von Lars Waldmann
Die Einsicht ist da, die Technik ist da. Und doch droht die Energiewende zu scheitern. Dabei steht Deutschland mit seiner Führungsrolle in der Verantwortung, zu zeigen: Es geht! forum Nachhaltig Wirtschaften, 3/2017 beschreibt, was wir jetzt dringend anpacken müssen, damit die Wende gelingt.
Die Energiewende ist eines der größten und herausforderndsten Projekte, die wir im globalen Maßstab vor uns haben und endlich werden erste Schritte zur Lösung unserer Umwelt- und Klimaprobleme ergriffen. Die notwendige Dekarbonisierung wird unseren Lebensstil grundlegend verändern: Die künftige Mobilität setzt auf Wasserstoff und Strom statt auf Öl, auf intelligente Fortbewegung statt auf Blechlawinen. Wir ändern die Art, wie wir bauen und wohnen, wie wir Häuser heizen und kühlen. Die Art, wie wir Energie erzeugen und verbrauchen. Wir denken globaler und gleichzeitig werden viele Aktivitäten lokaler und vernetzter.
Heute heißt die Frage nicht mehr: „Wie groß sind die Vorräte an Kohle, Öl und Gas, die uns noch zur Verfügung stehen?“, sondern „Wieviel davon dürfen wir noch verbrauchen, wenn wir das Klima nicht killen wollen?“ Nach dem fünften Sachstandsbericht des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) von 2014 müssen bis zum Jahr 2100 rund 90 Prozent der Kohle, etwa 60 Prozent des Öls und 60 Prozent der bekannten Gasvorkommen in der Erde bleiben, wenn die gesetzten CO2-Ziele erreicht werden sollen. Das macht es den Unternehmen, die in den letzten 100 Jahren mit der Verwertung fossiler Brennstoffe gutes Geld verdient haben, schwer, ihr Geschäftsmodell fortzusetzen.
Ihr bisheriges Zögern hat ihnen schon jetzt Milliardenverluste und uns hohe CO2-Emissionen eingebracht. Es wird Zeit, dass sie neue Perspektiven für sich erarbeiten und erkennenSonne, Wind, Biomasse und Wasserkraft als Energieträger der Zukunft erkennen. Und um diese richtig nutzen zu können, braucht es ein anderes, neues Energiesystem. Das nicht nur CO2-frei, sondern auch noch bezahlbar bleiben soll. Und aus unseren Steckdosen soll auch dann Strom kommen, wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint. Damit das gelingt, müssen wir jetzt grundlegende Voraussetzungen schaffen.
Haben wir die richtigen Technologien für die Energiewende?
Wir haben keinen Technologie-Engpass in der Energiewende. Die eingesetzten Technologien sind inzwischen sehr weit entwickelt: Wir können wirtschaftliche Solaranlagen und Windmühlen bauen, deren Strom kostengünstiger ist als der aus einigen konventionellen Kraftwerken. Waren es früher noch wenige, aber dafür große zentrale Anlagen, die an den Höchstspannungsleitungen der Übertragungsnetze angeschlossen waren, sind es heute viele kleinere, die räumlich verteilt sind. Über 1,6 Millionen Anlagen zur Stromerzeugung sind bundesweit installiert, mehr als 95 Prozent davon in privater Hand. Sie hängen zu 97 Prozent an den Verteilnetzen. Damit verändert sich auch die Verantwortung für die Netzsicherheit. Sie wird künftig viel stärker regional bei den Verteilnetzbetreibern liegen, also bei den Kommunen und Stadtwerken. Doch das ist alles ohne größere Probleme steuerbar: Die im ganzen Land verstreuten Anlagen können über ein Signalnetz miteinander verbunden und digital gesteuert werden. Dennoch benötigen wir einen großräumigeren Austausch von Strom und Daten innerhalb Europas, um Wind und Sonne besser nutzen zu können.
Technische Lösungen müssen eingesetzt werden
Und um den Strom aus den Windanlagen im Norden der Bundesrepublik zu den Industriestandorten im Süden zu bringen, benötigen wir neben den geplanten Übertragungsleitungen eine intelligente Verteilung und koordinierten Einsatz der regional vorhandenen Energie. Wenn wir also die Klimaziele der Bundesregierung erreichen wollen und gleichzeitig die Sektorkopplung, das heißt die Nutzung regenerativer Energien auch für andere Sektoren wie etwa der Mobilität oder der Heizung, ernst nehmen, sollten wir die vorhandenen technischen Lösungen endlich einsetzen. Darüber hinaus müssen wir dazu auch noch viel mehr erneuerbare Energie erzeugen, als bislang geplant. Der Jahresverbrauch in der Bundesrepublik beträgt derzeit weniger als 600 Terawattstunden Strom. Die aktuellen Prognosen (z.B. V. Quaschning 2016) für die Zukunft kommen auf das Doppelte bis Fünffache, wenn wir auch den Wärme- und den Transportsektor vollständig mit erneuerbaren Energien elektrifizieren wollen. Hier besteht also dringender Handlungsbedarf für die kommende Legislaturperiode.
Folgt: Was ist zu tun?