Neue BDI-Studie: Klimaschutz braucht Investitionsturbo
Die Treibhausgase bis 2050 um 80 Prozent zu verringern ist technisch und ökonomisch machbar. Zwingende Voraussetzung ist allerdings, energieintensive Unternehmen von klimapolitisch bedingten Zusatzlasten zu befreien, solange international nicht vergleichbare Bedingungen bestehen. Zu diesem Ergebnis kommt die im Auftrag des BDI entstandene Studie „Klimapfade für Deutschland“, die am 18.01.2018 im Rahmen eines Klimakongresses in Berlin vorgestellt wurde.
„Klimaschutz braucht einen Investitionsturbo“, so der BDI in einer Medienmitteilung zur Klimastudie. Wenn energieintensive Unternehmen von klimapolitisch bedingten Zusatzlasten befreit würden, solange international nicht vergleichbare Bedingungen bestehen, sei „ein 80-Prozent-Ziel sogar im nationalen Alleingang ohne Wachstumseinbußen, also mit einer schwarzen Null, möglich. Unter diesen Umständen werden Industrieunternehmen von ehrgeizigem Klimaschutz sogar profitieren.“
80 Prozent Treibhausgas-Verringerung zu erreichen, erfordere bis 2050 Mehrinvestitionen von etwa 1,5 Billionen Euro: „Dabei unterstellt die Studie eine optimale Umsetzung, auch durch die Politik. Eine 95-prozentige Treibhausgas-Reduktion dagegen würde nach heutigem Stand an erhebliche Akzeptanz- und Umsetzungsgrenzen stoßen und wäre nicht realistisch erreichbar. Sie wäre erst dann vorstellbar, wenn es global in allen wichtigen Wirtschaftsräumen vergleichbare Klimaschutzanstrengungen gäbe. Dazu sollte die künftige Bundesregierung ein unabhängiges Monitoring beauftragen. Die Mehrinvestitionen für dieses 95-Prozent-Szenario würden sich bis 2050 auf rund 2,3 Billionen Euro addieren.“
Deutsche Klimaschutzpolitik droht, auf drastische Erfüllungslücke zuzusteuern
„Politische Fehlsteuerung bleibt für den Klimaschutz das größte Umsetzungsrisiko“, warnte BDI-Präsident Dieter Kempf. „Ob Wohnen oder Verkehr, ob Industrie oder Landwirtschaft: Investitionen kommen nicht von alleine. Die deutsche Klimaschutzpolitik droht, auf eine drastische Erfüllungslücke zuzusteuern.“ Was klimapolitisch und gesamtwirtschaftlich Sinn ergebe, sei betriebswirtschaftlich nicht unbedingt rentabel. Der Studie zufolge klaffen klimapolitische Ziele und Mittel zu ihrer Erreichung erheblich auseinander: Ohne zusätzliche politische Anstrengungen seien 61 Prozent Treibhausgasminderung bis 2050 realistisch. Alle darüber hinausgehenden Investitionsentscheidungen fänden nur mit weiteren Anreizen statt, weil sie für den einzelnen Entscheider nicht ausreichend attraktiv seien.
„Nachhaltiger Klimaschutz eröffnet vielen unserer Unternehmen langfristig Chancen auf dem wachsenden Weltmarkt für klimaschonende Produkte und Prozesse“, betonte Kempf. „Richtig gemacht, unterstützt er die Modernisierung einer Volkswirtschaft.“ Der Staat müsse aber realistische und verlässliche Ziele vorgeben und die Umsetzung den Unternehmen überlassen, sagte Kempf. „Unflexible Sektorziele, Technologieverbote, beispielsweise von Verbrennungsmotoren, oder planwirtschaftliche Instrumente wie eine E-Auto-Quote sind der falsche Weg.“ Mit der Studie präsentiere der BDI eine fundierte Grundlage für die Diskussion um den Klimaschutzplan 2050, der die zukünftige Bundesregierung in diesem Jahr beschäftigen werde.
Die teils erheblichen betriebswirtschaftlichen Risiken seien umso größer, je stärker Branchen im internationalen Wettbewerb stehen. „Die deutsche Industrie ist in Wertschöpfungsnetzen organisiert. Gegen ein Wegbrechen dieser Verbünde bedarf es eines wirksamen Schutzes. Zumindest so lange, bis vernünftige, weltweit vergleichbare Rahmenbedingungen erreicht sind“, forderte der BDI-Präsident. Sonst würden Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Emissionen schlichtweg exportiert – und dem Klima wäre nicht geholfen.
Gefährlicher Schlingerkurs
„Die deutsche Klimaschutz- und Energiepolitik befindet sich auf gefährlichem Schlingerkurs. Den muss die Politik dringend korrigieren“, kritisierte Kempf. „Nach wie vor viel zu hohe Stromkosten, das Schneckentempo bei der energetischen Gebäudesanierung und eine fehlende gemeinsame Vision der zukünftigen Mobilität beunruhigen die deutsche Industrie“, warnte der BDI-Präsident. „Wir brauchen dringend einen Strategiewechsel im politischen Management der Energiewende von einer Strom- hin zu einer umfassenden Effizienzwende. Neue Impulse und wesentliche Kurskorrekturen sind dringend notwendig, damit Treibhausgas-Emissionen effektiv und kostengünstig vermieden werden.“ Klimaschutz sei ein gesamtgesellschaftlicher Kraftakt. Er erfordere enorme Investitionen quer durch die Volkswirtschaft und betreffe alle Bürgerinnen und Bürger in ihrem unmittelbaren Lebenshorizont.
Die Studie verdeutlicht das enorme Potenzial disruptiver Innovationen. Dazu gehören etwa Technologiedurchbrüche in der Wasserstoff-Wirtschaft oder beim Carbon-Capture-and-Use-Verfahren. „Wir brauchen eine technologieoffene Forschung und Unterstützung durch die Politik“, erklärte der BDI-Präsident.
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