Dresdner geben Verbrennungsmotor „zweite Chance“…

…mit synthetischem Kraftstoff

Synthetische Kraftstoffe: Zapfhähne für OME H2 und Solarstrom – Bild © PPP Schlögl, MPI CEC

„Bei Sunfire in Dresden retten sie dem Verbrennungsmotor vielleicht das Überleben“, schreibt Ralf Geißler auf mdr-AKTUELL. Denn die Firma produziert einen synthetischen Kraftstoff aus Luft und Wasser. Ihre Blue Crude-Anlage spaltet Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff auf, und verbindet letzteren dann mit CO2 zu dem neuartigen klimaneutralen Treibstoff Blue Crude.

Sunfire-Geschäftsführer Carl Berninghausen zum mdr: „Wir haben eine Demonstrationsanlage bei uns auf den Hof gebaut. Das ist eine kleine Raffinerie. Damit haben wir gezeigt, dass es geht und haben für Audi schon einige Tonnen Kraftstoff produziert. Als nächstes sollen an Orten, wo sehr viel erneuerbare Energie wie in Norwegen ist, erste kommerzielle Anlagen gebaut werden. Da sind wir in der Engineering-Phase.“

Designer Fuels hält Robert Schlögl, Direktor des Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr, für eine Technologie mit gewaltigem Potenzial: „Ich wehre mich schon mal gegen die Definition, dass der Verbrennungsmotor keine Zukunft hat. Das ist Blödsinn.“

Problem geringer Wirkungsgrad

Schlögl ist vielmehr überzeugt, dass synthetische Kraftstoffe, wie z.B. Oxymethylenether (OME, s.: solarify.eu/oxymethylenether-kraftstoffe), noch Jahrzehnte Verbrenner antreiben werden. Die Vorstellung, dass 2050 alle elektrisch fahren werden, hält er für unrealistisch: „Da können sie erst mal das Stromnetz an Kapazität verdoppeln. Da überlegen sie mal, wie viele Tonnen Kupfer sie dafür vergraben müssen. Wenn eine Million Autos elektrisch fahren, ist das kein Problem. Das packen wir locker. Aber wenn 40 Millionen Autos elektrisch fahren, da wäre ich mir nicht so sicher, ob wir das locker packen.“

Schlögl will im Rhein-Main-Gebiet mit Industriepartnern zwei E-Fuel-Großanlagen bauen. In fünf Jahren sollen damit dann  Frankfurt-Mainz-Wiesbaden die ersten Busse und Taxis fahren. Doch es gibt auch Skeptiker, wie den Autoexperten Stefan Bratzel von Auto-Institut – er kritisiert den niedrigen Wirkunsgrad der E-Fuels: „Wir müssen zum Beispiel über Elektrolyse diesen synthetischen Kraftstoff mit Strom erst mal herstellen und dann wird der über verschiedene Umwandlungsprozesse wieder zu Benzin gemacht. Das wiederum wird verbrannt. Das heißt, wir haben einen Wirkungsgrad, der sehr niedrig ist – rund elf Prozent in einer Lebenszyklus-Betrachtung.“

Verbrennungsmotor hat höhere Reichweite

Laut Bratzel ist es effizienter, die für die E-Fuel-Produktion benötigte riesige Strommenge direkt in Elektroautos einszupeisen. Bei Sunfire in Dresden sieht man Elektroautos aber gar nicht im Widerspruch zu synthetischen Kraftstoffen. Auch Schlögl nicht. Berninghausen meint, da ein Elektroauto  ja nicht sehr weit komme, könne, um die Reichweite zu erhöhen, ein zusätzlicher, mit synthetischem Kraftstoff angetriebener Motor Strom liefern. So würden auch Hybrid-Fahrzeuge klimaneutral: „Entscheidend ist, dass wir erneuerbare Kraftstoffe brauchen, weil sie eine superdichte Form von Energie sind. Viel dichter als jede Batterie zum Beispiel, die Energie speichern kann. Und weil man sie so gut transportieren kann. Das ist der eigentliche Grund, warum wir das brauchen.“

