten.
Henning erklärte die Berechnungen der Kosten. Es seien Investitionen, Kapitalkosten, Wartung und Betriebskosten, Energieträgerkosten eingeflossen – und systemische Gesamtkosten bis 2050 – daraus habe man Mehrkosten von 1.000 bis 2.000 Mrd. 2050 errechnet – das seien 2% des BIP und durchaus vergleichbar mit der Wiedervereinigung, dem ersten großen gesamtgesellschaftlichen Projekt. Aber man müsse auch die Wertschöpfung gegenrechnen.
Folgt: Schlussdiskussion