Umweltverbände fordern Kopplung sämtlicher Finanzentscheidungen an Nachhaltigkeitskriterien
Über 20 Verbände aus dem Natur-, Tier- und Umweltschutz haben am 08.01.2018 ihre Forderungen zum EU-Budget nach 2020 veröffentlicht. Hintergrund ist die zurzeit stattfindende EU-Konferenz, bei der hochrangige Vertreter aus Politik und Gesellschaft mit Haushaltskommissar Günter Oettinger bereits jetzt die Möglichkeiten und Entscheidungen des neuen Mehrjährigen EU-Finanzrahmens (MFR) diskutieren. Dieser ist das grundlegende Instrument der Finanzplanung und spiegelt die politischen Prioritäten der EU ab 2021 wider.
Die Verbände fordern die EU-Kommission auf, den MFR stärker als bislang an der Gesundheit und lebenswerten Zukunft der 500 Millionen Menschen in Europa auszurichten. Dazu gehört, den eingegangenen Verpflichtungen des Klimaschutzabkommens von Paris und der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) nachzukommen. Eine nachhaltige Entwicklung, die Erhaltung der Artenvielfalt und die Bekämpfung des Klimawandels müssen bei der Mittelverteilung zur alternativlosen Grundlage erklärt werden.
„Für ein lebenswertes Europa brauchen wir eine Haushaltspolitik, die eine gesunde Zukunft gestaltet statt die fossile Vergangenheit zu zementieren. Wenn wir wollen, dass sich die Menschen nachhaltig-moderne Lebensstile leisten können, muss bei der EU-Mittelverteilung grundlegend umgesteuert werden“, sagt Kai Niebert, Präsident des Umweltdachverbands Deutscher Naturschutzring (DNR).
Die deutschen NGOs befürchten, dass die Sicherstellung von sauberer Luft, Boden und Wasser zum Schutz des Menschen auch weiterhin nicht ausreichend beachtet wird. Bereits für den laufenden Haushalt hatte sich die EU-Kommission vorgenommen, mindestens 20 Prozent des Gesamtbudgets für den Klimaschutz aufzuwenden. Die entsprechenden rund 200 Milliarden Euro sollten für Maßnahmen in den Bereichen Strukturfonds, Forschung, Landwirtschaft, Meerespolitik sowie Fischerei und Entwicklung eingesetzt werden. Aktuellen Schätzungen der EU zufolge wird dieses Ausgabenziel nicht erreicht.
Auch beim derzeit größten Ausgabenpunkt, der gemeinsamen Agrarpolitik, fließt immer noch mehrheitlich Geld in eine umweltschädigende Landwirtschaft während der Naturschutz weiterhin unterfinanziert ist. Ebenso stehen Projekte wie der Bau von Erdgaspipelines oder Straßen- und Flugverkehrsprojekte den Nachhaltigkeitszielen entgegen. Stattdessen sollte die EU ihre Zahlungen auf Natur- und Umweltschutz, Tierwohl und unbelastete Nahrungsmittel verlagern.
„Wir leben in einer Zeit, in der es darum geht, die internationalen Umweltschutz-Verträge umzusetzen und zu einem Erfolg werden zu lassen. Die EU hat bei der Ausgestaltung des neuen mehrjährigen Haushaltsplans die einmalige Chance, mit Weitblick zu agieren und zum globalen Vorreiter für ein gesundes Leben und Arbeiten im europäischen Wirtschaftsraum zu werden“, unterstützt Ernst-Ulrich von Weizsäcker, Ko-Präsident des Club of Rome die Forderungen der Umweltverbände.
Neben den zusätzlichen Herausforderungen – Brexit, Migration, Verteidigung und Sicherheit – und damit einhergehend einem voraussichtlich sinkenden Budget bei zunehmenden Ausgaben, fordern die Verbände, die internationalen Klima- und Umweltschutz-Verpflichtungen als Blaupause zu nutzen: Bei sämtlichen Ausgaben muss genauestens geprüft werden, ob dadurch Nachhaltigkeitsziele gefährdet werden. Maßnahmen, die Umwelt, Gesundheit und Klima und infolgedessen die europäischen Volkswirtschaften unumkehrbar schädigen, dürfen nicht mehr subventioniert werden. Die Finanzmittel für Natur- und Umweltschutz müssen deutlich erhöht werden.
Der MFR bietet nach Überzeugung der Verbände eine entscheidende Chance der Neuausrichtung. Durch ihn kann eine Energie- und Verkehrswende eingeleitet sowie eine nachhaltige Industrie- und Agrarwende ermöglicht werden. Ferner kann dadurch die Richtung vorgegeben werden, um eine dringend notwendige Offensive im Natur- und Artenschutz durch die Einrichtung eines ausreichend ausgestatteten EU-Naturschutzfonds zu unterstützen.
Die Natur- und Umweltschutzorganisationen sehen die EU in einer zentralen Rolle innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft auf den Gebieten Klimaschutz, nachhaltige Energiewende, nachhaltige Lieferketten sowie Naturschutz. Die damit verbundene Verantwortung ist Herausforderung und Chance zugleich für eine lebenswerte, freiheitliche und solidarische Gesellschaft und eine intakte Umwelt für ein zukunftsfähiges und demokratisches Europa.
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