Forschungsergebnisse von Jenaer Umweltforscherinnen
Im vergangenen Jahr verursachten frühe Blüte und später Frost deutschen Obstbauern hohe Ernteausfälle. Dieses Risiko droht nach Forschungsergebnissen eines Botanikerinnen-Teams der Friedrich-Schiller-Universität Jena weiter zuzunehmen – die analysierten nämlich die Ursachen für die ständig frühere Pflanzenblüte infolge des Klimawandels.
80 Prozent blühen früher
Hanami – das japanische Kirschblütenfest lockt jedes Frühjahr Tausende Einheimische und Touristen aus aller Welt ins Freie, um in öffentlichen Parks das Erwachen der Natur in Weiß und Rosarot zu feiern. Das fernöstliche Frühlingsfest hat eine lange Tradition und der Beginn der nur wenige Tage dauernden Kirschblüte wird in Japan bereits seit über 1.000 Jahren dokumentiert. „Aus solchen Aufzeichnungen, aber auch zahlreichen anderen Beobachtungsreihen wissen wir, dass es in den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten gravierende Veränderungen im Einsetzen der Baumblüte gegeben hat“, sagt Prof. Christine Römermann von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. So treiben die Kirschblüten in Japan seit Mitte des 20. Jahrhunderts immer früher aus. Ein Phänomen, das sich aber auch in unseren Breiten beobachten lässt, wie die Botanikerin unterstreicht.
Und das nicht nur bei Bäumen: Auch Gräser, Kräuter und Sträucher haben den Start der Blütezeit deutlich verlagert. „Die globalen Klimaveränderungen führen zu veränderten Blühzeiten insgesamt, wobei in der Regel ein früherer Blühbeginn zu beobachten ist“, weiß Patrizia König aus Römermanns Team. Die Nachwuchswissenschaftlerin aus der Arbeitsgruppe Biodiversität der Pflanzen der Uni Jena hat jetzt in einer aktuellen Publikation untersucht, wie sich die Pflanzen auf ändernde Umweltbedingungen einstellen („Advances in flowering phenology across the Northern Hemisphere are explained by functional traits“, in Global Ecology and Biogeografy – DOI: 10.1111/geb.12696).
Wie sie berichten, blühten fast 80 Prozent der Arten nun früher im Jahr als bisher. Bei rund 69,9 Prozent hatte sich die Blüte nur um weniger als fünf Tage pro Dekade verschoben, bei 10,5 Prozent der Arten waren es sogar mehr als 5 Tage Verfrühung. Etwa 19,6 Prozent dagegen blühten später.
Viele Pflanzen reagieren auf Klimaänderungen mit einem früheren Blühzeitpunkt
Für ihre Studie hat Patrizia König Daten aus verschiedenen Publikationen zum Blühbeginn für über 550 Pflanzenarten von 18 Standorten in Europa und Nordamerika zusammengetragen und ausgewertet. „Auch wenn sie im gleichen Habitat wachsen, reagieren unterschiedliche Pflanzenarten auf geänderte Temperatur- und Niederschlagsverhältnisse recht verschieden„, nennt Patrizia König eine zentrale Erkenntnis ihrer Arbeit. Während vier von fünf Pflanzenarten auf veränderte Klimaverhältnisse mit einem früheren Blühbeginn reagieren, öffnet ein Fünftel von ihnen erst zu einem späteren Zeitpunkt die Blüten.
Die stärkste Verschiebung des Blühbeginns war, neben Bäumen, an Sträuchern zu verzeichnen. Spitzenreiter dabei ist ein Zwergstrauch – die Vierkantige Schuppenheide – die in Grönland wächst. Sie hat das Öffnen ihrer Blüten in den zurückliegenden zehn Jahren um ganze drei Wochen vorverlegt. Dass gerade diese nur wenige Zentimeter in die Höhe wachsende Art zu den führenden „Frühaufstehern“ gehört, spiegelt die Ergebnisse der Studie gut wider. Patrizia König und ihre Kolleginnen und Kollegen konnten zeigen, dass Unterschiede in den funktionellen Merkmalen der Pflanzen, wie Wuchshöhe und Blattgröße dazu beitragen, Unterschiede in der Veränderung des Blühbeginns zu erklären. Im Fall der Sträucher, aber auch bei Kräutern und Gräsern, gelte: je kleiner die Pflanze umso deutlicher die Verschiebung des Blühbeginns. Vermutlich, so die Erklärung der Forscherinnen, um der großwüchsigen Konkurrenz zuvorzukommen, die später das Sonnenlicht abschirmt. Ein weiterer Faktor, der sich auf den Beginn der Blütezeit auswirkt, ist die Wachstumsrate der Pflanzen. Schnellwachsende Kräuter und Gräser öffnen die Blüten signifikant früher als langsam wachsende Arten.
Insgesamt, so Prof. Römermann, mache die Studie deutlich, dass die funktionellen Merkmale einer Pflanze ihr Anpassungsverhalten an veränderte Umweltbedingungen bestimmen. „Diese Erkenntnisse können uns helfen, künftige Veränderungen im Wachstum von Pflanzen besser vorherzusagen.“