Troll- und Desinformations-Kampagne von „Diesel-Leugnern“
Die EUGT wurde 2007 gegründet, als Volkswagen in den USA, wo strengere Stickoxid-Grenzwerte als in Europa gelten, eine große Marketingkampagne für den bis dato schlecht angesehenen Dieselmotor vorbereitete. Ihr Geschäftsführer Michael Spallek war damals als Chief Medical Officer für den Nutzfahrzeugbereich von Volkswagen zuständig (die EUGT nannte sich zwar unabhängig, doch NDR-Recherchen zufolge bestanden enge personelle Verflechtungen: So soll Spallek seine E-Mails von seiner VW-Adresse verschickt haben – inklusive VW-Signatur). Auto-Experte Axel Friedrich sagte damals dem NDR, dass Volkswagen, Daimler, BMW und Bosch die EUGT 2007 mit einem Ziel gegründet hätten: „Probleme nach unten zu spielen; das machte sie sehr erfolgreich.“ Die Aufgabe der EUGT sei es gewesen, immer neue Zweifel an den seit langem bekannten Gesundheitsgefahren der Dieselpartikel und Stickstoffdioxide zu säen und immer neue Absicherungen zu verlangen.
Weil aber die gesundheitsschädlichen Auswirkungen des Diesels trotz allem immer mehr in den Blickpunkt rückten (auch alberne Werbespots halfen da wenig, s.re.), nahmen in Europa die Umweltzonen stark zu – und stellten bald eine Absatz-Bedrohung für die Autoschmiede dar. Die EUGT finanzierte daraufhin zwei Studien, die behaupteten, dass Umweltzonen nur marginalen Einfluss auf die Schadstoffbelastung hätten. Doch die Studien verwendeten eine zweifelhafte Methodik, so das Umweltbundesamt in einem 2017 veröffentlichten Bericht. Dennoch nahmen die Studien Einfluss: Sie wurden in Berichten der OECD und des National Institute for Health and Care Excellence zitiert, einer öffentlichen britischen Einrichtung, die Leitlinien für die Gesundheitsversorgung bereitstellt.
Die EUGT verschickte regelmäßig Newsletter – Zitat: „In diesem EUGT-Newsletter werden Denkanstöße gegeben. Ohne auf bestimmte Einzelprojekte oder Forschungsergebnisse der Forschungsvereinigung einzugehen, haben wir einen international anerkannten Risikoforscher gebeten, seine Sicht auf die Stolpersteine und Fallen in der Risikodiskussion darzustellen: pointiert und zweifellos auch kontrovers.“ Der Autor ist der Risikoforscher Prof. Dr. Peter Wiedemann („Wie kann man „möglicherweise krebserregend“ besser kommunizieren?“ – siehe: wiedemannonline.com/wie-kann-man-moglicherweise-krebserregend-besser-kommunizieren) – er sollte den Gedanken nahelegen, dass Risiken in der Regel überbewertet werden. Allerdings fanden auch Klimaskeptiker wie der „Wissenschaftsjournalist“ Dirk Maxeiner (Die Achse des Guten – Lexikon der Öko-Irrtümer) willkommene Aufnahme bei EUGT-Terminen (siehe: www.forum-bg.de/propaganda fur die industrie).
Der NDR erhob laut Stern Anfang 2016 schwere Vorwürfe gegen Volkswagen und weitere Autobauer sowie die EUGT (allerdings ist der Artikel auf der NDR-Seite nicht mehr auffindbar). Auch internationale Medien vermuteten eine Doppelstrategie von VW: Mit Betrugssoftware wurden die Abgaswerte geschönt, gleichzeitig verharmlosten sogenannte „unabhängige“ Experten mit Untersuchungsergebnissen die Gefahren der Dieselabgase.
So The Austalian im Herbst 2016: Unter dem Titel „Volkswagen bezahlt Pro-Diesel-Forschung“ warnte Schadstoffexperte James Tate: „Wenn die Autoindustrie versucht, so Einfluss auf die Debatte über Gesundheitsgefahren zu nehmen, ist das potenziell bedrohlich. Angesichts des möglichen Einflusses der Dieselabgase auf die Gesundheit und der historisch einmaligen Diskrepanz zwischen den Labor-Daten und den echten Emissionen ist es entscheidend, dass Wissenschaftler unabhängig arbeiten.“
Die britische Times hatte schon am 26.10.2015 vergleichbare Vorwürfe erhoben und stellte die Behauptungen der EUGT den Warnungen des angesehen King’s College London gegenüber. Nach dessen Angaben sterben fast 9.500 Menschen in Englands Hauptstadt jährlich vorzeitig als Folge der Luftverschmutzung. Die EUGT aber lege nahe, „dass die wissenschaftlichen Daten nicht ausreichen, um eine Auswirkung von Stickoxiden auf die Bevölkerung nachzuweisen, und dass nur die Gesundheit von bereits vorgeschädigten Personen, wie etwa Asthmatikern, von Diesel-Abgasen beeinflusst wird“. Sollten diese Vorwürfe zutreffen, wäre das eine klassische Troll- und Desinformationsstrategie, bei der anstelle eigener substanzieller Forschung nur Zweifel an anderen Theorien gesät werden. Analog zum Klimawandel könnte man dann den Vorwurf erheben, dass VW eine Gruppe professioneller Diesel-Leugnern finanziere.
Etliche Branchenmagazine fielen allerdings – ob bewusst oder nicht, ist unklar – auf die EUGT herein – so die Deutsche Verkehrszeitung: Am 20.07.2009 „warnte die EUGT vor einer Überspitzung in der Diskussion um gesundheitliche Auswirkungen von Feinstaub-Immissionen. Mittlerweile gibt es in Deutschland über 30 Umweltzonen. Neben dem Verkehr trügen jedoch zahlreiche andere Quellen wie Heizungsanlagen, industrielle Abgase oder auch die Landwirtschaft zur Luftbelastung mit Feinstaub bei. Aus Sicht des Verbandes dürften die verkehrsbedingten Emissionen nicht isoliert betrachtet werden. ‚Inwieweit Umweltzonen tatsächlich zu einer deutlichen Verbesserung der Luftqualität führen und damit auch zu einer Verbesserung der Gesundheit beitragen, ist bislang nicht abzuschätzen‘, wird Prof. Helmut Greim, Vorsitzender des Forschungsbeirats der EUGT, in einer Pressemitteilung zitiert. Forschungsbedarf sieht die EUGT jedoch nicht nur mit Blick auf Emissionsquellen, sondern insbesondere hinsichtlich der Abgrenzung der Wirkungen einzelner Luftschadstoffe. Neben Feinstaub spielten andere Luftkomponenten, wie NO2 oder Ozon eine bedeutende Rolle. Allerdings würden diese nicht getrennt voneinander betrachtet. „Es steht zwar völlig außer Frage, dass Feinstaub ein gesundheitliches Problem darstellt. Allerdings ist ein Mensch niemals nur einem Luftschadstoff allein ausgesetzt“, zitiert die Mitteilung Prof. David Groneberg, Direktor des Instituts für Arbeitsmedizin der Berliner Universitätsklinik Charité und Mitglied im EUGT-Forschungsbeirat.“