Sonnenkonzentrat aus der Folie: Farbfolie kann Photovoltaik neuen Schub geben
Wissenschaftler der TU Braunschweig haben eine Folie mit Farbstoffmolekülen entwickelt, die das Licht besser und kostengünstiger auf Hochleistungssolarzellen lenkt. So seien Wirkungsgrade möglich, die deutlich über jenen von Silizium-Solarzellen liegen. Bisher war es eine Zukunftsvision, dass farbige Hausfassaden auch bei schlechtem Wetter Sonnenstrom produzieren. Doch Forscher um Prof. Peter Jomo Walla sind auf dem Weg zu geeigneten und bezahlbaren PV-Systemen für solche Anwendungen einen wichtigen Schritt vorangekommen. Davon berichten sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Communications.
Abstract aus nature: „Biomimetische Licht-Erntetrichter zur Umlenkung von diffusem Licht“ von Alexander Pieper, Manuel Hohgardt, Maximilian Willich, Daniel Alexander Gacek, Nour Hafi, Dominik Pfennig, Andreas Albrecht & Peter Jomo Walla.„Effiziente Sonnenlichtnutzung und -umlenkung auf kleine Flächen birgt ein großes Potenzial für den breiteren Einsatz wertvoller Hochleistungs-Photovoltaik, aber bisher überwiegen die inhärenten Verlustmechanismen der Solarkonzentratoren. Hier stellen wir ein Empfängerkonzept vor, das eine hohe Lichtabsorption ohne hohe Reabsorptions- oder Rückflussverluste ermöglicht. Ein Überschuss an zufällig angeordneten Pigmenten sammelt Licht aus jeder Richtung und leitet die Energie an einzelne Acceptoren weiter, die alle identische Anordnungen aufweisen und ~90% der Photonen in Winkel aussenden, die für die interne Totalreflexion geeignet sind, um sie zu den gewünschten Energiewandlern zu leiten (FunDiLight, FunDiLight). Dies wird durch die Verwendung verschiedener Moleküle erreicht, die sich effizient in gestreckten Polymeren ausrichten, zusammen mit anderen, die zufällig ausgerichtet bleiben. Emissionsquantenwirkungsgrade können >80% und Single-Foil-Reabsorption <0,5% betragen. Effizientes Einleiten der Energie in den Donor-Pool, Neuorientierung der Dipole und der nächstgelegene Transfer zwischen Donor und Empfänger erfolgt innerhalb von Hunderten bis zu ~20 ps. Einzelmolekül-3D-Polarisationsexperimente bestätigen nahezu parallele Emitter. Die gestapelte Pigmentauswahl kann die Abdeckung des gesamten Sonnenspektrums ermöglichen.
Wallas Team hat eine mit Farbstoffen gespickte, kostengünstige Kunststofffolie entwickelt, die künftig großflächig Licht einfangen und auf kleine Hochleistungssolarzellen lenken könnte – und das deutlich effizienter als bisherige Systeme. „Unser Verfahren verspricht deutlich höhere Wirkungsgrade als Siliziumsolarzellen sie jemals haben werden“, sagt der Chemiker. Das Potenzial der Siliziumphotovoltaik ist mit einem Wirkungsgrad von etwa 25 Prozent praktisch ausgereizt, selbst der theoretisch maximal mögliche Wirkungsgrad liegt stoffbedingt bei nur 29 Prozent.
Die von Wallas Team anvisierten Hochleistungssolarzellen dagegen, die etwa Gallium- oder Indiumverbindungen enthalten, können schon heute Wirkungsgrade bis zu 45 Prozent erzielen. Da sie aber sehr teuer sind, werden in der Regel möglichst kleine Flächen dieser Materialien mit möglichst billigen Lichtsammelsystemen kombiniert. Üblicherweise kommen dafür optische Linsen zum Einsatz, die das Sonnenlicht auf die Solarzellen konzentrieren. „Leider funktionieren die aber nur mit direkter Sonneneinstrahlung“, betont Walla. „Bei diffusem Licht, bewölktem Himmel und im Schatten liefern diese Systeme kaum noch Strom.“
Um Abhilfe zu schaffen, arbeiten Forscher wie Walla mit fluoreszierenden Farbstoffmolekülen, die Licht schlucken und wieder abgeben können. Da diese Moleküle normalerweise kreuz und quer durcheinanderliegen, etwa in einer Kunststoffmatrix, trifft praktisch jeder Lichtstrahl auf ein im passenden Winkel liegendes Teilchen. Das Licht, das sie nach der Absorption wieder aussenden, findet allerdings nicht immer den Weg zur Solarzelle. „Die Verluste sind recht hoch. Nur ein kleinerer Teil wird letztlich in Strom verwandelt“, erklärt Walla.
Licht einfangen wie bei der Photosynthese
Dieses Problem können die Chemiker aus Braunschweig nun durch einen besonderen Kniff beheben. Sie ziehen ihre farbstoffhaltigen Folien in eine Richtung lang, strecken sie so auf etwa das Vierfache. Dabei richten sich bestimmte Farbstoffmoleküle parallel zueinander aus und zwar so, dass sie den größten Teil des von den ungeordneten Teilchen gesammelten Lichts aufnehmen und auf die Solarzelle umlenken können. „Das geschieht mit einer hohen Effizienz. Die Verluste bisheriger Systeme können um etwa den Faktor drei verringert werden“, berichtet Walla. Das Ganze funktioniere ähnlich wie Lichtsammelsysteme in Pflanzen. Auch bei der Photosynthese fangen Farbstoffe das Licht ein und lenken es zur Energiewandlung an geeignete Reaktionszentren weiter.
Trotz der vielversprechenden Ergebnisse haben die Forscher noch eine Menge Arbeit vor sich. Bisher konnten sie nur für Wellenlängen aus dem blau-grünen Bereich des Lichtspektrums zeigen, dass das Prinzip funktioniert. Deshalb wollen sie als nächstes weitere Farbstoffe testen, die andere Wellenlängen schlucken. Zugleich gilt es, stabilere Farbstoffteilchen zu finden. Die Moleküle aus der veröffentlichten Studie zersetzen sich unter Licht noch recht schnell. „Wir testen deshalb zurzeit stabile Farbstoffe, die zum Beispiel in Monitoren zum Einsatz kommen“, erzählt der Chemiker. Dazu arbeite sein Team mit dem Kavli Energy Nanoscience Institute der University of Berkeley, USA, zusammen, wo er sich auch gerade für ein Forschungssemester aufhält.
Bis zur praktischen Anwendung sei es noch ein gutes Stück Weg, räumt Walla ein. Gleichwohl ist er überzeugt, dass es sich lohnt, weiterzugehen. „Die Sonne strahlt an nur einem halben Tag so viel Energie zur Erde, wie die Menschheit im ganzen Jahr verbraucht. Zurzeit nutzen wir noch viel zu wenig davon“, so der Forscher. (Andrea Hoferichter)
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