Kleine Anfrage „Biodiversität in und an Flüssen“ – Solarify dokumentiert in Auszügen
2007 habe die Bundesregierung in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt ihre Vision für Flüsse und Auen so beschrieben: „Fließgewässer und ihre Auen bilden wieder eine Einheit und sind die Lebensadern unserer Landschaft. Ihre natürliche Vielfalt und Dynamik macht sie zu Zentren der Biodiversität. Die für die jeweiligen Flüsse typischen Lebensräume und Arten befinden sich in einem günstigen Erhaltungszustand“ (S. 35). Von dieser Vision sei die derzeitige Situation von Flüssen, Seen und Gewässern „weit entfernt“. Flusslandschaften sind bestimmt von vielfältigen menschlichen Nutzungen. Flüsse seien begradigt, verengt und vertieft – großflächig Auen, biodiversitätsreiche Flächen zerstört worden. Tausende von Wehren unterbrächen die Durchgängigkeit der Flüsse und behinderten damit Wanderungen vor allem von Fischen zu Nahrungs-, Laich- und Aufwuchsgebieten. So rechnet das Umweltbundesamt damit, dass ca. 200.000 Wehre durchschnittlich alle zwei Kilometer Deutschlands Flüsse und Bäche zerschneiden. Die Auswirkungen für Biodiversität und Ökosystem Fluss seien beträchtlich. Zum Schutz der Flüsse und der Biodiversität an und in Flüssen habe sich Deutschland u. a. mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) verpflichtet, bis 2021 Maßnahmen zu ergreifen, um u. a. einen guten ökologischen Zustand von Flüssen herzustellen.
1. Wie bewertet die Bundesregierung den Lebensraum Fluss und Aue für die Biodiversität?
Naturnahe Flüsse, ihre Uferzonen und Auen gehören in Deutschland und Europa zu den Ökosystemen mit der größten biologischen Vielfalt. Die sehr hohe Anzahl an Tier- und Pflanzenarten an dynamischen Fließgewässern ist gebunden an vielfältige Gewässer- und Auenlebensräume und teils extreme Standorte auf engstem Raum. Beispielsweise wurden für den Naturraum Mittelelbe in Sachsen-Anhalt bisher fast 8 500 Tier- und Pflanzenarten aus 50 Artengruppen nachgewiesen, darunter rund 50 Säugetier-, 150 Brutvogel-, 700 Schmetterlings- und 1 000 Pflanzenarten. Ziel ist es deshalb, Auen als Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten sowie für artenreiche Auwälder, die nur hier existieren können, zurückzugewinnen.
2. Wie bewertet die Bundesregierung den Zustand der Biodiversität an und in Flüssen? Welche Entwicklung gibt es mit Blick auf Artenzahl und Biomasse in den letzten fünf Jahren bei Wasserpflanzen, Insekten und Muscheln, Fischen und Krebsen (bitte auch beispielhaft nach Tierarten und Erhaltungszuständen aufschlüsseln)?
Trotz erheblicher Erfolge bei der Verbesserung der Wasserqualität und der Rückkehr einiger prominenter Säugetiere (z. B. Biber) und Fischarten (z. B. Lachs) gehören Gewässer und Auen weiterhin zu den bedrohten Lebensräumen in Deutschland…
4. Wie bewertet die Bundesregierung den ökologischen Zustand von Flüssen und Bächen? Wie bewertet die Bundesregierung den ökologischen Zustand von Ästuaren und Küstengewässern? Wie viele Wasserkörper erreichen einen guten ökologischen Zustand (bitte absolut und in Prozent, beispielhaft bitte Wasserkörper jeder Kategorie nennen)? Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang (Flüsse, Auen) den Stand der Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie?
Den guten ökologischen Zustand erreichen unter den 8 995 Fluss-Wasserkörpern 6,6 Prozent; weitere 0,1 Prozent werden mit „sehr gut“ bewertet (Stand: Oktober 2017). 36,2 Prozent sind im mäßigen, 34,4 Prozent im unbefriedigenden und 19,9 Prozent im schlechten ökologischen Zustand. Als Ästuare (Übergangsgewässer) wurden fünf Wasserkörper ausgewiesen. Vier sind im mäßigen, einer im unbefriedigenden ökologischen Zustand. Unter den 75 Küstenwasserkörpern erreicht ebenfalls keiner den guten oder sehr guten ökologischen Zustand. 36 Prozent wurden ökologisch als mäßig, 32 Prozent als unbefriedigend und 22,7 Prozent als schlecht bewertet. Für den Rest zu 100 Prozent (2,8 Prozent der Fluss- und 9,8 Prozent der Küstenwasserkörper) reichten die Informationen nicht aus, um den ökologischen Zustand zu bewerten.
13. Welche nächsten Schritte plant die Bundesregierung zur Umsetzung des Bundesprogramms „Blaues Band Deutschland“?
Welche Haushaltsmittel werden für das geplante Auenförderprogramm und für die angedachten eigenen Aufgaben der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) bereitgestellt?
14. Wie wird die Bundesregierung das Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“ in dieser Legislaturperiode umsetzen, insbesondere in Bezug
auf das
a) Auenförderungsprogramm,
b) die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern an den Bundeswasserstraßen und
c) die Umstrukturierung der WSV?
Die Fragen 13 und 14 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet: Zur Umsetzung des Bundesprogramms „Blaues Band Deutschland“ hat der Deutsche Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, Vorschläge für einen belastbaren Rechtsrahmen zu machen, um die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes in die Lage zu versetzen, an Bundeswasserstraßen zukünftig auch Maßnahmen des wasserwirtschaftlichen Gewässerausbaues und damit Renaturierungsprojekte durchführen zu können (Bundestagsdrucksache 18/12204). Derzeit finden Abstimmungen zwischen Bund und Ländern über die Ausgestaltung der rechtlichen Anpassung statt. Es laufen fachliche Vorbereitungen, um beim BMU ein Auenförderprogramm zu etablieren. Unter anderem wird derzeit ein Fachkonzept „Biotopverbund Gewässer und Auen“ erarbeitet, auf dessen Grundlage Verbundprojekte im Gewässer, am Ufer und seiner Aue umgesetzt werden sollen. Der Entwurf einer Förderrichtlinie ist in Vorbereitung. Das Abstimmungsverfahren auf Bundesebene und mit den Ländern wird demnächst eingeleitet. Die Verabschiedung der Förderrichtlinie ist für den Herbst des Jahres 2018 geplant. Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes hat in einer ersten Abschätzung einen Investitionsbedarf von ca. 50 Mio. Euro jährlich für einen Zeitraum von 30 Jahren angesetzt.
Folgt: Gefährdung und den Verlust von Auen- und Gewässerbiotoptypen