Der kleinste Roboter der Welt

Soft-Body-Roboter mit multimodaler Fortbewegung bahnt sich Weg durch geschlossene Räume

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme haben einen nur vier Millimeter großen, magnetisch gesteuerten Softroboter erfunden, der durch unebenes Gelände laufen, kriechen oder rollen, Lasten tragen, auf die Wasseroberfläche klettern und sogar darin schwimmen kann. Die Inspiration kommt von Weichkäferlarven und Raupen und sogar Quallen, die als biologische Vorbilder dienen. Eines Tages könnte dieser Kleinroboter eine gezielte Wirkstoffabgabe oder minimal-invasive Chirurgie ermöglichen, hoffen die Forscher.  Seine mehrfache Fortbewegungsfähigkeit in komplexen Umgebungen ist so einzigartig, dass das Wissenschaftsmagazin nature die Ergebnisse in seiner Februar-Ausgabe veröffentlichen wird. Online geschah das berfeits am 24.01.2017.

Milli-Roboter im Vergleich mit einem Zwei-Cent-Stück – Foto © MPI für Intelligente Systeme

Die Fähigkeit, sich in einer komplexen Umgebung leicht bewegen zu können, sei es an Land, auf oder in einer Flüssigkeit, macht diesen Softroboter einzigartig. Er ist nur vier Millimeter groß, flach wie ein rechteckiges Blatt Papier und besteht aus einem weichen, elastischen Polymer. Während andere existierende Kleinroboter eine sehr eingeschränkte Mobilität haben und nicht in der Lage sind, durch unebenes Gelände zu navigieren oder Hindernisse zu überwinden, kann dieser Roboter ohne physische Eingriffe leicht vom Schwimmen durch Flüssigkeiten in die Bewegung auf festen Oberflächen übergehen. Es kann auch Ladung aufnehmen, transportieren und an anderer Stelle deponieren. Obwohl er keine Beine hat, kann sich dieser Roboter so frei bewegen wie eine Raupe.

„Wir haben uns den physikalischen Mechanismus der Fortbewegung weicher Raupen und Quallen angeschaut und uns von ihnen inspirieren lassen. Das Ergebnis ist, dass unser Millirobot eine Mischung aus kleinräumigen Weichkörpern wie Käferlarven, Raupen, Spermatozoiden und Quallen ist“,  sagt Prof. Metin Sitti, Direktor der Abteilung Physical Intelligence am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart. Die Wissenschaftler nutzen externe Magnetfelder, um Drehmoment auf magnetische Partikel auszuüben, die in den weichen Elastomerkörper des Roboters eingebettet sind, um die Körperform des Roboters zu verändern und ihn zu steuern. Durch seine Körperverformungen kann der Roboter auf Oberflächen gehen oder rollen, Hindernisse überspringen, durch enge Tunnel kriechen, auf die Krümmung der Wasseroberfläche klettern und im oder auf dem Wasser schwimmen. Es ist diese multimodale Fortbewegung, die es dem Roboter ermöglicht, leicht durch verschiedene flüssige und feste unebene Geländeformen zu navigieren und zu passieren, was ihn einzigartig macht. Zusätzlich kann er ein Objekt aufnehmen, transportieren und über seine Körperformwechselkontrolle wieder freigeben. Künftig kann unser Roboter Medikamente transportieren und an den gewünschten Ort bringen, wo sie am dringendsten benötigt werden, ähnlich wie bei einer Haustürlieferung“, hofft Metin Sitti. „Wir würden es für minimal-invasive medizinische Anwendungen im menschlichen Körper verwenden: Es würde durch Schlucken oder durch einen Hohlraum auf der Haut abgegeben und seinen Weg durch die Verdauungs- oder Harnwege, die Bauchhöhle oder die Herzoberfläche finden.“

Die Erfindung von kleinen, ungebundenen Robotern für medizinische Zwecke wie die nicht-invasive Chirurgie steht im Mittelpunkt der Abteilung Physical Intelligence unter der Leitung von Metin Sitti, einem von sieben Direktoren des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme. Viele Projekte, an denen er und sein Team von Wissenschaftlern arbeiten, sind neuartige intelligente mobile Milli- oder Mikro-Roboter für medizinische Anwendungen. Die Größen von robots´ reichen von wenigen Millimetern bis hinunter zu einigen hundert Mikrometern.

Bisher wurde der von der Raupe inspirierte Softroboter in einem synthetischen chirurgischen Magenmodell und Hühnergewebe getestet. Sitti’s Team, bestehend aus Wenqi Hu, Guo Zhan Lum und Massimo Mastrangeli, navigierte und steuerte den Roboter erfolgreich in solchen Umgebungen mittels Ultraschallbildführung. Sitti hofft, dass dieser Roboter eines Tages zu einem Standard im Gesundheitswesen werden wird, um einen nicht-invasiven Zugang zu geschlossenen Räumen zu ermöglichen, wie z.B. zu den noch nie dagewesenen oder schwer zugänglichen, engen Bereichen im menschlichen Körper. Derzeit ist es nicht möglich, viele kleine Regionen im menschlichen Körper ohne Operation zu erreichen, aber unser Ziel ist es, diese Regionen nicht invasiv zu erreichen und diagnostische und therapeutische Eingriffe mit unseren Softrobotern durchzuführen“, meint Sitti.

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