Computer entwirft optimierte Quantenexperimente
Am Anfang steht ein leerer Labortisch für photonische Quantenexperimente. Der künstliche Agent versucht nun neue Experimente zu entwickeln, indem er Spiegel, Prismen oder Strahlteiler virtuell auf dem Tisch anbringt. Führen seine Aktionen zu einem sinnvollen Ergebnis, merkt der Agent sich das und greift bei späteren Versuchen wieder darauf zurück. „Dieses bestärkende Lernen unterscheidet unser Modell von einer automatischen Suche, die immer durch ein zufälliges Verhalten gesteuert ist“, erklärt Alexey Melnikov vom Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck. „Der künstliche Agent führt auf dem virtuellen Labortisch Zehntausende von Experimenten durch. Wenn wir im Gedächtnis der Maschine die Ergebnisse analysieren, sehen wir, dass sich bestimmte Strukturen entwickelt haben“, erklärt sein Kollege Hendrik Poulsen Nautrup. Einige dieser Strukturen sind den Physikern bereits als nützliche Werkzeuge aus modernen quantenoptischen Labors bekannt. Andere sind völlig neu und könnten in Zukunft im Labor zum Einsatz kommen. „Während die automatische Suche mit jeder Lösung zufrieden ist, sucht die intelligente Maschine immer den besten Weg, wie etwas umgesetzt werden kann, und generiert so optimierte Experimente“, verdeutlicht Melnikov. „Und manchmal liefert sie auch Antworten auf Fragen, die wir gar nicht gestellt haben.“
Kreative Unterstützung im Labor
In Zukunft wollen die Wissenschaftler das lernfähige Programm noch weiter ausbauen. Zurzeit ist die Maschine noch darauf getrimmt, einzelne Probleme selbstständig zu lösen. Aber damit ist sie weiterhin nur ein Werkzeug, das von Wissenschaftlern gezielt eingesetzt werden muss. Kann eine Maschine aber auch mehr als nur ein Werkzeug sein? Wird die Maschine der Zukunft eine kreativere Rolle an der Seite des Wissenschaftlers spielen? Dies sind die Fragen, die sich die Wissenschaftler stellen und nur die Zukunft wird zeigen, welche Rolle die künstliche Intelligenz tatsächlich im Labor spielen wird.
[note Quantenphysik: Computer entwirft originelle Experimente (22.02.2016) – Algorithmus arbeitet nicht intuitiv – wie die Quantenwelt auch.
Quantenphysik ist nicht intuitiv – viele der Phänomene der Quantenwelt haben keine klassische Entsprechung: In der Quantenwelt hat eine Münze nicht entweder Kopf oder Zahl, sondern kann beide Seiten gleichzeitig annehmen. Um solche Phänomene besser zu verstehen, sind Experimente in Laboren unverzichtbar. Quantenphysiker um Mario Krenn, Doktorand aus der Gruppe von Anton Zeilinger haben dazu einen Computeralgorithmus entwickelt, der neue nützliche Experimente konzipiert. Da der Computer gänzlich ohne menschliche Intuition arbeitet, findet er innovative Lösungswege. Die aktuelle Studie (Erstautor: Krenn) dazu erscheint im Fachmagazin Physical Review Letters. Auf die Idee kamen die Physiker, als sie einen neuen Quantenzustand im Labor untersuchen wollten, jedoch kein entsprechendes Experiment für seine Erzeugung finden konnten. „Nach vielen erfolglosen Versuchen, eine experimentelle Implementation zu finden, kamen wir zum Schluss, dass unsere menschliche Intuition zu diesem Phänomen die falsche Herangehensweise war. Schlussendlich probierten wir sogar zufällige Kombinationen von Bauelementen aus. Und das ist etwas, was ein Computer auch kann – jedoch tausende Male schneller“, so Krenn.
Nach wenigen Stunden hatte der Computer-Algorithmus Melvin tatsächlich die Antwort auf ihre Frage gefunden. Und die Struktur der Antwort war überraschend, erklärt Zeilinger: „Ein Mensch würde sich bei einem Experiment intuitiv Anordnungen überlegen, welche die Symmetrie des Zustandes reflektieren. Melvin hat uns jedoch gezeigt, dass die einfachsten Realisierungen durchaus asymmetrisch, und daher nicht intuitiv sein können. Ein Mensch würde wahrscheinlich nicht auf diese Lösung kommen“. Die Physiker haben ihren Algorithmus noch auf andere Fragen angewandt und so dutzende neue und teilweise überraschende Antworten bekommen – Krenn: „Die computergenerierten Lösungen sind ziemlich kompliziert, aber wir konnten bereits einige neue experimentelle Tricks in unseren Laboren umsetzen, an die wir zuvor nicht gedacht haben“. Melvin rechnet nicht nur zufällige Kombinationen aus experimentellen Bausteinen, sondern lernt von seinen früheren Ergebnissen, was die Lösungsmöglichkeiten für kompliziertere Fragen signifikant erhöht. In Zukunft möchten die Physiker ihren Algorithmus auch auf allgemeinere Fragen in der Quantenphysik anwenden: „Wir hoffen, das hilft uns für die Untersuchung von neuen Quantenphänomenen im Labor“, so Krenn abschließend.]
Folgt: Melvin stößt auf verborgene Brücke zwischen Quantenphysik und mathematischer Graph-Theorie