Das Amazonasbecken muss vor weiteren Rodungen geschützt werden
Wie auf dem Climate Law Blog des Sabin Center der Columbia Law School jetzt zu lesen war, haben Ende Januar 25 Jugendliche und Kinder die kolumbianische Regierung verklagt, weil sie ihr Recht auf Gesundheit, Nahrung, Wasser und eine gesunde Umgebung bedroht sehen. Die Kläger argumentieren, dass der Klimawandel diese Rechte angreife, und dass die Regierung die Schuld daran trage, weil sie ihrer Aufgabe, den Urwald zu schützen nicht nachkomme, sondern im Gegenteil, diesen durch ihr Verhalten schädige. Durch die Abholzung des Amazonas seien die CO2-Emissionen gestiegen. Das Oberste Gericht Kolumbiens gab den Jugendlichen nun Recht. Im Prozess gegen einen Staat wurde die Amazonas-Region als juristische Person anerkannt, der kein Schaden zugefügt werden dürfe, sonst drohe Strafe. Nicole Weinhold beschreibt die Hintergründe dieses historischen Urteils für ERNEUERBARE ENERGIEN.
Das Amazonasbecken erstreckt sich über sieben Millionen Quadratkilometer auf den Territorien von acht Ländern. In den 1970er Jahren wurde mit dem Bau großer Fernverkehrsstraßen begonnen, an deren Trassen es in den Folgejahren zu einer weitflächigen Waldrodung durch Agrarkolonisten und später durch Rinderzucht betreibende Großgrundbesitzer kam. Darüber hinaus kam es durch die bergbauliche Erschließung von Eisenerz-, Zinn-, Gold, Erdöl- und Bauxitlagerstätten zu weiteren groß angelegten Rodungen des tropischen Regenwaldes.
Diese Rodungen halten bis heute an und haben bereits zu ökologischen Schäden mit Auswirkungen auf Flora und Fauna geführt. In den drei großen Regenwaldregionen der Erde (Amazonasbecken, Kongobecken und Südost-Asien) gingen in den Jahren 2000 bis 2010 jährlich 54.000 Quadratkilometer tropische Regenwälder verloren (The State of Forests in the Amazon Basin, Congo Basin and Southeast Asia, 2011).
Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) schätzt in ihrem Bericht (Global Forest Resources Assessment, FRA 2010), dass von 1990 bis 2000 weltweit jährlich 160.000 Quadratkilometer Wald (also nicht nur tropischer Regenwald) vernichtet wurden. In den folgenden zehn Jahren von 2000 bis 2010 ging dieser Wert zurück auf 130.000 Quadratkilometer. Davon entfielen durchschnittlich 40.000 Quadratkilometer auf Südamerika und 34.000 Quadratkilometer auf Afrika. Allein in Brasilien wurde in den vergangenen 40 Jahren eine Fläche abgeholzt, die mit 763.000 Quadratkilometer über zweimal so groß ist wie Deutschland. Das heißt: Pro Stunde wurden 526 Fußballfelder abgeholzt.
In der Klimadiskussion zeigt sich, der tropische Regenwald ist für das Weltklima heute wichtiger denn je. Viele Wissenschaftler sind überzeugt, dass Waldschutz die einfachste Maßnahme für den Klimaschutz ist. Holz besteht zum größten Teil aus reduziertem Kohlenstoff, von dem der Sauerstoff während der Photosynthese abgespalten wurde. Kohlenstoff, der im Holz gebunden ist, hat keinen negativen Einfluss auf die Erwärmung der Atmosphäre.
Die Kläger in Kolumbien hatten zunächst einen Forderungen-Katalog als sogenannte Tutela erstellt, um die Abholzung zu bremsen. Dieser wurde zunächst abgelehnt. Dazu gehören folgende Forderungen:
1. Einen Aktionsplan der Regierung zur Reduzierung der Abholzung: Innerhalb der nächsten sechs Monate müssen Regierungsvertreter einen Aktionsplan zur Reduzierung der Abholzung des Amazonas präsentieren – und zwar auf Null bis 2020. Die Kläger müssen darin die Möglichkeit der Teilhabe an dem Prozess wiederfinden.
2. Eine generationsübergreifende Vereinbarung: Die Regierung muss mit den Klägern eine generationsübergreifende Vereinbarung über die Maßnahmen entwickeln, die adaptiert werden, um die Abholzung und damit Treibhausgase zu reduzieren und Anpassungen an die Klimawandel in allen Städten und Kommunen des Landes in die Wege zu leiten.
3. Aktualisierungen zu kommunalen Landnutzungsplänen: Die kolumbianischen Amazonas-Kommunen müssen ihre Landnutzungspläne innerhalb von sechs Monaten aktualisiert offenlegen. Die aktualisierten Pläne sollten Maßnahmen gegen die Abholzung enthalten und zur Reduzierung von Treibhausgasen.
4. Ein Moratorium gegen die Abholzungstreiber: Die Regierung muss ein Moratorium verhängen über die Abholzer verhängen, die von den Klägern als Landnehmer und Ressourcenvernichter wahrnehmen.
5. Untersuchung gegen die illegalen Treiber der Abholzung: Regierung muss ein Unersuchungsverfahren einleiten, um gegen die illegalen Aktivitäten zur Abholzung des Regenwaldes vorzugehen.
6. Überprüfung des Nationalparksbudets: Die Administration für Nationalparks muss prüfen, ob die Parks ein ausreichendes Budget haben, um die Parks durch Sicherheitsdienste schützen zu lassen.
Den Ordnungsrahmen des Maßnahmenkatalog hatte das Gericht abgelehnt. Stattdessen schlug das Gericht ein Acción popular als passenden Rahmen vor, um die Rechte einer Gruppe zu schützen, wie etwa das Recht auf eine gesunde Umwelt. Der von den Jugendlichen vorgesehene Ordnungsrahmen der sogenannten Tutela Petition hat laut Gericht den Nachteil, dass er durch die Kurzfristigkeit bei der Umsetzung eine vorsichtige, gründliche Ausarbeitung der Maßnahmen nicht gewährleistet.
Die jungen Kläger hatte das abgelehnt mit der Begründung, dass eine Acción popular weniger wirkungsvoll sei, weil sie sich auf die Rechte einer Gemeinschaft beziehen, während eine Tutela sich auf die Rechte des Individuums beziehen. Damit konnten sie überzeugen. Trotzdem wird die Umsetzung nicht leicht. Immerhin herrschte bis vor kurzem noch Krieg in Kolumbien. 2016, im Jahr des Friedensabkommens zwischen Farc und kolumbianischer Regierung, nahmen die Rodungen massiv zu. In den Farc-Gebieten waren Rodungen streng sanktioniert, multinationale Unternehmen wagten sich aus Sicherheitsgründen nicht in die Region.
->Quelle: Nicole Weinhold – erneuerbareenergien.de/150/437/107619