Abgasversuche auch an Menschen

Autokonzerne verbrämten zynische Lobbyarbeit wissenschaftlich

Einem Bericht der Stuttgarter Zeitung zufolge hat der von großen Autmobilunternehmen finanzierte Verein „Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor“ (EUGT, 2007-2017) neben den Experimenten mit Affen (siehe: solarify.eu/nyt-zu-tricks-der-diesel-leugner-autoindustrie-hat-ruf-ruiniert) auch einen Versuch an Menschen finanziert. Daimler ging inzwischen voll auf Distanz, Volkswagen teilweise – von BMW und Bosch fehlen Stellungnahmen.

Diesel-Auspuff – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Die EUGT habe ein Experiment gefördert, bei dem Probanden dem Reizgas Stickstoffdioxid (NO2), wichtiger Bestandteil von Dieselabgasen, ausgesetzt worden seien. Bei der 2016 veröffentlichten Studie hätten in einem Labor der Uniklinik Aachen 25 gesunde Studenten mehrere Stunden lang NO2 in unterschiedlichen Konzentrationen eingeatmet und seien anschließend untersucht worden. Nach Einschätzung der EUGT habe die Studie ergeben, dass keine Wirkung festgestellt werden konnte, hieß es weiter.

Daimler distanziert sich

Der Leiter des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Uni-Klinik Aachen, Thomas Kraus, erklärte dem Bericht zufolge, die 2016 veröffentlichte Studie sei nur bedingt aussagekräftig. Die Befunde ließen sich nicht auf die Gesamt-Bevölkerung übertragen. Zudem sei Stickstoffdioxid nur ein Teil der gesamten Luftbelastung.

VW-Betriebsrat und Wirtschaftsminister fordern Aufklärung

VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh forderte indes gegenüber der Welt (Der große Irrtum vom Ende des Dieselskandals) eine umfassende Aufklärung. Die Manager, die an den Tierversuchen verwickelt waren, müssten zur Rechenschaft gezogen werden. „Wenn das so stimmt, dann hat das mit einwandfreiem ethisch-moralischen Verhalten nichts, aber auch gar nichts zu tun“, sagte Osterloh der Zeitung – von den Menschenversuchen wusste er zum Zeitpunkt seiner Erklärung anscheinend noch nichts.

Der niedersächsische Wirtschaftsminister und VW-Aufsichtsrat  Bernd Althusmann bezeichnete die Tierversuche  als „absurd und unentschuldbar“. Er erwarte neben einer vollständigen Aufklärung und einem umfassenden Bericht an den Aufsichtsrat „harte personelle Konsequenzen“ für die dafür Verantwortlichen. Die sollten umgehend ermittelt werden. „Wer mit anderen Autobauern auf solche Ideen kommt, sollte zur Rechenschaft gezogen werden.“ Althusmann sagte, er sei sicher, dass Vorstand und Aufsichtsrat von Volkswagen in dieser Frage eng kooperierten.

Daimler und VW entschuldigen sich

Daimler reagierte am 28.01.2017 laut Stuttgarter Zeitung „erschüttert“ auf beide Studien, verurteilte die Versuche „auf das Schärfste“ und distanzierte sich von der EUGT – so jedenfalls ein Sprecher. Deren Vorgehen „widerspricht unseren Werten und ethischen Prinzipien“. Auch wenn Daimler keinen Einfluss auf den Versuchsaufbau gehabt habe, habe man eine umfassende Untersuchung eingeleitet. VW äußerte sich zunächst nur zu dem Affen-Experiment. Man nehme die Kritik daran „sehr ernst“ und entschuldige sich „für das Fehlverhalten und die Fehleinschätzung Einzelner“.

Pressemitteilung: Bundesregierung verurteilt scharf und fordert Aufklärung

Die Bundesregierung hat die Tests eines Forschungsvereins der Autoindustrie an Tieren und Menschen scharf verurteilt. Dieses Vorgehen „wirft viele kritische Fragen an diejenigen, die hinter diesen Tests standen, auf“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in der Regierungspressekonferenz. Die Autokonzerne hätten Schadstoffemissionen zu begrenzen und Grenzwerte einzuhalten und nicht die vermeintliche Unschädlichkeit von Abgasen zu beweisen.

  • Die Bundesregierung fordert die vollständige Aufklärung der Vorfälle. Alle Fragen müssen beantwortet werden. Den Kontrollgremien der beteiligten Auftraggeber komme dabei eine besondere Verantwortung zu, so Seibert.
  • Die Bundesregierung geht davon aus, dass die zuständigen Behörden auch die strafrechtliche Relevanz der Vorgänge eingehend prüfen. Seibert verwies aber auch auf die enorme Bedeutung der Autoindustrie für die Volkswirtschaft Deutschlands.

Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums sagte, Ressortchef Christian Schmidt habe kein Verständnis für Tests zum Schaden von Tieren und Menschen, die nicht der Wissenschaft dienten, ’sondern ausschließlich PR-Zwecken‘. Die Untersuchungskommission im Verkehrsministerium wird zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um zu prüfen, ob es weitere Fälle gibt.“

[note Solarify dazu: Diese Versuche können nur als ethikfreie Versuche gröbster Täuschung des Publikums gewertet werden. Denn in Wahrheit geht es bei NO2 doch um Langzeitrisiken relativ niedriger Konzentrationen (allerdings oft über den Grenzwerten) – wie zynisch ist es denn dann, junge Menschen kurze Zeit hohen Dosen auszusetzen, um dann zu sagen: „Keine Wirkung feststellbar!? Unglaublich: Es geht immer noch eine Stufe weiter auf der nach unten offenen Ansehensschwund-Skala (siehe edelmanergo.com/trust-barometer-2018)…]

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