Künstliche Abkühlung der Atmosphäre mit Aerosolen birgt Langzeitrisiko
Das Klimaschutzabkommen von Paris verpflichtet die internationale Staatengemeinschaft, die globale Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Doch die menschengemachten Treibhausgasemissionen nehmen weiter zu statt ab. Können großtechnische Maßnahmen zur Klimaregulierung, sogenanntes Climate Engineering, eine Lösung sein? In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature warnt Professor Andreas Oschlies vom GEOMAR vor einem unterschätzten Langzeit-Risiko einer vorgeschlagenen Climate-Engineering-Maßnahme, die die Sonneneinstrahlung reduzieren soll.
Die Natur scheint es vorzumachen. Als 1991 der Vulkan Pinatubo auf den Philippinen ausbrach, schleuderte er riesige Mengen an Staub und Gasen in die Atmosphäre. Ein Teil des sonst auf die Erdoberfläche fallenden Sonnenlichts wurde dadurch abgeschirmt. Die globalen Durchschnittstemperaturen in der unteren Atmosphäre sanken zeitweise um ein halbes Grad. Könnte man im Kampf der Menschheit gegen eine zu schnelle Erwärmung der Atmosphäre nicht den Vulkan nachahmen und große Mengen an Kleinstpartikeln, sogenannte Aerosole, in die Atmosphäre einbringen, um die Erwärmung wenigstens abzubremsen?
Dieser Vorschlag wird bereits international diskutiert und erste Versuche dazu sind in der Vorbereitung. Doch in der aktuelle Ausgabe der internationalen Fachzeitschrift Nature warnt der Biogeochemiker Prof. Andreas Oschlies vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel vor einer oft unterschätzten Nebenwirkung des sogenannten Sonnen-Einstrahlungs-Managements (Solar Radiation Management, SRM).
„Wenn man SRM einmal in großem Umfang startet, kann man es nicht ohne erhebliche Risiken wieder abstellen. Das zeigen uns viele Computersimulationen des Erdsystems“, betont Professor Oschlies.
[note Hintergrund für die Diskussionen ist das Klimaschutzabkommen von Paris. Darin hat sich die internationale Staatengemeinschaft darauf verständigt, die weltweite Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Doch die Menschheit entlässt von Jahr zu Jahr mehr Treibhausgase in die Atmosphäre, anstatt die Emissionen zu reduzieren. Deshalb rückt das Klimaschutzziel in immer weitere Ferne. Die Idee, das Klima mit großtechnischen Maßnahmen zu regulieren, erhält immer mehr Unterstützung. Zu diesen unter dem Begriff Climate Engineering zusammengefassten Maßnahmen zählt auch das SRM.]
„Damit SRM überhaupt durchsetzbar wäre, müsste es einen deutlichen Erfolg bringen, also vielleicht 0,5 Grad Abkühlung oder mehr. Dafür wäre ein massiver Einsatz von Aerosolen notwendig“, so Andreas Oschlies, der das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Schwerpunktprogramm „Climate Engineering – Risiken, Herausforderungen, Möglichkeiten?“ koordiniert.
Allerdings hätten Aerosole, die man in die Atmosphäre einbringen könne, nur eine Lebensdauer von wenigen Jahren. Treibhausgase wie Kohlendioxid blieben dagegen Jahrhunderte bis Jahrtausende in der Atmosphäre.
Die künstliche Abkühlung entspreche also einer Temperaturschuld, die nur durch ständiges Nachliefern der kurzlebigen Aerosole aufrecht erhalten werden könne, bis der Kohlendioxid-Anteil der Atmosphäre so weit zurückgegangen sei, dass er ebenfalls einer 0,5 Grad Abkühlung entspreche, so der Wissenschaftler.
Nach Berechnungen des Weltklimarates könne dies viele Jahrzehnte bis wenige hundert Jahre dauern. „Stoppt man das SRM vorher, tappt man in eine Temperaturschuld-Falle: Innerhalb kürzester Zeit würden die globalen Durchschnittstemperaturen auf das Maß steigen, dass man ohne das SRM gehabt hätte. Der Prozess wäre so schnell, dass er deutliche katastrophalere Auswirkungen nach sich ziehen würde, als die aktuelle Erwärmung ohnehin schon“, sagt Professor Oschlies. Die Debatte zu SRM konzentriere sich seit einigen Jahren auf die Risiken und Nebenwirkungen, die bei einem kontinuierlich funktionierenden Betrieb dieser Notmaßnahme entstehen würden. Das Risiko einer gewollten oder ungewollten Unterbrechung des SRM dürfe jedoch nicht ausgeblendet werden und müsse bei allen Überlegungen zu SRM immer mit bedacht werden, schreibt Oschlies in Nature. „Niemand kann garantieren, dass die Staatengemeinschaft ein einmal gestartetes Programm über vielleicht einhundert, zweihundert Jahre kontinuierlich aufrechterhalten kann“, warnt der Forscher.
Hintergrundinformation: SPP 1689
Das im Mai 2013 gestartete Schwerpunktprogramm (SPP) 1689 der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) untersucht Risiken und Nebenwirkungen des sogenannten „Climate Engineering“. Unter dem Begriff Climate Engineering (CE) werden technologische Maßnahmen zusammengefasst, die gezielt dazu eingesetzt werden könnten, die atmosphärische CO2-Konzentration zu senken oder die Strahlungsbilanz der Erde direkt zu beeinflussen, um so den anthropogen verursachten Klimawandel abzuschwächen bzw. zu kompensieren. Wesentliche Ziele des Schwerpunktprogramms 1689: Erforschung der klimatischen, ökologischen und gesellschaftlichen Risiken und möglichen Auswirkungen verschiedener CE-Methoden, Evaluierung der wissenschaftlichen und öffentlichen Wahrnehmung von CE sowie die Bewertung – nicht Entwicklung – von CE unter Einbeziehung naturwissenschaftlicher, sozialer, politischer, rechtlicher und ethischer Aspekte.
->Quelle und weitere Informationen:
- Geomar.de/news/vorsicht-vor-der-temperatur-schuldenfalle
- Schwerpunktprogramm der DFG „Climate Engineering – Risiken, Herausforderungen, Möglichkeiten?
- Originalveröffentlichung: Oschlies, A. (2018): Solar engineering must take temperature debt into account. Nature 554, 423 (2018), https://www.nature.com/articles/d41586-018-02203-x