„Ökosystem Fluss akut bedroht“

  1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Gefährdung und den Verlust von Auen- und Gewässerbiotoptypen (bitte jeweils nach verlorener Fläche in Hektar und in Prozent aufschlüsseln)? Inwieweit haben sich diese Zahlen seit dem letzten Auenzustandsbericht 2009 verändert?

Nach der aktuellen dritten Fassung der Roten Liste der gefährdeten Biotoptypen Deutschlands, die vom Bundesamt für Naturschutz im Jahr 2017 veröffentlicht wurde, sind 80 Prozent aller Gewässer- und Auenbiotoptypen von einem unterschiedlich hohen Verlustrisiko betroffen. Der Status der Biotoptypen der Gewässer und Auen stellt sich wie folgt dar: Der Anteil der Gesamtgefährdung der Gewässer- und Auenbiotoptypen bleibt im Vergleich zu der zweiten Fassung der Roten Liste von 2006 (78 Prozent) in etwa gleich hoch und liegt weiterhin deutlich über dem Durchschnitt für alle Biotoptypen (65,1 Prozent). Der Anteil an Biotoptypen mit sehr hohen Gefährdungseinstufungen ist im Vergleich zu der zweiten Fassung von 2006 leicht gestiegen. Dies betrifft vor allem natürliche oder naturnahe, nährstoffarme (oligo- und mesotrophe) dauerhafte und temporäre stehende Gewässer. Die der Roten Liste zugrunde liegenden Daten lassen keine Angabe nach verlorener Fläche in Hektar und Prozent zu. Der Auenzustandsbericht 2009 trifft keine Aussagen über die Gefährdung und den Verlust von Auen- und Gewässerbiotoptypen und kann daher zum Vergleich nicht herangezogen werden.

  1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den ökologischen Zustand von Flussauen? In welchen Gebieten Deutschlands sind diese besonders stark gefährdet?

Die erstmals im Jahr 2009 bundesweit einheitlich durchgeführte Untersuchung des Auenzustandes bewertet das Ausmaß der Veränderung der überflutbaren (rezenten) Auenflächen auf Grundlage der standörtlichen Qualität und der Intensität der Nutzung an 79 Flüssen auf einer Länge von 10 276 Flusskilometern mit einer Gesamtfläche von 15 533 Quadratkilometern. Die Bewertung des Auenzustandes erfolgt in fünf Klassen, die den Grad der Veränderung gegenüber dem potenziell natürlichen Zustand angeben – von „sehr gering verändert“ bis „sehr stark verändert“. Die rezenten Flussauen sind gegenüber dem natürlichen Zustand zu 54 Prozent stark bis sehr stark verändert und weisen keinen Auencharakter mehr auf. Das Vorherrschen stark und sehr stark veränderter Bereiche erklärt sich aus der historisch gewachsenen Situation der Auen als Schwerpunkträume der Siedlungsund Wirtschaftsentwicklung sowie als Folge umfassender wasserwirtschaftlicher und kulturbaulicher Maßnahmen. 36 Prozent der rezenten Flussauen waren nach Auenzustandsbericht 2009 deutlich verändert, besitzen aber noch „Auencharakter“ und verfügen vielfach noch über ein hohes ökologisches Entwicklungspotenzial. Ökologisch weitgehend funktionsfähig sind aktuell nur noch 10 Prozent der untersuchten Auen. Davon werden 9 Prozent als gering verändert und weniger als  1 Prozent als sehr gering verändert eingestuft. Die regionale Verteilung der Auenzustandsklassen ist der Karte „Zustand der rezenten Flussauen“ des Auenzustandsberichts zu entnehmen. Für das Jahr 2020 ist eine Fortschreibung der Ergebnisse zum Auenzustand geplant.

18. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Entwicklung von natürlichen Überschwemmungsflächen in Deutschland? Wie bewertet die Bundesregierung diese?

Die „Rückgewinnung natürlicher Überflutungsflächen“ ist ein Indikator der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel. Im Monitoringbericht 2015 ist dargelegt, dass in den Jahren 1983 bis 2013 an bundesweit 79 Flüssen 3 887 Hektar ehemalige Auenflächen wieder an die natürliche Überflutungsdynamik der Fließgewässer angeschlossen wurden. Die Rückgewinnung natürlich überflutbarer Auenflächen hat in den vergangenen 15 Jahren nur sehr langsam, aber stetig zugenommen.

