Geheim-Dokument: Diesel-Nachrüstung möglich

DUH veröffentlicht geheim gehaltenes Regierungsgutachten

Seit dem 08.01.2018, also knapp vier Monate lang, hat das Bundesverkehrsministerium das von Kanzlerin Angela Merkel angekündigte Gutachten über die Machbarkeit einer technischen Nachrüstung von Diesel-Pkw geheimgehalten. Es wurde sogar in den Koalitionsvertrag aufgenommen und von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf ihrem letzten Autogipfel im Kanzleramt ausdrückliche erwähnt – was seine besondere Bedeutung unterstreicht. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) veröffentlichte am 27.04.2018 das ihr zugespielte Gutachten ungekürzt. Für Millionen betrogene Käufer von Euro 5+6 Diesel-Pkw mit Abschalteinrichtungen enthält es entscheidende Argumente zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Schadenersatz beziehungsweise eine wirksame technische Nachrüstung durch den Hersteller.

 

Hinter diesen Fenstern schlummerte das Gutachten – das BMVI – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Die Studie wurde vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur bei Prof. Georg Wachtmeister von der TU München (Lehrstuhl für Verbrennungskraftmaschinen) in Auftrag gegeben; sie trägt den Titel „Studie über das Potenzial einer Realisierung einer Hardware-Nachrüstung für Dieselfahrzeuge EU5 (EU4) zur NOx-Reduzierung“. Wachtmeisters Fazit:

  • Der Bauraum für eine SCR-Nachrüstung ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vorhanden, da es entsprechende Fahrzeugmodelle im US-Markt gibt, welche mit SCR-Katalysatoren ausgerüstet sind. Zudem geht aus der ADAC-Veröffentlichung hervor, dass bereits für den lokalen Markt Fahrzeuge mit SCR-Katalysatoren angeboten werden.
  • Ein Einbeziehen der Fahrzeughersteller bietet das größte Potenzial für eine Nachrüstung. Dabei kann die Nachrüstung durch den Fahrzeughersteller selbst oder in Zusammenarbei1 mit einem Anbieter des Nachrüstmarktes erfolgen.
  • Anbieter des Nachrüstmarktes haben autarke SCR-Nachrüstungen entwickelt. Damit wäre eine Hardware-Nachrüstung auch ohne Beitrag eines Fahrzeugherstellers durchführbar. Damit könnte sicherlich nicht die theoretisch optimale Lösung erreicht werden, im Sinne einer Hardware-Nachrüstung wären die Lösungen des Nachrüstmarktes jedoch ebenfalls ausreichend.
  • Aus jetzigen Abschätzungen geht hervor, dass sich der Kostenrahmen für eine Hardware-Nachrüstung in einer realisierbaren Größenordnung bewegt.

BMVI hält Gutachten zurück, reicht es aber an Autokonzerne weiter

Immer wieder wurde die Entscheidung über Art und Um­fang einer technischen Nachrüstung der Betrugs-Diesel-Pkw unter Hinweis auf das „noch nicht vorliegende Gutachten“ verschoben. Ursprünglich hatte es Merkel dieses bereits für Ende 2017 angekündigt. Tatsächlich fertiggestellt und abgeliefert hat es Wachtmeister dann am 08.01.2018. Doch weder die Mitglieder der Expertengruppe 1 des Bundesverkehrsministeriums noch vom Dieselskandal betroffene Fahrzeughalter bekamen bisher Zugang zu diesem Gutachten. Interessanterweise kannten es aber die Autokonzerne und kritisierten es massiv. Alle Versuche der DUH, auf offiziellem Weg diese Studie als Mitglied der seit fünf Monaten nicht mehr tagenden Expertengruppe 1 zu erhalten, blieben erfolglos.

DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch ist empört: „Es ist ein beispielloser Vorgang, nicht nur tausenden vor deutschen Gerichten klagenden Haltern von Betrugsdiesel-Pkw ein mit Steuergeldern bezahltes Gutachten vorzuenthalten und sie damit in der Durchsetzung ihrer berechtigten Ansprüche zu behindern. Auch Millionen Menschen in unseren Städten werden buchstäblich im Dieseldunst allein gelassen. Meinungsumfragen zeigen, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung, die von Diesel-Fahrverboten betroffenen Städte und selbst der ADAC die seit 30 Monaten von der DUH geforderte technische Nachrüstung aller Diesel-Pkw der Abgasstufen Euro 5 + 6 durch die Fahrzeughersteller unterstützen“.

