Finnland steigt 2029 aus der Kohle aus

Die nukleare Option – bis heute ein Trauerspiel

Da der Energieverbrauch in den kommenden Jahren voraussichtlich steigen wird, muss Finnland die Kohle im Energiemix durch andere Energieträger ersetzen: Derzeit gehört die Kernenergie zu den „aussichtsreichsten Kandidaten“, um die Lücke zu schließen. Zwei neue Reaktoren sollen im nächsten Jahrzehnt ans Netz gehen und den Anteil von 30 Prozent der Energie, die bereits heute durch Atomkraft gewonnen wird, weiter erhöhen. Die World Nuclear Association schätzt, dass die Atomkapazitäten bis 2025 rund 60 Prozent erreichen könnte, da die finnischen Reaktoren zu den effizientesten der Welt gehören.

Der ursprüngliche Zeitplan für die neuen Nuklearanlagen hat allerdings nicht den ersten Rückschlag erfahren, nachdem Helsinki Ende letzten Jahres mitteilen musste, dass sich sein in Frankreich projektierter und von der französischen Areva sowie der deutschen Siemens AG gebaute Reaktor Olkiluoto in Westfinnland erneut verzögern und wohl erst im Mai 2019 ans Netz gehen wird – 10 Jahre später als geplant und mit 9 Mrd. Euro mehr als dreimal so teuer. Kaum jemand in Finnland freut der Superlativ noch, dass dieser Reaktor der größte in Finnland sein und ungefähr zehn Prozent des Strombedarfs des Landes decken wird.

AKW-Historie – Pleiten, Pech und Pannen

Der Bau des ersten europäischen Druckwasserreaktors (EPR) läuft seit dem 12.08.2005. Der Kaufpreis war ursprünglich schlüsselfertig auf etwa 3 Mrd. Euro angesetzt gewesen. Bereits im ersten Baujahr kam es jedoch zu erheblichen Verzögerungen (u. a. wurde beim Herstellen der Fundamente zu schwacher Beton verarbeitet) – Chronologie nach Wikipedia:

  • Bereits nach 3 Jahren, 2008, wurden die Baukosten auf 4,5 Milliarden Euro geschätzt.
  • Im Jahr darauf, 2009, stiegen sie auf 5,47 Milliarden Euro. Um diese Mehrkosten ist mittlerweile auch juristischer Streit entbrannt.
  • Ende 2006 prognostizierte die Betreiberfirma eine Betriebsaufnahme frühestens 2011.
  • Im Oktober 2008 wurde ein Betriebsbeginn im Jahr 2012 angestrebt.
  • Die Netzsynchronisation wurde im Juni 2010 für 2013 angestrebt.
  • Im Oktober 2011 wurde der Termin auf 2014 verschoben.
  • Die prognostizierten Baukosten von nunmehr 6,6 Milliarden Euro sind mittlerweile mehr als doppelt so hoch wie die ursprünglich veranschlagten 3 Mrd..
  • Im Juli 2012 gab die Betreiberfirma bekannt, dass auch 2014 nicht mit einer Fertigstellung gerechnet werden kann. Ein neuer Termin wurde zunächst nicht genannt.
  • Areva gab im Dezember 2012 einen Inbetriebnahmetermin im Jahr 2015 an. Gleichzeitig veranschlagte der Areva-Vertreter die Gesamtkosten mit 8,5 Milliarden Euro.
  • Anfang 2013 wurde erklärt, dass sich die Inbetriebnahme auf 2016 verschiebe.
  • Anfang 2014 ließ der Areva-Konzern einen Termin zur Veröffentlichung einer neuen Fertigstellungsprognose verstreichen.
  • Im September 2014 gab Areva bekannt, dass der Reaktor erst Ende 2018 den Betrieb aufnehmen könne.
  • Im April 2015 schrieb die Zeitung Die Welt, dass die Baukosten auf ungefähr neun Milliarden Euro geschätzt werden.
  • Nach dem Ende des Geschäftsjahres 2014 tätigte AREVA Abschreibungen in Höhe von 720 Millionen Euro für das Projekt und verbuchte für 2014 einen Verlust in Höhe von 4,834 Mrd. Euro.
  • Im Dezember 2015 gab der zukünftige Betreiber TVO bekannt, dass die Anlage Ende 2018 in Betrieb gehen solle.
  • Im Mai 2016 berichtete der staatliche finnische Nachrichtenkanal YLE, dass die Verhandlungen zwischen TVO und Areva über einen Vergleich der Teilung der Mehrkosten abgebrochen wurden: TVO verklagte Areva auf 2,6 Milliarden € Schadensersatz bezüglich der Verspätung – Areva verklagte TVO auf 3,4 Milliarden € der Mehrkosten.
  • Im Juni 2017 wurden erste Kalttests durchgeführt; im Herbst 2017 sollten Warmtests folgen. Die Erteilung der Betriebsbewilligung war für Anfang 2018 geplant.
  • Im Oktober 2017 wurde verkündet, dass sich die Inbetriebnahme um weitere Monate verzögern wird und erst im Mai 2019 stattfinden soll, 10 Jahre später als bei Baubeginn im Jahr 2005 ursprünglich geplant.
  • Im März 2018 einigte sich der Betreiber TVO mit Areva und Siemens auf einen Schadensersatz wegen der Verspätung. Nach Auskunft von TVO bezahlen Areva und Siemens insgesamt 450 Millionen €. Die Entschädigung erhöht sich um weitere 400 Millionen €, wenn das Projekt nicht bis Ende 2019 fertiggestellt wird.

(Areva und Siemens haben sich inzwischen außergerichtlich mit dem Bauherrn, dem finnischen Energieunternehmen TVO, geeinigt mit dem Ergebnis, dass das Milliardengrab für Siemens und Areva um nochmals knapp eine halbe Milliarde Euro teurer wird.)

->Quellen: