Lesehinweis: Die „neue Radikalität“ im ökologischen Denken
Die in Sachen Klimawandel und Erneuerbare Energien bisher eher zurückhaltende Frankfurter Allgemeine Zeitung schlägt offenbar neue Töne an: „Von wegen Pause: Im Meer, im Eis, im Grünen und in großer Höhe, der Klimawandel kommt immer schneller auf Touren und hinterlässt radikaler denn je seine Spuren in den Datenreihen“, eröffnet Wissenschaftsredakteur Joachim Müller-Jung einen Artikel unter dem Titel „Der Planet steht, das System wankt“.
Müller-Jung diagnostiziert „schwierige Zeiten für gute Vorhersagen: Der Klimawandel überschlägt sich. So klingt es jetzt immer öfter. Doch stimmt das? Sind die bisherigen Vorhersagen noch haltbar?“ Für die Klimaskeptiker seien sie das noch nie gewesen – für die Seriösen jedoch, „die auf dem Teppich wissenschaftlicher Empirie geblieben sind, verdichtet sich eine beklemmende Erkenntnis: Klimaprognosen werden von der Realität immer öfter überholt.“ Das erschwere Vorhersagen zusehends – genauso wie die Politikberatung.
Klimawandel größte systemische Bedrohung für die Menschheit
UN-Generalsekretär Guterres habe kürzlich in New York gesagt, der Klimawandel sei die größte systemische Bedrohung für die Menschheit: 262 Milliarden Euro Schäden durch Naturkatastrophen allein im vergangenen Jahr, historische Hurrikanschäden in der Karibik, 41 Millionen durch Rekordmonsunfluten in Mitleidenschaft gezogene Asiaten, 900.000 Afrikaner, die 2017 dürrebedingt ihren Grund und Boden aufgeben mussten, und das Meereis der Arktis mit der historisch niedrigsten Winterausdehnung. Die Beschleunigung des Wandels lege an Tempo zu, an verschiedenen Stellen des Systems Erde sogar massiv. Immer neue Vorzeichen und Anzeichen einer galoppierenden Entwicklung würden sichtbar und wissenschaftlich publiziert:
- So wie die Studie einer internationalen Gruppe von Ornithologen: In der Zeitschrift „Nature Climate Change“ berichten sie von einer beunruhigenden ökologischen Phasenverschiebung.
- Der Göttinger Wildbiologe Johannes Lang zeigte als Mitautor für die von ihm untersuchten Falkenraubmöwen auf Grönland, dass den Vögeln die Beute (zurückgehender Lemmingnachwuchs) über lange Zeiträume mehr oder weniger ausgeht.
- Die Vielfalt an Pflanzenarten auf den Berggipfeln ist ist fünfmal so stark angestiegen wie in den fünfzig Jahren zuvor. Das konstatierten Biologen aus elf Ländern jüngst in der Zeitschrift „Nature“. Zum ersten Mal konnte eine solche beschleunigte Reaktion auf den Klimawandel für alpine Lebensräume nachgewiesen werden.
- Auch andere Schwellenwerte oder „Kippelemente“ geraten immer stärker in den Fokus. Beispielsweise an den Polen der Erde. In „Nature Geoscience“ berichten britische Forscher jetzt von einem unerwartet schnellen Rückzug der Schelfeiskante an einigen schnell strömenden Gletschern der Westantarktis und der Antarktischen Halbinsel, ja sogar an Teilen der bisher als besonders stabil eingeschätzten Ostantarktis.
- Levke Caesar vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und ihr Team haben in „Nature“ den gesuchten „Fingerabdruck“ der Golfstromabschwächung beschrieben. Die Umwälzpumpe und die Ozeanzirkulation im Nordatlantik habe sich klar verlangsamt: um beachtliche 15 Prozent in nicht einmal siebzig Jahren. Sie sei, das zeige eine zweite „Nature“-Publikation britischer Klimaforscher, schwächer als je zuvor in den vergangenen tausend Jahren. So radikal und eindeutig sei dieser Wandel nur von wenigen Klimaforschern vorhergesagt worden – abgesehen vom Potsdamer Golfstromexperten Stefan Rahmstorf, der das schon vor Jahren so dargestellt hat (und dafür auch als Alarmist beschimpft worden sei).
->Quelle und ganzer Artikel: faz.net/der-planet-steht-das-system-wankt-der-klimawandel-zeigt-sich-radikaler-denn-je