Frage: Was ist aber mit dem Schutz der Menschen in den knapp 11.000 Städten und Kommunen ohne amtliche Messstelle?
Da kann die Luft so schmutzig sein, wie sie will – den hier wohnenden Menschen soll nicht geholfen werden. Frau Merkel hat gesagt: Diese eine Milliarde Euro steht ausschließlich den Schwerpunktregionen zur Verfügung, von denen die amtlichen Messpunkte melden, dass sie Luftreinhalteprobleme haben. Deswegen haben wir gesagt: Wir möchten darauf aufmerksam machen, dass es nicht 90, sondern über 300 Städte und Gemeinden sind, die ein Luftreinhalteproblem mit dem Dieselabgasgift NO2 haben. Unsere anlaufende „Winterspot-Messung“ findet im gesamten Februar 2018 mit einem Passivsammler-Messsystem statt, das auch in Städten wie Berlin für entsprechende Messungen eingesetzt wird, und das ausreichend genau ist.
Uns geht es bei den Messungen darum, die bisher offensichtlich unbekannten Hot Spots herauszufinden, Städte und Länder dazu zu bewegen, sofort Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung zu ergreifen und offizielle Messungen zu initiieren. Denn das Dieselabgasgift NO2 macht krank und verursacht viele tausend vorzeitige Todesfälle jährlich alleine in Deutschland.
Die Aktion ist nicht ganz billig: Wir rechnen mit 80.000 Euro Kosten, allein die Passivsammler kosten bereits 25.000. Ähnliche Aktionen, die wir medial begleitet und in unseren Klageverfahren nutzen konnten, wurden zuvor von GreenCity in München, dem Rundfunksendern rbb in Berlin und dem SWR in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz durchgeführt. Dadurch wissen wir, dass der Spitzenreiter der Luftbelastung in Rheinland Pfalz die Gemeinde Stadecken-Elsheim mit 54,6 mg NO2 ist und in Baden-Württemberg in Wiesloch mit 63,4 mg einer der höchsten Werte im Autoland gemessen wurde – fast so hoch wie in der Stuttgarter Innenstadt. Nur weil man halt bisher dort nicht gemessen hat, wird den Menschen nicht geholfen. Das werden wir mit unseren Messungen ändern.
Frage: Was war – rückschauend – der größte Erfolg der DUH?
In den 42 Jahren unseres Bestehens so einige. Wir haben schon in den 80er Jahren – etwa über die von uns auf der Basis von Einzeldaten mühsam zusammengetragene „Waldschadenskarte“ die Folge der Luftverschmutzung mit Schwefeldioxid dokumentiert und für die Abgasreinigung bei Kraftwerken gekämpft. Die Strategie von Bund und Ländern war damals, keine Übersicht zur Verfügung zu stellen. Es gab damals nur einzelne Daten, und es war ein großer Aufwand für die DUH, daraus eine jährlich aktualisierte Waldschadenskarte zu erarbeiten. Dasselbe Prinzip wenden wir übrigens jetzt mit unseren NO2-Messungen an, in die wir auch die Ergebnisse anderer Messaktionen einpflegen werden.
Der Kampf für die „Saubere Luft“ ist einer der ältesten Arbeitsschwerpunkte der DUH. Vor 30 Jahren kämpften wir für die Einführung des Katalysators für alle Benziner-Pkw und vor ziemlich genau 20 Jahren startete die DUH eine Kampagne für „schwefelfreie Kraftstoffe“. Es gelang uns seinerzeit, Umwelt-, Verkehrsverbände, ADAC, UBA sowie Teile der Autoindustrie als Partner zu gewinnen. Erst 16 Jahre später wollte die EU diese schwefelfreien Kraftstoffe verbindlich machen, die in den 90er Jahren erfolgreich in Japan und Kalifornien eingeführt wurden. Mit der Durchsetzung im Jahr 2001 ersparten wir der Luft viele Millionen Tonnen Schwefeldioxid, worüber sich auch unsere Bäume sehr gefreut haben.
Es ging uns aber vor allem darum, die Autokonzerne damit zu einer funktionierenden Abgasreinigung von Diesel-Fahrzeugen zu bewegen. Schwefel ist ein Katalysatorgift. Doch wir wurden getäuscht – anstatt wie versprochen Rußfilter und harnstoffgetriebene SCR-Katalysatoren einzusetzen, führten die Autokonzerne Politik und Bürger hinters Licht: Nur PSA in Frankreich baute Rußfilter bei Peugeot und Citroen Diesel-Pkw ein – der Verband der Automobilindustrie koordinierte das Verweigererkartell der deutschen Autobauer, das wir erst mit unserer nächsten Kampagne „Kein Diesel ohne Filter“ im Jahr 2004 aufbrechen und den Dieselpartikelfilter bei allen Neufahrzeugen durchsetzen konnten. Nächster Erfolg: Durchsetzung der Umweltzonen ab 2005 in über 90 Städten, Durchsetzung umweltbezogener Verbraucherschutzvorschriften, in dem wir gegen Handel und Industrie vor Gericht ziehen. Der Staat wagt es ja in Deutschland nicht mehr, sich mit den Großen der Wirtschaft anzulegen. Wir tun’s.
Frage: Was ist da los, wenn in den USA, Frankreich und andern Ländern Milliardenstrafen gegen die Autoschmieden verhängt werden, bei uns aber nicht?
Deutschlands Autobauer haben einen besonders großen Anteil am Dieselabgasbetrug und werden dafür von der Bundesregierung auch noch mit einer wettbewerbsverzerrenden Förderung belohnt. Die Konsequenz für die deutschen Automobilbauer ist 2017 der größte Absatzrekord bei Neufahrzeugen aller Zeiten. Anders in Frankreich: Hier müssen Renault-Nissan, PSA und Fiat 18 Milliarden Strafe wegen jahrelangem Abgasbetrugs an die Antibetrugsbehörde zahlen. In Deutschland wurde bisher kein einziger Euro Strafe von VW, Audi, Porsche, Daimler oder BMW gefordert. Im Gegenteil: Die Bundeskanzlerin wirbt für eine so genannte Umweltprämie, mit denen die Autokonzerne ihre besonders schmutzigen Ladenhüter wie Diesel-SUVs mit einer Rabattaktion verkaufen können. Sie erhalten als Dankeschön für den Betrug an 9 Millionen Betrugsdiesel sogar eine Dieselabsatzförderung mit Segen der Kanzlerin.
Deutschland hat aber seit einem Jahr ein bisher wenig bekanntes Vertragsverletzungsverfahren in Brüssel an der Backe, weil sich die Bundesregierung weigert, anders als in Frankreich Strafzahlungen von Volkswagen & Co zu fordern. 5.000 Euro pro verkauftem Betrugsauto sind möglich. Auch hier haben wir zwischenzeitlich zwei Verfahren eingeleitet und lassen momentan prüfen, ob für die Diesel-Porsche und den den VW-Touareg insgesamt mehrere hundert Mio. Euro Strafe durchsetzbar sind. Schuld an der schwer erträglich zynischen Entwicklung ist unter anderem das eheähnliche Verhältnis zwischen Automobilindustrie und Bundesregierung.
Folgt: Frage: Aber was kann man gegen die Macht der Konzerne tun?