Neue Bühnen in Pseudo-Fachzeitschriften
Im Wissenschaftsbetrieb seien sogenannte „Predatory Journals schon länger eine Plage“, schreibt das Portal klimafakten und zitiert einen Bericht des Londoner Guardian : „Publikationen, die ohne gründliche Prüfung, dafür aber gegen Bezahlung alle möglichen Aufsätze veröffentlichen“. Jetzt aber missbrauchen auch Klimaleugner offensichtlich derartige Druckwerke, um sich den Anschein von Seriosität zu verschaffen.
Um Erkenntnisse seriöser Klimaforschung von den meist an den Haaren herbeigezogenen Behauptungen aus der Klimaskeptiker-Szene zu unterscheiden, gab es bisher einen ziemlich guten Indikator: Man schaute, ob der jeweilige Autor schon in wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht hatte, wie viele Aufsätze, zu welchen Themen, etc.. Hatte jemand allerdings wenig vorzuweisen und veröffentlichte seine Texte stattdessen nur auf Blogs, als Gastbeiträge in Tageszeitungen oder als Papiere irgendwelcher (privaten) „Institute“, dann war jeweils Vorsicht angebracht.
Künftig könnte die Unterscheidung schwieriger werden, berichtet Graham Readfearn im britischen Guardian: Offensichtlich gelingt es Klimawandel-Leugnern zunehmend, ihre Publikationen in Fachjournale zu lancieren – jedenfalls in solchen mit niedrigen (oder gar keinen) Qualitätsstandards, den den sogenannten „Predatory Journals“ (wörtlich übersetzt „Raubtierzeitschriften„) – Zeitschriften (oder auch lediglich Websites), die lediglich den Anschein ernstzunehmender wissenschaftlicher Fachjournale erwecken. Viele von ihnen sitzen in Indien, und ihr Geschäftsmodell besteht schlicht darin, von den Autoren für die Publikation eines Aufsatzes zu kassieren.
Fake-Zeitschriften ohne echte „Peer-Reviews“
Zahlungen sind zwar auch bei seriösen Open AccessA(OA)-Zeitschriften üblich, aber dort werden eingereichte Artikel vor der Veröffentlichung stets Fachwissenschaftlern zur Prüfung vorgelegt. Die schauen sich die Methodik von Experimenten an, stellen kritische Rückfragen an die Autoren und prüfen die vorgebrachten Thesen und Forschungsergebnisse. Direkte Fachkollegen können oft als einzige Seriosität und wissenschaftlichen Rang einer Veröffentlichung wirklich einschätzen. Im modernen Wissenschaftsbetrieb ist diese sogenannte „Peer Review“ (zu deutsch etwa: „Kollegen-Begutachtung“) eines der wichtigsten Mittel der Qualitätssicherung. In „Predatory Journals“ fällt es völlig oder teilweise aus.
Readfearn schildert nun Fälle (s.u.), in denen Klimawandel-Leugner stark fehlerhafte Artikel oder gar wissenschaftlich wertlose in Journalen unterbrachten oder gar als Redakteure engagiert wurden. Die „Fachzeitschriften“ haben dabei stets wohlklingende Namen, bisweilen organisieren sie sogar Konferenzen (durch die Tagungsgebühren schon immer ein lukratives Geschäft). Gegen einen der größten Mitspieler in dieser zweifelhaften Branche, den „Verlag“ Omics aus Hyderabad, hat die US-amerikanische Handelsaufsicht im vergangenen Jahr ein förmliches Verfahren eröffnet (s.u.).
[note Schon wie voll Omics auf seiner Webseite den Mund nimmt, muss verdächtig machen: „Nutzen Sie die wissenschaftliche Forschung und Informationen aus unseren mehr als 700 führenden, von Experten begutachteten OA-Zeitschriften, die mit Hilfe von mehr als 50.000 Mitgliedern des Editorial Board und angesehenen Gutachtern sowie über 1000 wissenschaftlichen Verbänden in den Bereichen Medizin, Klinik, Pharmazie, Ingenieurwesen, Technologie und Management betrieben werden.“]
Ergebnis „systemischer Probleme“ des Wissenschaftsbetriebs
Hintergrund dieser Entwicklung seien, so ein im Guardian zitierter Wissenschaftler, „systematische Probleme“ des Wissenschaftsbetriebs: Junge Wissenschaftler würden gedrängt, möglichst viel zu veröffentlichen oder möglichst oft auf Konferenzen aufzutreten. Eine ganze Branche von Fake-Zeitschriften nutze das aus, so Readfearn – und diese Pseudo-Journals würden nun wiederum von Klima-Leugnern ausgenutzt. Im Ergebnis „kann irgendjemand irgendetwas in einer Zeitschrift veröffentlichen, deren Name offiziell klingt, in denen es aber keine der Sicherheitsvorkehrungen gibt, die in ernsthaften Fachzeitschriften existieren“. Abstruses Beispiel: Ein Artikel mit dem Titel Get Me Off Your Fucking Mailing List schafft es, für die Veröffentlichung im International Journal of Advanced Computer Technology akzeptiert zu werden.
