Kabinett beschließt dritten Klimaschutzbericht (2017)
Das Bundeskabinett hat am 13.06.2018 den Klimaschutzbericht 2017 beschlossen. Ernüchterndes Ergebnis: Deutschland steuert derzeit auf eine CO2-Minderung bis 2020 von (nur) etwa 32 Prozent gegenüber 1990 zu, so die Schätzung der Bundesregierung. Ursprünglich waren 40 Prozent geplant und öffentlich vekündet, so dass die Handlungslücke voraussichtlich rund 8 Prozentpunkte beträgt – oder umgerechnet 100 Millionen Tonnen CO2. Ohne das 2014 beschlossene Aktionsprogramm Klimaschutz wäre die Lücke mit 12 Prozentpunkten allerdings noch deutlich größer, teilt des Bundesumweltministerium mit. Reaktion des BUND: „Armutszeugnis!“
Bundesumweltministerin Svenja Schulze: „In der Klimapolitik hat es in den vergangenen Jahrzehnten Versäumnisse gegeben, die man nicht in kurzer Zeit wiedergutmachen kann. Wir müssen dringend wieder auf Kurs kommen und unser 40-Prozent-Etappenziel so schnell wie möglich erreichen. Wichtig ist auch, dass wir aus der Vergangenheit lernen für die nächste Etappe. Hier brauchen wir klare und verbindliche Vorgaben für jeden Bereich. Das Gute ist, dass wir die Instrumente kennen, die zum Ziel führen – erneuerbare Energien oder Elektromobilität zum Beispiel.“
Lücke evtl. noch größer
Dass die Lücke so viel größer sei als ursprünglich prognostiziert, liege an mehreren Faktoren:
- Erstens sei überschätzt worden, um wie viele Tonnen die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen den CO2-Ausstoß mindern. Das gelte besonders für den Verkehrssektor.
- Zweitens sei die Wirtschaft deutlich stärker gewachsen als vorhergesagt.
- Drittens habe die Bevölkerung stärker zugenommen als erwartet.
Aktuelle Trends unter anderem bei der Wirtschaftsleistung und beim Verkehrsaufkommen ließen befürchten, dass die Lücke sogar noch größer als die derzeit geschätzten 8 Prozentpunkte ausfallen werde.
2014 habe die Bundesregierung erstmals eine Lücke bei der Zielerreichung beziffert. Um sie zu schließen, seien damals das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 sowie der Nationale Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) beschlossen worden. Die Maßnahmen sollten zusätzliche Minderungen in einer Größenordnung von 62 bis 78 Millionen Tonnen CO2 erbringen. Der Klimaschutzbericht zeige nun, dass diese Maßnahmenpakete im Jahr 2020 maximal 52 Millionen Tonnen CO2 einsparen werden, also zwei Drittel des ursprünglichen Zielwertes. Das liege daran, dass einige Maßnahmen bislang noch nicht den gewünschten Effekt erreicht hätten. Das gelte für alle Sektoren, vor allem für den Verkehrs- und den Gebäudesektor.
Der 145 Seiten starke Bericht liste die ca. 110 Maßnahmen auf und stelle detailliert dar, welche CO2-Einsparung mit diesen Maßnahmen 2020 voraussichtlich erreicht würden. Diese Quantifizierung führe ein wissenschaftliches Konsortium durch.
- Energiewirtschaft: + 10 bis 20 Mio. t CO2 Äqu.
- Industrie: + 3,5 Mio. t CO2 Äqu.
- Gebäude: + 6 Mio. t CO2 Äqu.
- Verkehr: + 8 Mio. t CO2 Äqu.
- Landwirtschaft: + 0,7 Mio. t CO2 Äqu.
___________________________________ - Gesamt: Mögliche Mehremissionen in 2020 von 28,2 – 38,2 Mio. t CO2 Äqu.
Im Projektionsbericht 2017 wird im MMS eine Emissionsminderung in 2020 gegenüber 1990 von 34,7% erreicht. Die sektoral ermittelten Mehremissionen dieser Kurzanalyse würden zu einer Minderung gegenüber 1990 von 31,7% bzw. 32,5% in 2020 führen.]
VKU-Hauptgeschäftsführerin Katherina Reiche: Energiebranche (fast) auf dem Punkt – KWK-Ausbau
„Der heute vorgelegte Klimaschutzbericht verdeutlicht, dass die Energiebranche ihre CO2-Minderungsziele fast auf den Punkt erreicht. Andere Sektoren müssen erheblich nachlegen, um ihre jeweiligen Sektorziele zu erreichen. Erfreulich ist, dass der Bericht die Bedeutung der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) als Klimaschutztechnologie bestätigt. Die im Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 vorgegebenen vier Millionen Tonnen CO2 werden „geliefert“ – trotz erheblicher Unsicherheiten, die sich aus den verschiedenen Gesetzesnovellen der vergangenen Jahre ergaben. Das zeigt: Die KWK hat nach wie vor erhebliches Klimaschutzpotenzial, sowohl für die Strom- als auch für die Wärmewende. Die Energiebranche benötigt so schnell wie möglich stabile Rahmenbedingungen für den KWK-Ausbau über das Jahr 2022 mit Perspektive auf das Jahr 2030 hinaus. Dies würde zugleich die Entwicklung innovativer Wärmenetze weiter vorantreiben.“
BUND-Vorsitzender Hubert Weiger: „Armutszeugnis – Schönfärberei“
„Der Beschluss ist ein politisches Armutszeugnis und zeigt einmal mehr, dass die Regierungen von Angela Merkel in den zurückliegenden Jahren den Klimaschutz verschlafen haben. Und das, obwohl die Bundeskanzlerin persönlich im Wort steht, dass das Klimaziel erreicht wird. Die Politik der kommenden Monate und Jahre ist deshalb der Testfall für ihre klimapolitische Glaubwürdigkeit. Die Berechnungen im neuen Klimaschutzbericht basieren auf veralteten Zahlen und sind deshalb keine ehrliche Bestandsaufnahme. Es hätte der Bundesregierung gut angestanden, auf Schönfärberei zu verzichten und zuzugeben, dass das Klimaziel 2020 nach aktuellen Berechnungen um zehn Prozentpunkte verfehlt wird. Dass die überholte Bestandsaufnahme jetzt die Arbeitsgrundlage der Kohlekommission ist, wird die Arbeit in der Kommission nicht erleichtern. Wir fordern Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und Bundesumweltministerin Svenja Schulze auf, Sofortmaßnahmen zum Erreichen des Klimaziels 2020 zu beschließen. Mit der Halbierung der Emissionen aus Kohlekraftwerken kann das 2020 Ziel noch erreicht werden. Die Klimaschutz-Beiträge aus anderen Sektoren können kurz- bis mittelfristig nur gering ausfallen und reichen hierzu nicht aus.“
[note Solarify: „Ohne Aktionsprogramm wären es 12 Prozentpunkte – welch ein Trost für den ‚Klimavorreiter‘!“]
->Quellen: