Gravitationswellen zweier verschmelzender Neutronensterne stellen sich als schwierig heraus
„Ein gefeierter Gammablitz entpuppt sich als Sonderling“, schrieb Christian Speicher am 20.12.2017 in der Neuen Zürcher Zeitung – und: „Der kurze Gammastrahlenausbruch, der am 17.08.2017 simultan mit Gravitationswellen beobachtet wurde, bringt Astronomen ins Schwitzen. Denn das gängige Modell zur Erklärung dieser Blitze versagt.“
Die Beobachtung „GW170817“ – erste Gravitationswellendetektion einer binären Neutronen-Sternfusion – galt zwar als Sternstunde der Astronomie, denn der simultane Nachweis der so verschiedenen Wellentypen schien endgültig zu bestätigen, dass verschmelzende Neutronensterne die Quelle der häufig mit spezialisierten Weltraumteleskopen zu beobachtenden kurzen Gammablitze sind. Jetzt aber – so Speicher – weisen Beobachtungen mit verschiedenen Radioteleskopen darauf hin, dass der kurze Gammastrahlenausbruch (short gamma-ray burst = sGRB) untypisch gewesen und das favorisierte Modell zur Erklärung der kurzen Gammablitze überholungsbedürftig sei.
In einem am 20.12.2017 in nature erschienen Text relativieren Kunal Mooley vom California Institute of Technology und seine Kollegen die Anfangseuophorie: Anders als erwartet zeigten die Radiobeobachtungen dieser Kollision keinerlei Hinweise auf einen Jet – einen weit ins All hinausschießenden, stark gebündelten Materiestrahl. Stattdessen scheine ein Kokon aus ausgeworfener Materie die Energie der Explosion aufzunehmen. Licht mit Radiowellenlänge scheine mehr als 100 Tage nach GW170817 weiter. Diese Radiobeobachtungen deuten darauf hin, dass ein Strahl, der von den beiden Neutronensternen beim Aufprall gestartet wurde, in das umgebende Material eindringt und den langsameren, wabernden Kokon erzeugt.
„Wir denken, dass der Jet seine Energie in den Kokon schüttet“, sagt Gregg Hallinan, Assistenzprofessor für Astronomie bei Caltech. „Zuerst dachten die Leute, das Material aus der Kollision käme in einem Strahl wie ais einem Feuerschlauch heraus, aber wir stellen fest, dass der Materialfluss langsamer und breiter ist und sich wie eine Blase nach außen ausdehnt.
Die Radioemission – ursprünglich erkannt 16 Tage nach dem Ereignis vom 17. August und immer noch messbar und stärker werdend ab dem 2. Dezember – erzählt eine andere Geschichte. Wäre der Strahl schnell und strahlend gewesen, hätte sich das Funklicht mit der Zeit abgeschwächt, da der Strahl Energie verlor. Die Tatsache, dass die Helligkeit des Radiolichts zunimmt, deutet auf die Anwesenheit eines Kokons hin, der den Strahl erstickt. Der Grund dafür ist komplex, aber es hat damit zu tun, dass das langsamere, breitere Material des Kokons mehr Radiolicht abgibt als das sich schneller bewegende, scharf fokussierte Strahlmaterial. Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass GW170817 kein typisches sGRB war, wie ursprünglich angenommen.
„Standard sGRBs sind 10.000 mal heller als wir bei diesem Event gesehen haben“, sagt Hallinan. „Viele Leute dachten, dies sei darauf zurückzuführen, dass die Gammastrahlenemission ausserhalb der Achse und damit viel schwächer sei. Aber es stellt sich heraus, dass die Gammastrahlen aus dem Kokon kommen und nicht aus dem Jet. Es ist möglich, dass der Jet es geschafft hat, durch den Kokon auszubrechen, aber wir haben noch keine Beweise dafür gesehen. Es ist wahrscheinlicher, dass er vom Kokon gefangen und ausgelöscht wurde.“
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