Auto-Schmiede haben Nachrüstung zu Unrecht als „technisch nicht machbar“ (und „zu teuer“) abgelehnt

Das bisher geheim gehaltene Wachtmeister-Gutachten bestätigt die Machbarkeit einer technischen Nachrüstung der Betrugsdiesel-Pkw. Georg Wachtmeister widerspricht den Autokonzernen deutlich in seinem Gutachten. Die Hersteller hatten – nachdem die DUH erstmals im Herbst 2015 die technische Nachrüstung aller Diesel-Pkw Euro 5+6 mit Abschalteinrichtungen gefordert hat – diese als grundsätzlich „technisch nicht machbar“ abgelehnt. Daraufhin hatte die DUH im Sommer 2016 die tatsächliche Möglichkeit und Wirksamkeit einer Nachrüstung bei einem Betrugs-VW Passat präsentiert und durch Messungen ihres Emissions-Kontroll-Instituts (EKI) gezeigt, wie ein solches Fahrzeug von 1.000 mg NOx/km auf 80 mg NOx/km und damit auf Einhaltung des Euro 6-Grenzwerts nachgerüstet werden kann. Daraufhin räumten BMW, Daimler und VW die technische Machbarkeit ein, behaupteten nun aber, diese sei übermäßig teuer und die Entwicklung solcher Systeme dauere viele Jahre, weil sie noch nicht vorhanden sei. Auch dieser Falschaussage widersprach die DUH und kalkulierte die Kosten auf durchschnittlich 1.500 Euro pro Fahrzeug.

Für Dieselschmiede ist Wachtmeisters Gutachten „Desaster“

„Für die Dieselkonzerne ist das Wachtmeister-Gutachten ein Debakel, da ihre gesamte Argumentationskette nun wie ein Kartenhaus einstürzt. Die Ergebnisse der Studie sind eine ‚schallende Ohrfeige‘ für Andreas Scheuer, den Vertreter der Dieselkonzerne im Bundeskabinett. Er vertritt aktuell die Argumentation von BMW, Daimler und VW, dass eine technische Nachrüstung unverhältnismäßig teuer und insgesamt nicht nötig sei. Ein zum gegenteiligen Ergebnis kommendes Gutachten wird in bewährter Weise nicht veröffentlicht, zumal es dem Dieselminister Scheuer mit sehr klaren und unmissverständlichen Festlegungen widerspricht“, so Resch weiter.

Weitere Kernaussagen des Wachtmeister-Gutachtens:

  • Ein Großteil der für eine Hardware-Nachrüstung erforderlichen Komponenten sind bereits entwickelt, der hierfür erforderliche Bauraum vorhanden. Wörtlich heißt es in dem Gutachten: „Somit ist davon auszugehen, dass durch die Fahrzeughersteller das größte Potenzial einer schnellen und soliden Hardware-Nachrüstung gegeben ist.“

  • In seinem Gutachten zitiert Wachtmeister auch die konkreten Upgrade-Angebote für Euro 5 Diesel-Pkw der Marken Audi, BMW, Mercedes und VW mit Kosten zwischen 1.190 bis 1.990 Euro und folgert hieraus, dass dies ein „weiterer Beleg“ dafür sei, dass „für eine Hardware Nachrüstung zur NOx-Reduzierung bei den Fahrzeugherstellern entsprechende Abgasnachbehandlungssysteme vorhanden sein sollten.“

  • In seiner „Zusammenfassung und Schlussfolgerung“ macht der Regierungsgutachter bemerkenswert klare Aussagen: „Die Evaluation möglicher Hardware-Nachrüstungen zur Reduktion der NOx-Emissionen zeigt, dass eine Nachrüstung durch die Fahrzeughersteller eindeutig die beste und sicherste Lösung darstellt. (…) Nach heutigem Erkenntnisstand ist aus meiner Sicht eine Nachrüstung von EU5-Fahrzeugen mit verträglichem Aufwand möglich. (…) Aus jetzigen Abschätzungen geht hervor, dass sich der Kostenrahmen für eine Hardware-Nachrüstung in einer realisierbaren Größenordnung bewegt.“

„Nachdem nun auch das Regierungsgutachten die Machbarkeit der technischen Nachrüstung bestätigt und die Hersteller als Verantwortliche identifiziert, muss sich die Bundesregierung endlich aus dem Würgegriff der Autobosse Zetsche, Krüger und Diess befreien. Es kann nicht sein, dass wir fortwährend über von uns erwirkte Gerichtsentscheidungen, wie zur Veröffentlichung der geheim gehaltenen Akte zum VW-Rückruf, Kanzlerin Merkel und Verkehrsminister Scheuer daran erinnern müssen, dass sie einen Eid auf das Wohl des Volkes und nicht auf die Profitmaximierung der Autokonzerne geschworen haben. Dies ist ein Weckruf für den Bundestag, seiner Kontrollaufgabe gegenüber einer fremdbestimmten Regierung nachzukommen. Die Besitzer von Diesel-Pkw mit Abschalteinrichtungen haben einen Rechtsanspruch, dass diese Fahrzeuge auf Kosten der Hersteller so nachgerüstet werden, dass sie von Fahrverboten befreit sind und die ‚Saubere Luft‘ in unseren Städten Wirklichkeit wird“, so Resch.

[note Solarify meint: Man will es eigentlich nicht glauben, aber den Millionen-kassierenden Autoschlossern scheint die öffentliche Reputation vollkommen gleichgültig zu sein: Erst betrügen, dann lügen, was kommt dann? Unglaublich, dass ihre Umsätze dennoch nach wie vor steigen…]

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