Zukunft Strom
Die Elektrizität ist weltweit die wachsende Kraft im Endenergieverbrauch. Auf sie entfallen 40% des weltweiten Anstiegs des Endenergieverbrauchs bis 2040 – genauso viel wie auf Öl während der vergangenen 25 Jahre. Industrielle Elektromotoren machen im New Policies Szenario ein Drittel des Anstiegs des Stromverbrauchs aus. Steigende Einkommen haben zur Folge, dass Millionen von Haushalten neue Elektrogeräte kaufen (darunter ein wachsender Anteil „intelligent“ vernetzter Geräte) und Klimaanlagen installieren. Der Stromverbrauch für die Raumkühlung ist in China 2040 höher als der Gesamtstromverbrauch in Japan heute. Außerdem steigt die Zahl der Stromkunden infolge der Ausweitung des Zugangs zu Elektrizität weltweit um 45 Millionen jährlich.
Das Ziel eines universellen Zugangs zu Strom bis 2030 ist damit jedoch noch nicht erreicht. Die Elektrizität expandiert nicht nur in ihren traditionellen Einsatzbereichen, sondern dringt zunehmend auch in Wärmeerzeugung und Verkehr vor. Dadurch erhöht sich ihr Anteil am Energieendverbrauch auf fast ein Viertel. Verstärkte Initiativen der Wirtschaft und Unterstützung durch die Politik – u.a. mit der jüngsten Entscheidung Frankreichs und des Vereinigten Königreichs, den Verkauf konventioneller Diesel- und Benzinfahrzeuge ab 2040 zu verbieten – sorgen dafür, dass die Zahl der Elektrofahrzeuge weltweit in unseren Projektionen von 2 Millionen heute auf 280 Millionen im Jahr 2040 steigt.
Um den zunehmenden Bedarf zu decken, muss China seine Elektrizitäts-Infrastruktur bis 2040 in einem Umfang vergrößern, der dem heutigen Stromsystem der Vereinigten Staaten entspricht, während Indien sein Stromsystem um den Umfang der heutigen Kapazitäten der Europäischen Union erweitern muss.
Das Ausmaß des künftigen Strombedarfs und die Herausforderung der Dekarbonisierung der Stromversorgung erklären, warum die weltweiten Investitionen im Elektrizitätssektor 2016 erstmals höher waren als die in Öl und Gas und warum die Stromversorgungssicherheit einen immer wichtigeren Platz in der Politikagenda einnimmt. Kostensenkungen bei den Erneuerbaren Energien allein reichen nicht aus, um eine effiziente Dekarbonisierung oder eine verlässliche Versorgung zu gewährleisten. Die Herausforderung für die Politik besteht darin, ausreichende Investitionen in Stromnetze sowie in einen Mix an Stromerzeugungstechnologien zu sichern, der den Anforderungen des Stromsystems optimal gerecht wird. So kann für die angesichts des wachsenden Beitrags von Windenergie und Photovoltaik zunehmend unverzichtbare Flexibilität gesorgt werden (was auch einer der Gründe ist, warum der Blick auf die Zusammenhänge zwischen Strom- und Gasversorgungssicherheit gerichtet werden muss). Die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft erhöht die Effizienz und erleichtert den flexiblen Betrieb der Stromsysteme, lässt aber auch potenzielle neue Gefährdungen entstehen, denen begegnet werden muss.
Wenn sich China verändert, ändert sich alles
China tritt in eine neue Phase seiner Entwicklung ein. Das Augenmerk der Energiepolitik liegt nun ganz klar auf Strom, Erdgas und saubereren, hocheffizienten sowie digitalen Technologien. Chinas Wirtschaft war in der Vergangenheit stark auf Schwerindustrie, Infrastrukturausbau und die Ausfuhr von Industriegütern ausgerichtet. Dadurch konnten Millionen Menschen der Armut und auch der Energiearmut entkommen. Zugleich führte dies aber zur Entstehung eines von Kohle dominierten Energiesystems und zahlreichen schwerwiegenden Umweltproblemen. Jedes Jahr sterben fast zwei Millionen Menschen an den Folgen von Luftverschmutzung. Mit der vom Präsidenten geforderten „Energierevolution“, dem „Kampf gegen die Umweltverschmutzung“ und dem Übergang zu einem stärker dienstleistungs-orientierten Wirtschaftsmodell schlägt der Energiesektor eine neue Richtung ein. Das Verbrauchswachstum hat sich drastisch von durchschnittlich 8% pro Jahr im Zeitraum 2000-2012 auf weniger als 2% jährlich seit 2012 verlangsamt. Im New Policies Szenario ergibt sich ein weiterer Rückgang auf durchschnittlich 1% pro Jahr bis 2040. Vorschriften zur Energieeffizienz erklären einen großen Teil dieser Verlangsamung – ohne neue Energieeffizienzmaßnahmen wäre der Endenergieverbrauch 2040 um 40% höher. Trotzdem liegt der Pro-Kopf-Endenergieverbrauch in China 2040 über dem der Europäischen Union.
Chinas Entscheidungen haben gewaltigen Einfluss auf die globalen Trends und könnten die Transformation hin zu einer sauberen Energieversorgung beschleunigen. Aufgrund des Ausmaßes seiner Anstrengungen zum Ausbau sauberer Energien, seiner Technologieexporte und seiner Direktinvestitionen im Ausland ist China ein entscheidender Motor der Transformation hin zu einer CO2-armen Wirtschaft: Ein Drittel der neuen Windstrom- und PV-Kapazitäten weltweit entsteht im New Policies Szenario in China, und auf China entfallen auch über 40% der weltweiten Investitionen in Elektrofahrzeuge. Von China geht ein Viertel des voraussichtlichen Anstiegs des weltweiten Erdgasverbrauchs aus. Mit den 280 Mrd. m³ Erdgas, die China den Projektionen zufolge 2040 importiert, wird es nur von der Europäischen Union überboten. Damit ist es einer der Hauptakteure des Weltgashandels. Etwa gegen 2030 überholt China die Vereinigten Staaten als weltgrößten Ölverbraucher. Seine Nettoölimporte belaufen sich 2040 auf 13 Mio. Barrel pro Tag. Strenge Energieeffizienzmaßnahmen für Pkw und Lkw sowie eine Entwicklung, in deren Folge 2040 jeder vierte Pkw in China ein Elektroauto sein wird, bedeuten jedoch, dass China nicht mehr der wichtigste Treiber des Weltölverbrauchs ist. Ab 2025 wächst der Ölverbrauch in Indien stärker als in China. China bleibt zwar eine dominierende Kraft auf den Kohlemärkten, unseren Projektionen zufolge erreichte sein Kohleverbrauch 2013 jedoch seinen Höhepunkt, und er wird bis 2040 um fast 15% sinken.
Folgt: Schiefergas und -ölboom in den Vereinigten Staaten erfasst nun auch Exporte