dena-E-Fuels-Studie – Titel © dena

[note E-Fuels senken Kohlendioxid massiv im gesamten Verkehr – Politik sollte strategische Agenda erstellen – E-Fuels aus erneuerbaren Quellen sind notwendig, um die EU-Klimaschutzziele des Verkehrssektors zu erreichen; der Endenergiebedarf aller Verkehrsträger der EU im Jahr 2050 wird selbst in einem stark batterieelektrifizierten Verkehrsszenario zu mehr als 70 Prozent von E-Fuels gedeckt werden; die derzeit noch hohen Kosten für E-Fuels werden sinken. Das sind die Kernaussagen der am 08.11.2017 in Berlin präsentierten Studie „E-Fuels – The potential of electricity-based fuels for low emission transport in the EU“ von dena und Ludwig-Bölkow-Systemtechnik (LBST) im Auftrag des VDA. Siehe: solarify.eu/e-fuels-notwendig-fuer-eu-klimaziele]

strong>Ein Liter Kraftstoff kostet 2,50 Euro

Ein weiteres Argument ist der Schwerlastverkehr oder große Baumaschinen. Berninghausen sagt zu mdr-Geissler, „LKW oder Flugzeuge seien für Elektroantriebe auf weiten Strecken zu schwer. Über den synthetischen Kraftstoff bekomme man sie ökologisch bewegt. Bleibt die Frage: Was kostet ein Liter des Öko-Benzins? Berninghausen überlegt kurz. 2,50 Euro aus der Pilotanlage. Im Industriemaßstab ließe sich das auf 1,20 Euro drücken.“ Das ist auch Schlögls Hoffnung.

[note Vom Klimakiller zum Innovationstreiber – CO2-Nutzung kommt in praktische Anwendung – „Bei der Pressepremiere am 21.04.2015 klemmte es zwar zunächst, schrieb die Berliner taz, „aber dann floss der ‚grüne Diesel‘ doch in den Tank von Forschungsministerin Wankas Audi. Der von der Dresdner Firma Sunfire aus Wasser und CO2 hergestellte synthetische Kraftstoff war eines des Highlights der Berliner Konferenz Chemische Prozesse und die stoffliche Nutzung von CO2„. Vom Klimakiller zum Innovationstreiber: Das Klimagas CO2 steht mit Forschungshilfe vor einer neuen Karriere als Industrierohstoff.]

„Power-to-Liquids-Technologie“

Das sunfire-Konzept basiert auf der so genannten „Power-to-Liquids-Technologie“. Das dreistufige Verfahren mit einem Systemwirkungsgrad von etwa 70 Prozent ermöglicht es, CO2, das unter anderem bei der konventionellen Nutzung fossiler Energieträger entsteht, zu synthetischen Kraftstoffen für Autos oder Flugzeugen aufzubereiten und damit doppelt zu nutzen. Dadurch ergibt sich sowohl eine deutliche CO2-Einsparung, als auch das Potenzial, andere Emissionen und Ressourcen einzusparen.

Für die Analyse verwendeten die Forscher den Well-to-Wheel (vom Rohmaterial bis zum Rad)-Ansatz und betrachteten die Produktion und Aufbereitung sowie die Verteilung und Nutzung des Kraftstoffs. Im Mittelpunkt standen dabei die Wirkungen auf mehreren ökologischen Problemfeldern wie zum Beispiel Treibhauseffekt, Versauerung der Böden, Überdüngung, Sommersmog und Ressourcenverbrauch. Die letztgenannten, bei einem Kraftstoff zunächst überraschend scheinenden Kriterien wurden in die ökobilanzielle Analyse integriert, da der Anbau von nachwachsenden Rohstoffen für die Herstellung der als Vergleichssysteme herangezogenen Biokraftstoffe vergleichsweise landintensiv ist.

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