Bezieht man über die o. g. 79 Flüsse hinaus weitere Flüsse in die Auswertung ein, wurden bis zum Jahr 2017 in 60 Projekten ca. 5 500 Hektar Überschwemmungsaue zurückgewonnen. Die Umsetzung von Projekten aus dem Nationalen Hochwasserschutzprogramm und dem Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“ wird künftig zu einer weiteren Rückgewinnung von natürlichen Überflutungsräumen an Flüssen beitragen.

  1. Wie bewertet die Bundesregierung den Zustand der Gewässer- und Auenbiotoptypen, und welche Trends sieht sie für die Zukunft?

Nach der aktuellen Roten Liste 2017 der gefährdeten Biotoptypen Deutschlands sind 38 Prozent der Gewässer- und Auenbiotoptypen weiterhin in ihrem Bestand rückgängig (Trend +/- 10 Jahre). Im Vergleich zu den Auswertungen der 2. Fassung der Roten Liste von 2006 ist der Anteil an Gewässer/Auen-Biotoptypen mit negativer Tendenz etwas gesunken (Jahr 2006: 44 Prozent). Negative Tendenzen weisen u. a. weiterhin naturnahe, nährstoffarme (oligo- und mesotrophe) stehende Gewässer oder Brenndolden-Auenwiesen auf. 45 Prozent der Gewässer- und Auenbiotoptypen können in ihrem Bestand als stabil bewertet werden, der Anteil liegt in etwa gleich hoch wie im Jahr 2006 (hier: 44 Prozent). Drei Prozent der Typen nehmen aktuell zu. Betrachtet man die Veränderung der Entwicklungstendenz lediglich für die langfristig gefährdeten Gewässertypen (Gruppen 21. – 24.) im Vergleich zur Roten Liste von 2006, so zeigt sich, dass insgesamt der Anteil an Gewässer-Biotoptypen mit einer negativen Entwicklungstendenz von 57,3 Prozent auf 47,4 Prozent gesunken ist. Hier machen sich die Anstrengungen der letzten Jahre zur Renaturierung von Gewässern bemerkbar.

  1. Wie bewertet die Bundesregierung die ökologische Durchgängigkeit von Flüssen, auch der Bundeswasserstraßen (bitte Zahlen nach Fischaufstieg, -abstieg und Korridoren für Säugetiere aufschlüsseln)?
    a) Welche Auswirkung hat diese Situation auf Laich- und Jungfischhabitate?
    b) Wie wirkt sich dies auf die Anzahl der Arten und Populationsbestände aus? Wie wirkt sich dies insbesondere auf das Ziel, selbst reproduzierende Bestände von Langdistanzwanderfischen zu erreichen, aus?

Für den Erhalt und die Wiederherstellung der ökologischen Durchgängigkeit von Flüssen sind – mit Ausnahme der Bundeswasserstraßen – die Länder zuständig. Daher liegen der Bundesregierung keine Zahlen vor. Auf die nach Flussgebieten geordneten Bewirtschaftungspläne der Länder wird hingewiesen (www.wasserblick.net). Vor allem die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) bzw. das Wasserhaushaltsgesetz setzen für die ökologische Durchgängigkeit von Flüssen den rechtlichen Rahmen, wobei Säugetiere von der WRRL bzw. vom Wasserhaushaltsgesetz in diesem Zusammenhang nicht erfasst werden. Die Wiederherstellung der ökologischen Durchgängigkeit erfolgt Schritt für Schritt. Die Länder haben insoweit Vorranggewässer ausgewiesen, bei denen die Durchgängigkeit von besonderer Bedeutung ist. Es werden, wie an den Zuflüssen des Rheins, z. B. Murg oder Kinzig, frühere Laich- und Aufzuchthabitate erschlossen und bspw. laichen Lachsrückkehrer dort bereits wieder. Das sind wichtige Schritte in Bezug auf sich selbst reproduzierende Bestände an Langdistanzwanderfischen.

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