Plus 6 statt minus 30 Grad Celsius
Wie der dänische (und auch für Grönland zuständige) Wetterdienst (DMI) vor kurzem meldete, ist das Meereis rund um den Nordpol Ende Februar auf einen neuen Rekordwert geschrumpft – und das in der arktisch-kalten Polarnacht. Die DMI-Messstation in Kap Morris Jesup ist die nördlichste Wetterstation der Welt an Land. Normalerweise liegt die Temperatur in dieser Jahreszeit weit unter dem Gefrierpunkt – bis minus 30 Grad. Am 21.02.1018 zeigte das Thermometer jedoch in die entgegengesetzte Richtung, die Station maß 24 Stunden lang Plus-Grade – auf sechs Grad stieg die Quecksilbersäule.
„2018 wird mit einem neuen Negativrekord in die Geschichte eingehen. Was hier geschieht, könnte bald alles durcheinanderbringen“, schrieb die Zeit dazu. Die relative Wärme entsteht dadurch, dass ein Hoch über Sibirien milde Luftmassen vom Süden bis an den Nordpol treibt, während kalte Luft im Uhrzeigersinn nach Mitteleuropa strömt – ausgelöst „durch die Luftdruckmuster auf der Erde“, sagt Christian Haas, Professor für die Geophysik des arktischen Eises an der York University im kanadischen Toronto und Mitglied des Alfred-Wegener-Instituts. Dort aber kann sich infolgedessen die Eisfläche an ihren Rändern nicht regenerieren. Kurz vor dem Höhepunkt des arktischen Winters am 27.02.2018 (Tag 57) erstreckte sich die Meereisfläche (nur noch) über 14.159 Millionen Quadratkilometer (interaktive Karte des US-NISCD) „die kleinste je in der Arktis Ende Februar gemessene Eisdecke“, so Haas.
Die Zeit weiter: „In den Wochen ohne jeden Sonnenschein fror die Wasseroberfläche rings um den Nordpol bislang immer zu. Nun aber wird in wenigen Tagen die Polarnacht ohne diesen Prozess enden. Dann wird sich die Sonne wieder zeigen. Ab diesem Zeitpunkt wird die Eisfläche wieder auftauen. Weil die Ausgangsfläche so klein ist, fürchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen neuen Schmelzrekord im Sommer.“
Ein Kreislauf, der nicht nur für Eisbären und Robben zur Gefahr wird, denn auch Küstenstädte werden betroffen sein. Wissenschaftler befürchten, dass der Meeresspiegel an der US-Ostküste zum Ende dieses Jahrhunderts um einem Meter steigen könnte.
Dass Eisflächen mehr Sonnenlicht reflektieren als die dunklere Wasseroberfläche, wird Albedo-Effekt (solarify.eu/albedo) genannt – wo der arktische Ozean nicht mehr zugefroren ist, schluckt er mehr Sonnenlicht und damit -energie und erwärmt so den Nordpol immer weiter. „Ein Teufelskreis mit schwerwiegenden Folgen für Wetter und Ökosystem“ (Zeit)
„In der Arktis verläuft die Erderwärmung zudem doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt“, sagt Mojib Latif vom Geomar: „Die Arktis ist ein gigantisches Ökosystem, Ausgangspunkt von vielen Nahrungsketten in der ganzen Welt.“ Weil die Gletscher kalben und gleichzeitig aus den Flüssen Süßwasser einfließt, enthält das Wasser im Nordpolarmeer weniger Salz als der Atlantik. Damit schwindet auch die Kraft des Golfstroms und bringt bestehende Gleichgewichte ins Wanken.
Gegenwärtig sei nicht zu erkennen, so alle Forscher, dass die Menschheit endlich aufwache: „Derzeit ist politisch nicht abzusehen, dass wir die Zwei-Grad-Marke einhalten“, kritisiert Latif. Wir seien gegenwärtig eher auf Kurs für mehr als drei Grad Celsius Erderwärmung bis 2100 im Vergleich zum vorindustriellen Niveau. Latif: „Dabei wäre eine Begrenzung auf 1,5 Grad notwendig.“ Dazu konstatiert die Zeit: „Das ist nicht mehr einzuhalten“.
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