Debattenbeitrag: Für technologieoffenen Dialog
von Henrik Erämetsä (Head of Aviation Regulation, Neste Corporation)
Wir sehen eine zunehmende Bedeutung der Bioenergie für die Emissionssenkung in zahlreichen Bereichen – sei es für die Wärmeerzeugung oder als emissionsarmer Kraftstoff in der Luftfahrt. Doch die zahlreichen nationalen und internationalen Strategien und politischen Willensbekundungen für Klimaschutz und erneuerbare Energien stehen dabei immer wieder im Kontrast zu einer emotional aufgeladenen öffentlichen Debatte.
Das setzt politische Entscheider, wie auch den gesamten Wirtschaftssektor der nachhaltigen Bioenergie unter Handlungs- und Kommunikationsdruck. Für eine langfristige Bioenergiestrategie, speziell im Verkehr, brauchen wir also eine neue Debatte – technologieoffen, stets mit dem Blick über den Tellerrand hinaus und vor allem: sachlich. Die Forderung nach Technologieoffenheit ist aber nicht als Gegenstück zu politischen Richtungsentscheidungen zu verstehen. Ganz im Gegenteil – Dekarbonisierung wird ohne die Politik nicht geschehen!
Gastbeiträge geben die Meinungen der Autorinnen und Autoren, nicht in jedem Fall die von Solarify wieder.
Technologieoffenheit bereits Realität
Als Ingenieur ist es mir daher auch ein persönliches Anliegen, dieses Thema kurz etwas allgemeiner zu betrachten. Denn Fakt ist: Der Verkehrssektor basiert bereits heute auf einem breiten Technologiemix: der Verbrenner von gasförmigen und flüssigen Kraftstoffen, der E-Mobilität, der Brennstoffzelle, von Oberleitungen, bis hin zum Fahrrad und vielen smarten Nischenlösungen. Und das wird auch in Zukunft so bleiben. Denn die verschiedenartigen technologischen, geographischen und sozioökonomischen Gegebenheiten in der Welt bestimmen die Entwicklung und Nutzung von Technologien. Dabei steht die Technologieoffenheit immer auch im Spannungsfeld zwischen lokalen Fördermechanismen und dem fairen, freien Welthandel.
Man kann sich der Technologieoffenheit also nicht verwehren. Sie ist bereits Realität und für die Exportnation Deutschland von besonderer Bedeutung: Deutsche Automobilhersteller und -zulieferer haben in den vergangenen Jahrzehnten weltweit vom Technologievorsprung bei Benzin- und Dieselmotoren profitiert. Und Deutschland ist auf dem besten Weg, der Leitanbieter der Mobilität von Morgen zu werden. Neben der Elektromobilität ergänzen Innovationen bei LPG oder Wasserstoff sowie digitale Mobilitätslösungen das Bild.
Der Wohlstand Deutschlands basiert also auf dem Prinzip der Technologieoffenheit. Politische Entscheider sollten daher die begrenzten staatlichen Mittel nutzen, um auch in Zukunft den Technologiemix weiterzuentwickeln und gleichzeitig auf die Klimaziele hinzuarbeiten. Doch bestehende Technologiepfade aus politischen Beweggründen abzuschneiden, darf daher insbesondere für die Exportnation Deutschland keine Option sein.
Elektromobilität keine Konkurrenz
Denn auch wenn das Volumen von erneuerbaren Kraftstoffen noch vergleichsweise klein ist, so ist es umso wirkungsvoller bei der Emissionssenkung. Zu Veranschaulichung: Der Verbrauch von Benzin- und Dieselkraftstoffen lag 2016 in Deutschland bei 51,7 Mio. Tonnen. Demgegenüber lag Nestes weltweite Jahresproduktion erneuerbarer Kraftstoffe zwar nur bei 2,6 Mio. Tonnen. Der Beitrag zur Emissionssenkung ist dennoch signifikant: 2017 wurde durch die Nutzung unserer Kraftstoffe so viel CO2 eingespart, wie alle Fahrzeuge auf den Straßen Londons im Durchschnitt emittieren. Stellen Sie es sich vor: der Piccadilly Circus in London ohne Autos – ein ganzes Jahr lang!
Wir brauchen Lösungen, um, bildlich gesprochen, auch die anderen Städte emissionsfrei zu bekommen. Und zwar so schnell wie möglich! Denn Tatsache ist: Einsparungen von Emissionen heute leisten einen höheren Beitrag zur Einhaltung der 2-Grad-Grenze als zukünftige Maßnahmen. Wir müssen also alle verfügbaren Technologiepfade nutzen und möglichst heute Emissionen einsparen, bevor es morgen zu spät ist. Wir haben bereits Fortschritte erreicht und nutzen bewährte Technologien. Was wir erreicht haben, sollten wir auch nicht wieder hergeben. Das gilt auch für die einheimische Biomasse.
Das gilt für alle Sektoren. Wo sich Technologien schnell entwickeln und Märkte volatil bewegen, ist der Blick über den Tellerrand und auch über die nächste Mahlzeit hinaus essenziell. Bereits heute ist die Bioenergie breit aufgestellt – von der Strom- und Wärmeerzeugung bis zum Kraftstoff im Straßenverkehr. Doch der Technologiepfad der Bioenergie wird sich zukünftig auf weitere Sektoren ausbreiten – das ist der Blick über den Tellerrand.