Melvin stößt auf verborgene Brücke zwischen Quantenphysik und mathematischer Graph-Theorie
Am 19.12.2017 teilte die Universität Wien mit: „Bei der Beantwortung einer quantenphysikalischen Fragestellung durch den Algorithmus Melvin wurde Mathematik aus dem Bereich der Graph-Theorie entdeckt. Forscher fanden bei der Untersuchung von Melvins ungewöhnlichem Berechnungsweg, der außerhalb der menschlichen Intuition liegt, einen tieferen Zusammenhang zwischen der experimentellen Quantenphysik und dieser mathematischen Theorie. Darüber berichten sie in Physical Review Letters. Dass zur Lösung quantenphysikalischer Fragestellungen künftig Computer-Algorithmen gerade da einen entscheidenden Beitrag leisten könnten, wo die menschliche Logik nicht weiter kommt, zeigte nun Melvin. Der Algorithmus wird zwar eigentlich für die Berechnung von technischen Lösungen für quantenphysikalische Experimente trainiert. Doch bei einer 2016 gestellten allgemeinen Frage lieferte Melvin einen Lösungsansatz, der sich als überraschend praxistauglich erwies – aber dem menschlichen Verständnis zunächst gänzlich entzog. „Die Lösung ließ sich praktisch zwar in Form eines Experiments im Labor umsetzen“, bestätigte Krenn. „Doch wir haben zunächst nicht verstanden, wie das tatsächlich funktioniert“.
Bis die Forscher auf eine bemerkenswerte Zahlenfolge stießen, die nur in der sogenannten Graph-Theorie bekannt war – einem sehr hoch entwickelten Bereich der Mathematik, mit dem bisher Netzwerke wie das Internet oder neuronale Netze beschrieben wurden. Der ungewöhnliche Lösungsweg veranlasste die Wissenschaftler dazu, die rätselhafte Verbindung weiter zu untersuchen. Inzwischen ist klar: Es gibt große Übereinstimmungen zwischen der experimentellen Quantenphysik und der mathematischen Graph-Theorie: Werden zur Berechnung und Planung eines Quantenexperiments Methoden und Kenntnisse aus der Graph-Theorie eingesetzt, lassen sich sehr exakte und neuartige Aussagen über die Ergebnisse treffen. „Eigenschaften von Quantenexperimenten können mithilfe der Graph-Theorie berechnet werden und Fragestellungen in der Graph-Theorie können in Quantenexperimenten beantwortet werden“, erklärt Krenn. Auf diese Weise ist es etwa auch möglich, Quantentechnik als Graph oder Netzwerk zu begreifen, um damit neue experimentelle Wege zu beschreiten. Auch für Quantenphysiker Anton Zeilinger ist diese, dank Melvin entdeckte Brücke überaus vielversprechend. „Es hat uns sehr überrascht zu sehen, dass es zwischen Quantenphysik und Mathematik einen neuen tiefen Zusammenhang gibt. Es ist zu erwarten“, so Zeilinger, „dass diese Erkenntnis für die Entwicklung beider Gebiete künftig von großer Bedeutung sein wird.“
->Quellen:
- Alexey A. Melnikov, Hendrik Poulsen Nautrup, Mario Krenn, Vedran Dunjko, Markus Tiersch, Anton Zeilinger, und Hans J. Briegel, beigesteuert von Anton Zeilinger, 14.11.2017 (zur Begutachtung eingereicht am 24.08.2017; begutachtet von Jacob D. Biamonte und Jonathan P. Dowling: Active learning machine learns to create new quantum experiments in: pnas.org/content/early/2018/01/17/1714936115
- Mario Krenn, Xuemei Gu, and Anton Zeilinger: Quantum experiments and graphs: Multiparty states as coherent superpositions of perfect matchings, , Phys. Rev. Lett., 2017 – https://doi.org/10.1103/PhysRevLett.119.240403
- Mario Krenn, Mehul Malik, Robert Fickler, Radek Lapkiewicz, Anton Zeilinger: Automated Search for new Quantum Experiments, in: Physical Review Letters, 22.02.2016, http://arxiv.org/abs/1509.02749
- https://www.uibk.ac.at/newsroom/maschinelles-lernen-im-quantenlabor.html.de
- https://medienportal.univie.ac.at/presse/aktuelle-pressemeldungen/detailansicht/artikel/melvin-stoesst-auf-verborgene-bruecke-zwischen-quantenphysik-und-mathematischer-graph-theorie/
- chemie.de/news/1153007/kreative-unterstuetzung-im-labor.html