„Übereilter Ausstieg bedeutet Abkehr von grünem Strom – Kosten im Milliardenbereich“
Der Technologieverband VDE mahnte laut einer Medienmitteilung die Politik zur Besonnenheit. „Bei den Gesprächen der Parteien für eine neue Bundesregierung muss beim Thema Kohleausstieg mit Sachverstand vorangegangen werden“, forderte Ansgar Hinz, CEO des VDE. Auch wenn von der Energiebilanz her eine Abkehr von Kohlenstoffemissionen bis 2020 möglich sei, so hinken der dafür notwendige Netzausbau und die Kommunikationsinfrastruktur, vor allem im Verteilnetz, deutlich hinter dem Plan her.
„Wir gehen davon aus, dass bis 2030 die Klimaziele erreicht werden können, wenn der verstärkte Ausbau der Erneuerbaren Energien im Gleichschritt mit dem Ausbau des Stromnetzes erfolgt“, so Hinz weiter. Ein früherer und überhitzter Ausstieg würde die Netz- und Systemsicherheit fundamental ins Wanken bringen. Eine Gefährdung des Rückgrats unserer Volkswirtschaft, der Elektroenergieversorgung, steht für Hinz außer Frage. „Jeder möge einmal fünf Minuten innehalten und überlegen, was es für ihn persönlich bedeutet, ohne Strom den Alltag bewältigen zu müssen“, so der VDE-CEO.
Milliardenbeträge fällig, um Blackout zu verhindern
Die Netzbetreiberr müssten derzeit immer häufiger kostenintensive Redispatch-Maßnahmen ergreifen, also die Einspeisung von Kraftwerksleistung inklusive der Erneuerbaren-Energieanlangen anpassen, um eine stabilen Netzbetrieb sicher zu stellen. So lagen die betroffenen Energiemengen 2015 und 2016 bei rund 3 Prozent des jährlichen Bruttoinlandstromverbrauchs. Für die Anpassung von konventionellen Kraftwerken haben die Netzbetreiber im vergangenen Jahr 219 Mio. Euro an Entschädigungen gezahlt (2015: 412 Mio.). Die Entschädigungen für die Abregelung von Erneuerbare-Energien-Anlagen im Rahmen des sogenannten Einspeisemanagements schlugen 2016 mit 373 Mio. zu Buche (2015: 478).
Sicherheitsreserven notwendig, sonst kommt der Strom aus der Kernkraft
Deutschland verfügt mit nur 15,1 Minuten Stromausfall pro Kunde (2016) über das sicherste Stromnetz weltweit. Allerdings drohen mit dem Ausfall der Kohlekraftwerke Netzengpässe. Noch springen im Ruhrgebiet und im Osten die Braunkohlekraftwerke als Sicherheitsreserve für die hohen Fluktuationen aufgrund von Erneuerbaren Energien ein. Werden die Braunkohlekraftwerke zu früh stillgelegt, müssen einzelne Regionen Strom importieren. Der Osten würde den Strom der stillgelegten Braunkohlekraftwerke in der Lausitz durch Strom aus Polen oder der Tschechischen Republik ersetzen müssen. „Und grün ist dieser Strom beim besten Willen nicht. Polen erzeugt fast ausschließlich Strom aus Kohlekraftwerken, Tschechien betreibt zusätzlich zu Kohlekraftwerken ein großes Atomkraftwerk“, gibt Hinz zu bedenken. Nordrhein-Westfalen müsste Strom aus den Niederlanden importieren. Auch hier ist der Strom nicht grün, wenn die Niederlande beispielsweise ihren aus Belgien bezogenen Strom an den Westen weitergeben. Belgien betreibt neben Gas- und Kohlekraftwerken zwei Kernkraftwerke, letztere stehen aufgrund von Sicherheitsmängeln in der öffentlichen Kritik. Das alles klingt nach wenig Sachverstand auf dem Weg in eine „Clean Energy Zukunft“, die unbestritten das Ziel sein muss.
Klimaziele werden bis 2030 erreicht
Dennoch ist der VDE davon überzeugt, dass die vereinbarten Klimaziele eingehalten werden. Werden die Netze wie derzeit geplant ausgebaut, entspannt sich die Situation ab 2025 merklich. Denn dann greifen die HGÜ-Leitungen vom windreichen Norden in den Süden Deutschlands. „Diese Leitungen hätten wir um einiges früher fertig stellen können, wenn politische Ränkespiele in einzelnen Regionen Deutschlands die Fertigstellung nicht um Jahre verzögert hätte. Die Einsprüche gegen Freileitungen haben die Entwicklung merklich behindert“, erklärt der VDE-Chef die Verzögerung. „Ein geordneter Kohleausstieg ist sinnvoll. Das deutsche Stromsystem ist auch mit Wind und Sonne sicher, solange wir den Netzausbau inklusive IKT-Aufrüstung sowie die Sektorenkopplung vorantreiben. Dann erreichen wir die Klimaziele“, fasst Ansgar Hinz zusammen.
->Quelle: vde.com/vde-zum-kohleausstieg