The Guardian: Undurchsichtige Welt der Wissenschafts-Zeitschriften neues Terrain für Klimaleugner – Klimaskeptiker haben in unseriösen Wissenschafts-Journalen Plattformen gefunden, die ohne strenge Überprüfung publizieren
von Graham Readfearn
„Es gibt ein neues wissenschaftliches Journal, von dem Sie vielleicht noch nie gehört haben, das International Journal of Earth and Environmental Sciences. Es sagt, dass es ‚Wissenschaftler unterstützt, die für die wirkliche Innovation & Entdeckung schwitzen‘. Wenn Ihnen das ein wenig zu verschwitzt ist, wie wäre es dann mit einer weiteren neuen Zeitschrift, die auch International Journal of Earth and Environmental Sciences genannt wird? Oder, wenn Sie ein anspruchsvoller (und verschwitzter) Wissenschaftler sind, der einen Verlag sucht, der ‚bemüht ist, ein bemerkenswertes und differenziertes Forum für die Veröffentlichung bereitzustellen‘, dann ist vielleicht das International Journal of Environmental Sciences das bemerkenswerte Forum für Sie? Nein? Nur noch eins. Es gibt auch das International Journal of Environmental Sciences, das ‚qualitativ hochwertige Forschungsartikel‘ erwartet, die frei von Plagiaten, aber vielleicht nicht von Tippfehlern sind.“
Diese und Hunderte mehr Zeitschriften seien meist auf dem indischen Subkontinent oder in China angesiedelt und Teil einer Online-Industrie, die es Akademikern ermögliche, ihre Arbeiten gegen eine Gebühr und eine minimale, wenn überhaupt, Qualitätskontrolle zu veröffentlichen – so Readfearn. Einige seien bereits als „räuberisch“ (predatory) eingestuft worden, weil sie sich an Akademiker wenden würden, oft durch Spam-E-Mails, ohne Gebühren richtig offen zu legen oder einen Peer-Review-Service anzubieten, der ihrer Forschung die nötige Aufmerksamkeit schenken würde.
„Normale“ OA-Zeitschriften verdienen ihr Geld, indem sie Wissenschaftlern oder Institutionen vor der Veröffentlichung eine Gebühr für die Begutachtung und Prüfung eingereichter wissenschaftlicher Manuskripte in Rechnung stellen. Viele seriöse Verlage arbeiten auf diese Weise. Aber diese undurchsichtige Welt habe, schreibt Readfearn, eigene „Raubtiere“ – Klimaleugner, die fragwürdige Qualitätskontrollen ausnutzen, um ihre Arbeiten in den von den Verlegern als „peer-reviewed journals“ ausgegebenen Zeitschriften zu veröffentlichen, was in Wirklichkeit aber nicht der Fall sei.
Laut Guardian-Autor Readfearn hat Nils-Axel Mörner, schwedischer Wünschelrutengänger, Klimawandel-Leugner und emeritierter Geologe, mindestens sechs Zeitschriften für seine „Forschungen“ ins Visier genommen. Mörner behauptet darin, dass der Meeresspiegel um Fidschi und andere pazifische Inseln herum nicht ansteige – räumte aber ein, dass die Arbeit von der CO2-Coalition bezahlt wurde, einer Klimaleugnergruppe, die Verbindungen zur Trump-Regierung hat (CO2-Coalition-Mitglied Kathleen Hartnett-White leitet Trumps White House Council on Environmental Quality, und ein Direktor, Prof. Will Happer, wurde als potenzieller Chefwissenschaftler angepriesen. Laut Prof Kurt Lambeck, Geophysiker und Meeresspiegelexperte an der Australian National University, hätte keine seiner Forschungen „den Peer Review Process für seriösere Zeitschriften bestanden“. Eine von Mörner angefragte Zeitschrift war das in Bangalore ansässige International Journal of Earth & Environmental Sciences (das erste oben genannte), das seinen Auftrag wie folgt beschrieb: „Wir ermutigen Autoren, die immer viel Interesse gezeigt haben, ihre Arbeiten in den renommierten Zeitschriften zu veröffentlichen und sie der wissenschaftlichen Gemeinschaft frei zur Verfügung zu stellen“.
