Evonik und Siemens erzeugen mit Ökostrom aus CO2 Spezialchemikalien
Evonik und Siemens wollen gemeinsam im Forschungsprojekt Rheticus mithilfe von Strom aus erneuerbaren Quellen und Bakterien CO2 durch Elektrolyse- und Fermentationsprozesse in Spezialchemikalien umwandeln. Das Projekt wurde am 18.01.2018 gestartet und hat eine Laufzeit von zwei Jahren. Bis 2021 soll eine erste Versuchsanlage am Evonik-Standort im nordrhein-westfälischen Marl in Betrieb gehen, die Chemikalien wie Butanol oder Hexanol erzeugt – beides Ausgangsstoffe beispielsweise für Spezialkunststoffe oder Nahrungsergänzungsmittel. Im nächsten Schritt könnte eine Anlage mit einer Produktionskapazität bis 20.000 Tonnen pro Jahr entstehen. Denkbar ist auch die Herstellung anderer Spezialchemikalien oder Treibstoffe (siehe: solarify.eu/synthetische-treibstoffe). Wie die Presseabteilung von Evonik am 18.01.2018 mitteilte, sind rund 20 Wissenschaftler beider Unternehmen an dem Projekt beteiligt.
„Wir entwickeln eine Plattform, mit der chemische Produkte wesentlich günstiger und umweltfreundlicher als heute produziert werden können“, sagt Günter Schmid, technischer Verantwortlicher bei Siemens Corporate Technology. „Auf Basis unserer Plattform können Betreiber ihre Anlagen künftig je nach Bedarf skalieren.“ Die neue Technologie vereint mehrere Vorteile. Mit ihr lassen sich nicht nur Chemikalien nachhaltig produzieren, sie dient zudem als Energiespeicher, kann auf Stromschwankungen reagieren und dazu beitragen, das Stromnetz zu stabilisieren. Rheticus steht im Zusammenhang mit der Kopernikus-Initiative für die Energiewende in Deutschland, die nach neuen Lösungen für den Umbau des Energiesystems sucht. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert Rheticus mit 2,8 Millionen Euro.
„Mit der Rheticus-Plattform wollen wir zeigen, dass künstliche Photosynthese machbar ist“, sagt Thomas Haas, verantwortlich für das Projekt der Creavis, der strategischen Innovationseinheit von Evonik.
Bei der künstlichen Photosynthese werden – ähnlich der Reaktion im grünen Blatt – mit einer Kombination von chemischen und biologischen Schritten CO2 und Wasser in Chemikalien umgewandelt – Pflanzen tun das mithilfe von Chlorophyll und Enzymen, um Glukose zu synthetisieren. In die Forschungskooperation bringen Siemens und Evonik jeweils ihre Kernkompetenzen ein. Siemens liefert die Elektrolysetechnik, mit der im ersten Schritt CO2 und Wasser mit Strom in Wasserstoff und Kohlenmonoxid (CO) umgewandelt werden.
Evonik steuert das Fermentationsverfahren bei, also die Verwandlung CO-haltiger Gase zu Wertstoffen durch Stoffwechselprozesse mithilfe spezieller Mikroorganismen. Im Rheticus-Projekt werden beide Schritte – Elektrolyse und Fermentation – aus dem Labormaßstab in einer technischen Versuchsanlage zusammengeführt. „Rheticus bündelt die Kompetenzen von Evonik und Siemens. Das Forschungsprojekt zeigt, wie wir die Power-to-X-Idee in die Anwendung bringen“, sagt Karl Eugen Huthmacher vom BMBF.
Die Erzeugung von Chemikalien mithilfe von Strom ist eines aus der Reihe des Power-to-X-Konzeptes. Als eine der vier Säulen der Kopernikus-Projekte (siehe: solarify.eu/kopemikus-groesstes-energie-forschungsprojekt-des-bmbf) soll es helfen, erneuerbare, elektrische Energie sinnvoll umzuwandeln und zu speichern. Zugleich trägt die Rheticus-Plattform dazu bei, die Kohlendioxidbelastung der Atmosphäre zu reduzieren, da das CO2 als Rohstoff verwendet wird. So würde beispielsweise die Herstellung von einer Tonne Butanol drei Tonnen Kohlendioxid benötigen.
Evonik und Siemens sehen in der Rheticus-Plattform großes Potenzial für die Zukunft. So lässt sich die gewünschte Größe von Anlagen einfach verwirklichen – die chemische Industrie kann sie flexibel an lokale Gegebenheiten anpassen. Sie könnten künftig überall dort installiert werden, wo CO2 vorhanden ist – etwa aus Kraftwerksabgasen oder Biogas.
„Der modulare Charakter und die Flexibilität hinsichtlich Standort, Rohstoffquellen und den hergestellten Produkten machen die neue Plattform insbesondere für die Spezialchemie attraktiv“, so Haas. „Wir setzen darauf, dass auch andere Firmen die Plattform nutzen und mit eigenen Modulen zur Herstellung ihrer chemischen Produkte verknüpfen.“ ergänzt Schmid.
Das Projekt wurde in der Erstausgabe der neuen Fachzeitschrift nature catalysis veröffentlicht.
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