Abmahnung von der FTC
Readfearn: „Die Federal Trade Commission der US-Regierung hat Betrugsvorwürfe gegen einen der weltweit größten Open Access-Verlage, Omics International, erhoben. Sie wirft der in Hyderabad ansässigen Omics Group vor, unter den mehr als 700 von ihr herausgegebenen OA-Zeitschriften und den 3.000 von ihr organisierten ‚Konferenzen‘ betrügerische Marketingpraktiken zu betreiben, so vor allem, keine echte Peer Review durchzuführen, die Namen von Akademikern ohne deren Zustimmung und andere Namen von Akademikern zu verwenden, um Konferenzen zu fördern, wenn diese nicht dort auftreten wollten. Omics hat alle Vorwürfe zurückgewiesen. Omics hat allerdings auch einen Klimaleugner als Chefredakteur der Zeitschrift Environment Pollution and Climate Change eingestellt, der eine Handvoll merkwürdiger Papiere veröffentlichte, in denen behauptet wurde, dass der Klimawandel nicht vom Menschen verursacht wurde. Prof. , bezeichnete einen der Beiträge als ‚lächerlich'“.
[note Fake-Konferenzen – Omics und die mit ihr verbundenen Unternehmen organisieren jährlich Hunderte von Meetings und Konferenzen. Mörner habe es geschafft, im Oktober 2017 über Omics ein Treffen in Rom zu organisieren und das Programm dann mit anderen Klimaleugnern zu bestücken. Eine E-Mail, die von der Omics Company ConferenceSeries LLC an mehrere australische Klimaforscher geschickt wurde, sollte sie dazu verleiten, an der Konferenz in Rom teilzunehmen. In einem auf YouTube geposteten Interview sagte Mörner, die Konferenz sei ein großer Erfolg gewesen und brachte seine Freude darüber zum Ausdruck, Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler den Ansichten von Klimaleugnern aussetzen zu können. „Alle sind glücklich gegangen“, sagte er. Prof. Joseph Tomain, ein Juraprofessor an der Universität von Cincinatti, war nicht glücklich. Er ging kurz nach der ersten Teepause. Tomain war der zweite Redner des Treffens, aber er gab später zu, dass er die Anmeldedaten der Organisatoren sorgfältiger hätte prüfen müssen, bevor er einer Reise zustimmte. „Ich war entsetzt über den ersten Redner, der in der Tat ein Klimaverweigerer war, sehr zu meiner Überraschung“, mailte Tomain an Readfearn: „In der Pause sprach ich mit anderen Teilnehmern, die sich eindeutig im selben Lager befanden. Ehrlich gesagt, es war nicht meine Sache, und nach dieser Pause entschied ich mich, Rom zu genießen, anstatt in einem Holiday Inn am Stadtrand zu bleiben“. John Hunter, ein Meeresspiegelexperte an der Universität von Tasmanien, erzählte Readfearn, dass es in der Wissenschaft ein „systemisches Problem“ gebe, bei dem jüngere Wissenschaftler dazu gedrängt würden, mehr Arbeiten zu veröffentlichen, die „die Standards der eingereichten Arbeiten gesenkt“ hätten.]
Eine wahre Explosion von Online-Zeitschriften und die Möglichkeit, gedruckte Zeitschriften weitaus billiger als bisher zu veröffentlichen, habe allerdings nicht nur gute Zeitschriften hervorgebracht, sondern auch dazu geführt, dass es immer mehr Raubtier- und Eitelkeits-(„Vanity-„)Zeitschriften mit schlechten Beurteilungsstandards gebe. Jetzt kann jedermann Alles und Jedes in einem Journal mit einem Namen veröffentlichen, der offiziell klingt, aber tatsächlich keine der Checks and Balances legitimer Zeitschriften bietet.
So kann sogar ein Artikel mit dem Titel Get Me Off Your Fucking Mailing List für die Veröffentlichung im International Journal of Advanced Computer Technology akzeptiert werden. Ebenso können auch Papiere, welche die etablierte wissenschaftliche Verbindung zwischen der Verbrennung fossiler Brennstoffe und dem gefährlichen Klimawandel ablehnen, in einer „internationalen“ und „peer-reviewed“ Zeitschrift veröffentlicht werden.
->Quellen: